Ministerin Merk in Bedrängnis:Aussage gegen Aussage

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In der Kritik: Als Justizministerin soll Beate Merk eine Staatsanwältin angerufen haben, um ein laufendes Verfahren zu beeinflussen. (Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Die Augsburger Allgemeine berichtete in ihrer Wochenendausgabe, Beate Merk habe als Justizministerin in ein laufendes Strafverfahren eingegriffen.
  • Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg erklärt indes, es habe keinen Anruf der Ministerin bei der zuständigen Staatsanwältin gegeben.
  • Die Opposition im Landtag fordert eine rückhaltlose Aufklärung.

Von Stefan Mayr, Augsburg, und Wolfgang Wittl, Augsburg/München

Eigentlich hätte es der schönere Teil von Beate Merks Dienstwoche werden sollen. Am Donnerstag und Freitag hatte Bayerns Europaministerin (CSU) noch Gespräche im von Terroranschlägen erschütterten Tunesien geführt. Am Wochenende ging es dann zur musikalischen Erbauung nach Österreich. Merk war zur Eröffnung der Salzburger Festspiele eingeladen, doch ob sie den kulturellen Hochgenuss unbeschwert genießen konnte, ist nur zu vermuten. Denn der Besuch war begleitet von schweren Vorwürfen zu ihrer politischen Vergangenheit.

Die Augsburger Allgemeine berichtete in ihrer Wochenendausgabe, Merk habe als Justizministerin in ein laufendes Strafverfahren eingegriffen. Ein Anruf der Ministerin bei der zuständigen Oberstaatsanwältin in Augsburg soll 2012 dazu geführt haben, dass leitende Mitarbeiter eines Unternehmens aus Merks Heimat gegen Kaution überraschend auf freien Fuß gesetzt worden seien. Merk ließ die Anschuldigung am Samstag zurückweisen. Die Ministerin habe in dieser Sache nicht bei der Staatsanwaltschaft Augsburg angerufen, teilte ein Sprecher der Staatskanzlei mit. Auch sonst habe Merk auf das Verfahren "keinen Einfluss genommen".

Vorwurf der Einflussnahme
:CSU-Ministerin soll in Strafverfahren eingegriffen haben

Beate Merk hat einem Medienbericht zufolge 2012 als Justizministerin Einfluss auf die Augsburger Staatsanwaltschaft genommen. Sie weist den Vorwurf zurück.

Von Stefan Mayr und Wolfgang Wittl

Es war im Dezember 2012, als der Geschäftsführer eines Möbelhauses in Merks Wahlkreis Neu-Ulm vorläufig festgenommen wurde. Nach SZ-Informationen hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg noch am 4. Dezember den "eiligen Vollzug" des Haftbefehls beantragt. Doch kaum saß der Mann hinter Gittern, vollzog die zuständige Staatsanwältin den größtmöglichen Sinneswandel: Sie beantragte die Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Warum ändert eine erfahrene Staatsanwaltschaft, die in Schwaben schwerpunktmäßig für alle Wirtschaftsstrafsachen zuständig ist, über Nacht ihre Meinung? Am 6. Dezember 2012 erfolgte die Festnahme - nur damit die Staatsanwaltschaft einen Tag später schon wieder die Entlassung gegen zwei Millionen Euro Kaution beantragte?

Die Hektik ist ungewöhnlich

Ein erfahrener Jurist, der Einblick in das Verfahren hat, findet für die überraschende Wende nur eine Begründung: "Da muss es eine Anweisung von oben gegeben haben, anders ist das nicht zu erklären." Es komme vor, dass die Staatsanwaltschaft Haftbefehle rückgängig mache, etwa wenn sich bei Ermittlungen herausstelle, dass Vorwürfe nicht zutreffen oder keine Flucht- oder Vertuschungsgefahr mehr bestehe. "Aber diese Hektik ist extrem außergewöhnlich", sagt der Jurist. Auch Staatsanwälte bestätigten hinter vorgehaltener Hand, dass ein derart hurtiger Meinungsumschwung bemerkenswert sei.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg erklärt indes, es habe keinen Anruf der Ministerin bei der zuständigen Staatsanwältin gegeben. Dies habe die Leiterin der Wirtschaftsabteilung, Oberstaatsanwältin Brigitta Baur, in einer dienstlichen Stellungnahme mitgeteilt. Auch eine Einflussnahme der Generalstaatsanwaltschaft auf die Entscheidung der Augsburger Staatsanwälte sei nicht erfolgt. Allerdings sei der Fall eine sogenannte "Berichtssache". Es sei also möglich, "dass seitens der Generalstaatsanwaltschaft Rechtsfragen mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft erörtert" wurden. Grundsätzlich ist das Justizministerium gegenüber Staatsanwaltschaften weisungsbefugt. Dass die Politik sich einschaltet, geschieht allerdings nur in Ausnahmefällen - zuletzt etwa beim Wiederaufnahmeverfahren von Gustl Mollath. Merk bestreitet, der Generalstaatsanwaltschaft eine Anweisung in dem jetzigen Fall gegeben zu haben.

Damit steht Aussage gegen Aussage. Die Augsburger Allgemeine führt nicht genannte Zeugen ins Feld, die von einem angeblichen Anruf Merks an die Oberstaatsanwältin etwas mitbekommen haben wollen. Schriftliche Belege existieren offenbar nicht. Pikant wäre der Fall auch deshalb, weil sich Merk und die Möbelhaus-Familie persönlich kennen. Der Patriarch des Hauses hat aus den Händen der Ministerin das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse überreicht bekommen.

Doch es gibt weitere Verbindungen in die CSU: Alfred Sauter, ebenfalls ein ehemaliger Justizminister, derzeitiger Landtagsabgeordneter und einer der wenigen politischen Vertrauten von Ministerpräsident Horst Seehofer, ist als Rechtsanwalt für das Unternehmen tätig. Bis zuletzt trat Sauter sogar in der aktuellen Strafsache - es geht um Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug - als Fürsprecher des Möbelhauses auf. Noch am Samstag verteidigte er in der Südwestpresse das Management der Firma: "Offenkundig ist, dass seitens der Geschäftsleitung kein systematisches Vorgehen erfolgte." Zuvor hatte er von "unklaren gesetzlichen Vorgaben" gesprochen und den Angeklagten als "exzellenten Steuerzahler" bezeichnet.

Opposition fordert Aufklärung

Sauter bestreitet aber jedwede Einflussnahme. Er habe keinerlei Kontakt zu Merk gehabt, um für die Angeklagten Erleichterungen zu erwirken. "Ich war mit dem Fall damals nicht befasst und habe erst lange im Nachhinein von der Inhaftierung erfahren", sagte Sauter am Sonntag. Gleichwohl vertrete er das Unternehmen "gelegentlich". Die beiden Angeklagten waren am 11. sowie 13. Dezember 2012 wieder auf freien Fuß gekommen. Am Montag wird der Prozess gegen insgesamt vier Führungskräfte der Firma beginnen. Auch Sauter wird dann nach eigenen Angaben im Gerichtssaal sitzen - als "Nebenbeteiligter".

Die Opposition im Landtag fordert eine rückhaltlose Aufklärung. Sollten die Vorwürfe zutreffen, müsse der Ministerpräsident Beate Merk "unverzüglich entlassen", sagt Grünen-Fraktionssprecher Ludwig Hartmann. Man werde die "in der CSU beliebte Verzögerungs- und Verharmlosungstaktik nicht hinnehmen". Die Abgeordneten müssten umgehend informiert werden. Auch SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hält einen Rücktritt für "unausweichlich" - vorausgesetzt, die Anschuldigungen stellen sich als wahr heraus.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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