Indizienprozess Ursula Herrmann:Schwere Pflicht

Das Augsburger Gericht ist auch Hinweisen nachgegangen, die zur Entlastung des Angeklagten hätten führen können. Doch die belastenden Beweise überwogen alle Zweifel.

Hans Holzhaider

Die "tiefe Genugtuung" des Leitenden Augsburger Oberstaatsanwalts Reinhard Nemetz über das Urteil im Fall Ursula Herrmann ist leicht nachzuvollziehen: Selten gab es ein Verbrechen, bei dem man sich so schwer damit abfinden konnte, dass es ohne Sühne bleiben sollte wie dieses. Ein Kind in eine Kiste zu sperren und lebendig zu begraben, ist so ungefähr das Gemeinste, was sich ein Mensch ausdenken kann.

Ein Angeklagter, der sich mit einem solchen Tatvorwurf konfrontiert sieht, hat einen schweren Stand.

Zweifel müssen sich nach dem Gesetz zu seinen Gunsten auswirken, aber Zweifel in diesem Sinn sind immer nur die Zweifel, die das Gericht hegt, und das Gericht kann sich seine Überzeugung auch ohne einen hundertprozentigen Beweis aus der "Gesamtschau der Indizien" bilden. Das ist ja gerade das kennzeichnende Merkmal des Indizienprozesses, dass er ohne den letzten, unumstößlichen Beweis auskommen muss. Umso höher sind die Anforderungen, die an die Sorgfalt und die Fairness der entscheidenden Richter zu stellen sind.

Diesen Anforderungen hat das Augsburger Gericht, das den - bis zur Rechtskraft des Urteils immer noch mutmaßlichen - Entführer Ursula Herrmanns verurteilt hat, entsprochen.

Es ist mit großer Akribie auch den Hinweisen nachgegangen, die zu einer Entlastung des Angeklagten hätten führen können. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass die belastenden Indizien die noch verbleibenden Zweifel an der Schuld des Angeklagten überwiegen.

Eine solche Abwägung zu treffen, ist die schwere Pflicht des Gerichts. Der Angeklagte selbst hat diese Abwägung durch sein beharrliches Schweigen nicht erleichtert.

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