Ingolstadt:Aus Alt mach Alfa

Bernd Lucke wirbt in Bayern für seine Partei "Allianz für Fortschritt und Aufbruch" - wirklich neu ist nur der Name.

Von Wolfgang Wittl, Ingolstadt

Die Freundlichkeit überrascht: Auf das Willkommensplakat ist ein Herzchen gezeichnet, Journalisten werden mit Handschlag begrüßt. Selbst Bernd Lucke versichert, wie sehr er sich über den Besuch freue. Als Lucke noch Chef der "Alternative für Deutschland" (AfD) war, strahlte er nicht immer diese Offenheit aus. Manchmal wurde die Öffentlichkeit sogar vor die Tür gesetzt, doch jetzt ist sie ausdrücklich erwünscht. Vor wenigen Tagen hat Lucke den Vorsitz der neu gegründeten "Allianz für Fortschritt und Aufbruch" (Alfa) übernommen. In dieser Funktion ist er zum ersten Mal nach Bayern gekommen. Sein Anliegen: Werbung in eigener Sache.

Es sind viele bekannte Gesicher, in die Lucke da am Freitagabend blickt. Die meisten der etwa 80 Gäste waren Mitglieder der AfD, als die ihrem früheren Chef noch treu ergeben war. Auch der Gastraum im Ingolstädter Wirtshaus am Auwaldsee weckt Erinnerungen. Hier versank die bayerische AfD erstmals im Chaos, als sie ihren damaligen Landesvorsitzenden abwählte, um dann festzustellen, dass der Vorgang ungültig war. Jetzt also soll an dieser Stelle der Siegeszug von Alfa beginnen, mitunter aber verschwimmen Vergangenheit und Gegenwart noch. Sogar Lucke spricht einmal von der AfD, obwohl er bereits Alfa meint. Liegt ja alles nah beisammen.

"Teils idiotische Parolen"

Fast vier Stunden nimmt sich der 52-jährige Hamburger Zeit, um seine Gefolgschaft einzuschwören, ihr zuzuhören und seinen neuen Weg vorzustellen, der im Grunde der alte ist. Acht Punkte listet Lucke auf, die vor zwei Jahren zur Gründung der AfD geführt hätten, als die sich noch nicht "grundlegend verändert und teils idiotische Parolen" verbreitet habe: darunter die Eurorettungs- und Bildungspolitik, die mangelnde Finanzierung der Sozialsysteme bis zur Zuwanderung. Alle acht Punkte seien heute noch gültig, sagt Lucke, teilweise mehr denn je. Alfa soll demnach zum besseren Original werden - eine Partei wie die AfD, bevor diese "von anderen Politikern und Medien in die rechte Ecke gerückt" worden sei und somit in selbst erfüllender Prophezeiung erst "Rechte angezogen" habe, die Lucke von der Macht putschten. Menschen, wie Lucke sagt, die "uns die AfD entwunden" haben.

Der Vorwurf der Konkurrenz, Alfa habe Teile des Parteiprogramms einfach abgeschrieben, weist Lucke entschieden zurück. Die AfD habe sich "nicht entblödet, von Plagiaten zu sprechen", obwohl es sich um das geistige Eigentum von Mitgliedern handele - die nun eben zu Alfa wechselten. Überdies habe man keine wortgleichen Passagen übernommen, sondern Formulierungen umgeschrieben. Ein paar Säulen der neuen Politik will Lucke besonders herausstellen: die Förderung von Familien, qualifizierte Zuwanderung und den Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Auch Länder wie Italien und Spanien müssten aus dem Euro ausscheiden, falls sie nicht stark genug seien, fordert Lucke.

Etwas mehr Begeisterung habe sie sich schon erwartet

Viele der Gäste in Ingolstadt interessieren sich jedoch mehr für die Parteistruktur: Wann ein bayerischer Landesverband von Alfa entstehe, wie man Mitglied werden könne? Hier bremst Lucke noch, nicht zuletzt wegen der Erfahrungen mit der AfD, als ihm durch zahlreiche Neueintritte die Mehrheit seiner Basis wegbrach. Priorität hätten Verbände in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo demnächst Landtagswahlen stattfinden. Man brauche schnelle Achtungserfolge, sagt Lucke. Seine Messlatte: "Mehr als die AfD."

Brigitte Stöhr ist eine der Lucke-Getreuen, die es noch mal versuchen will. Sie war in Bayern AfD-Vize und Sprecherin, im Moment koordiniert sie landesweit den sogenannten "Weckruf", der in Alfa übergehen soll. Etwas mehr Begeisterung und weniger Skepsis habe sie sich von den Anwesenden schon erwartet, sagt Stöhr hinterher: "Wir müssen Durchhaltevermögen und Geduld haben."

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