Ingolstadts ehemaliger Oberbürgermeister Christian Lösel ist überraschend deutlich an einer neuerlichen OB-Kandidatur gescheitert. Bei einer Mitgliederabstimmung der Ingolstädter CSU unterlag der Politiker am Dienstagabend seinem Parteikollegen Michael Kern. Nach Parteiangaben votierten 60,7 Prozent der 400 beteiligten CSU-Mitglieder für Kern. Der 50-jährige Jurist ist stellvertretender Chef der Fraktion im Ingolstädter Stadtrat und bislang eher ein Mann der zweiten Reihe. Nach seiner Wahl lobte ihn die CSU als „Kandidaten, der das Ohr nah an der Bevölkerung hat“.
Gegen Lösel hatte es innerhalb der Partei vehemente Bedenken gegeben, da er 2020 als Amtsinhaber unerwartet gegen den SPD-Herausforderer Christian Scharpf verloren hatte – nach fast 50 Jahren CSU-Regentschaft in Ingolstadt. Kritiker warfen ihm Unnahbarkeit und mangelnde Kompromissfähigkeit in seiner Zeit als OB sowie schlechte Stimmung im Stadtrat vor.

Dennoch hatten sich wichtige CSU-Männer aus Ingolstadt, etwa Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Horst Seehofer, hinter seine Kandidatur gestellt. Wegen parteiinterner Widerstände kam es am Ende zur Urabstimmung, in der die Mitglieder das letzte Wort hatten. Lösel äußerte sich nach der Niederlage gegen Kern staatsmännisch. „Ab jetzt gibt es nur noch ein gemeinsames Ziel: Wir erobern das Rathaus zurück!“
Mit Kerns Ernennung zum CSU-Kandidaten ist das Bewerberfeld für die vorgezogene OB-Wahl fast komplett. Bislang treten nur Männer an: Der Ingolstädter SPD-Fraktions- und Kreisverbandschef Christian De Lapuente zieht für ein Bündnis mit Grünen, ÖDP, Linken und UWG ins Rennen; die Freien Wähler haben den ehemaligen Donaukurier-Chefredakteur und Politikneuling Stefan König nominiert; die FDP versucht es mit dem Stadtratsmitglied Jakob Schäuble. Auch die AfD will jemanden zur OB-Wahl aufstellen, hat aber noch niemanden ernannt.
Sowohl CSU als auch SPD waren bei der Kandidatensuche damit gescheitert, ein politisches Schwergewicht zu gewinnen. Die Konservativen wären gerne mit ihrem einflussreichen Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl in den Wahlkampf gezogen. Der bleibt aber lieber in Berlin, weil er nach einem Unionssieg bei der Bundestagswahl Aussicht auf wichtige Ämter haben dürfte. Auch bei den Sozialdemokraten ist zu hören, dass man die Kandidatur irgendwann „wie sauer Bier“ angeboten habe, aber von den namhaften Leuten niemand Interesse hatte.
Nun bleibt den Kandidaten nur noch wenig Zeit, um sich in der Stadt bekannt zu machen und für eigene Politikkonzepte zu werben. Die 140 000-Einwohner-Stadt befindet sich aktuell in einer Haushaltskrise, seit die Gewerbesteuerzahlungen der Audi-Mutter VW gestoppt wurden. Sparmaßnahmen sind die Folge.
Ingolstadt muss Anfang 2025 außerhalb des regulären Wahlturnus einen neuen Rathaus-Chef wählen, weil der amtierende OB Christian Scharpf (SPD) im März als Wirtschafts- und Wiesnreferent nach München wechselt. Wann genau die Wahl stattfindet, ist noch nicht geklärt. Ursprünglich wollte die Stadtverwaltung den 9. und 23. Februar für den ersten Wahldurchgang und eine mögliche Stichwahl festlegen. Doch dann kam Anfang November der Bruch der Bundesregierung in Berlin und der Vorschlag, die Bundestagswahl am 23. Februar abzuhalten. Weil kommunale Wahlen nicht am selben Tag wie Bundestagswahlen stattfinden dürfen, muss die Verwaltung nun neue Termine ins Auge fassen.