Ingolstadt:Bananenrepublik im Hochbauamt

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"Ich hatte den Eindruck, ich bin in einem Sumpf gelandet": Eine frühere Mitarbeiterin der Stadt Ingolstadt wirft ihren Vorgesetzten massive Mauscheleien bei Bauvorhaben vor. Einige der Verantwortlichen stehen vor Gericht - doch der Fall ist undurchsichtig.

Von Wolfgang Wittl, Ingolstadt

Ein heikles Treffen ist im Ingolstädter Rathaus kurzfristig für den Montag anberaumt worden: Es geht um die Frage, ob im Hochbauamt alles mit rechten Dingen zugeht - oder ob dort Zustände herrschen, die man gemeinhin in einer Bananenrepublik erwartet. Diesen Eindruck erwecken zumindest die Anschuldigungen einer ehemaligen Beschäftigten des Amtes. Sie unterstellt ihren früheren Vorgesetzten, diese würden bei der Vergabe von Bauvorhaben manipulieren, willfährige Architekten bevorzugen, Mitarbeiter unter Druck setzen. Sogar der für die Finanzen zuständige Bürgermeister soll sich Aussagen der Frau zufolge einmal erfolgreich für ein bestimmtes Planungsbüro eingesetzt haben. Sie sagt: "Ich hatte den Eindruck, ich bin in einem Sumpf gelandet."

Die heute 43-Jährige arbeitete als selbstständige sowie als angestellte Architektin, ehe sie zum 1. April 2009 in den Dienst des städtischen Hochbauamts Ingolstadt eintrat. Dass dort nicht alles seinen geregelten Gang nehme, habe sie sehr rasch bemerkt, sagt die Frau. Bei der geplanten Sanierung des Schulzentrums Südwest - einem etwa 60 Millionen Euro teuren Projekt - sei ihr manches merkwürdig vorgekommen. So seien zwei Architekturbüros, mit denen die Stadt schon öfter zusammengearbeitet habe, bereits Wochen vor der offiziellen Ausschreibung detailliert über das Raumprogramm, über Geschosse und Klassenräume sowie eine Kosten-Obergrenze informiert worden. Beide Büros erhielten später den Zuschlag und stachen bis zu 16 Mitbewerber aus.

Einspruch gegen Strafbefehl

Die Frau ging im Oktober 2012 zur Polizei, es folgte eine Razzia im Rathaus. Nun wird der Fall vor Gericht verhandelt. Verantworten müssen sich der Leiter des Hochbauamts, dessen Stellvertreter sowie drei Architekten besagter zwei Büros. Alle haben gegen den Strafbefehl, der ihnen zugestellt wurde, Einspruch eingelegt. Alle fünf Angeklagten beteuern zudem, sie hätten sich nichts zuschulden kommen lassen. Ausführlich geben sie in der ersten Verhandlung Auskunft, wie sich die Sache aus ihrer Sicht dargestellt habe.

Wegen plötzlicher Mängel im Brandschutz sei man beim Schulzentrum gehörig unter Zeitdruck geraten. Daher habe man ein beschleunigtes Verfahren angewendet, sagt der Amtsleiter. Da dies für jeden Neuland bedeutete, habe man eine renommierte Anwaltskanzlei hinzugezogen, die das Verfahren begleiten sollte - und die letztlich nichts beanstandet habe. Auf diesen Rat habe das Amt sich verlassen. Niemand habe es deshalb für anstößig gehalten, dass eines der Architektenbüros vorab eine Machbarkeitsstudie für dieses Projekt erstellte und später trotzdem am Vergabeverfahren beteiligt wurde. Seit er im Hochbauamt tätig sei, habe er stets "großen Wert auf eine rechtskonforme Abwicklung gelegt", betont der stellvertretende Leiter. Auch die Architekten verneinen rechtswidrige Absprachen.

Die Zeugin, auf deren Aussagen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II zum großen Teil fußen, schildert die Vorgänge anders. Schon bald habe sie den Eindruck gewonnen, dass die Vergabe kriminelle Züge trage. Einer der beiden Vorgesetzten habe ihr gesagt, die Machbarkeitsstudie sei gut geeignet, um Vorabinformationen an die beiden Planungsbüros zu verschleiern. Als sie Kollegen auf ihre Bedenken hingewiesen habe, hätten die ihr resigniert beschieden: Das laufe hier öfter so.

Angst um den Job

Warum sie erst drei Jahre später zur Polizei ging? Sie habe die Dinge intern klären wollen, sagt die Frau, aber niemand habe sich dafür interessiert. Außerdem habe sie Angst um ihren befristeten Job gehabt, "ich war in Panik". Davon ist in der Verhandlung nichts mehr zu merken. Unaufgefordert berichtet die Zeugin von weiteren Fällen, in denen es von Amts wegen nicht so genau genommen worden sein soll: etwa an einer Bezirkssportanlage, die Sache mit dem Bürgermeister oder einer Grundschule. Dort seien Schadstoffe in Böden gefunden worden, geschehen sei nichts.

Die früheren Vorgesetzten schütteln immer wieder den Kopf, während die Frau spricht. Das Verhältnis ist offenkundig zerrüttet. Sie sei rasch gemobbt worden, sagt die Zeugin, man habe ihr Projekte entzogen, sie angebrüllt und degradiert. Der Personalrat habe ihr nicht geholfen, eine Mediation sei manipuliert gewesen. Als die Kopfschmerzen zunahmen und ihre Stimme versagte, attestierten Ärzte ihr Arbeitsunfähigkeit. Die Situation sei für die ganze Familie sehr belastend gewesen. Derzeit ist die 43-Jährige von der Stadt freigestellt.

Zu den Motiven für die angeblichen Absprachen kann die Frau wenig sagen. Geld ist laut Anklage keines geflossen zwischen Architekten und Amt. Es sei wohl darum gegangen, dass die Planer nach den Vorstellungen des Amtes spurten, sagt die Frau.

Die Stadt werde alle Anschuldigungen prüfen, erklärt ein Sprecher. Doch erwarte man konkrete Hinweise, nicht pauschale Verdächtigungen. Der Personalrat werde sich gegen die Vorwürfe wehren. Am Mittwoch wird der Prozess mit weiteren Zeugen fortgesetzt - und vielleicht mit einem Antrag für ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Frau.

© SZ vom 14.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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