Immobilienmarkt in Bayern:Wenn die Miete unbezahlbar wird

Grafik Mietpreise Bayern

Eine Grafik zeigt, wie sich die Mietpreise in Bayern in den vergangenen zehn Jahren verändert haben.

Knapper Wohnraum und explodierende Mieten sind nicht nur in München, sondern in ganz Bayern ein Problem. Besonders dramatisch ist die Lage in den Uni-Städten, in die zwangsläufig viele junge Leute mit niedrigem Einkommen ziehen.

Von Christian Sebald

Wenn Kurt Schindler auf die Regensburger Altstadt zu sprechen kommt, klingt er schier verzweifelt. "Die Mieten sind dort binnen zehn Jahren von 5,45 Euro pro Quadratmeter auf 7,34 Euro gestiegen", sagt der Vorsitzende des Mieterverein Regensburg. "Das ist eine Steigerung um fast ein Drittel, das kann sich kein normaler Mensch mehr leisten."

Die Folgen sind insbesondere bei den Studenten zu beobachten, die sich hauptsächlich im Zentrum der Weltkulturerbe-Stadt einmieten. Je nach Wohnungsgröße gründen sie zu Dritt oder Viert eine WG. Nur so können sie die teuren Mieten gerade noch bezahlen. Sobald sie ihr Studium abgeschlossen haben, verlassen sie jedoch die Altstadt. Und die Wohnungen werden neu vergeben - natürlich wieder mit einem kräftigen Aufschlag auf die Miete. "So schraubt sich die Spirale unerbittlich nach oben", klagt Schindler. Regensburg ist aber beileibe kein Einzelfall. Ob Erlangen oder Kempten, Passau oder Würzburg - Wohnungsnot und eine Explosion der Mieten ist überall in Bayern zum Thema geworden.

Natürlich ist und bleibt die Situation in München am schlimmsten. Laut einer Studie des Eduard-Pestel-Instituts (Hannover) fehlen bis 2025 allein in der Landeshauptstadt etwa 290.000 Wohnungen. Im Landkreis München werden es noch einmal 51.000 sein. Auch mit Mieten von 18 Euro und mehr je Quadratmeter belegt München den unrühmlichen Spitzenplatz - nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland.

Weil das so ist, wird allzu oft vergessen, dass knapper Wohnraum und explodierende Mieten auch in anderen Regionen Bayerns ein drängendes Problem geworden sind. So wird es in Nürnberg bis 2025 mindestens 74.000 fehlende Wohnungen geben, in Rosenheim werden es 33.000 und in Augsburg 32.000 sein. Die große Nachfrage lässt die Mieten steigen: In Augsburg beispielsweise nehmen die Vermieter bei Neuvermietungen heute schon 20 Prozent mehr als vor zehn Jahren.

Viele Faktoren führen zum Wohnungsdrama

Es ist eine Vielzahl von Faktoren, welche die Not auf dem Wohnungsmarkt befördert haben. Aber erst in ihrem Zusammenspiel, so sagen Fachleute, entwickeln sie ihre Dramatik. Das gilt als erstes für die permanent steigende Nachfrage. Da ist zum einen der demografische Wandel. Die Leute werden immer älter und leben also länger in ihren vier Wänden.

Bayern ist außerdem eines der wenigen Bundesländer, dessen Bevölkerung immer noch wächst. Und die Leute brauchen immer mehr Platz. "Pro Jahr steigt der Raumbedarf pro Kopf um wenigstens 0,4 Quadratmeter", sagt Stephan Kippes, der Geschäftsführer des IVD-Instituts, das in halbjährlichem Turnus die Situation auf dem bayerischen Wohnungsmarkt untersucht. "In 20 Jahren addiert sich das auf ein Plus von zehn Quadratmetern - pro Kopf." Und immer mehr Menschen leben alleine, was unterm Strich die Nachfrage ebenfalls beträchtlich steigert. Besonders schlimm ist die Lage in den Hochschulstädten, in die zwangsläufig viele junge Leute ziehen.

Neuer Tiefstand beim Wohnungsbau

Auf der anderen Seite werden in Bayern derzeit so wenig Wohnungen gebaut wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. "In den frühen 1970-er Jahren wurden ungefähr 135.000 Wohnungen pro Jahr errichtet, Mitte der 1990-er Jahre waren es noch gut 113.000", sagt Monika Schmid-Balzert, die Geschäftsführerin des Mieterbunds in Bayern. Seither sind die Zahlen dramatisch eingebrochen - bis zum Tiefstand 2009, als im Freistaat nur gut 31.000 Wohnungen neu bezogen wurden.

2011 waren es dann immerhin 42.000. "Doch auch das ist viel, viel zu wenig", sagt IVD-Chef Kippes. Zumal die Baukrise den geförderten Wohnungsbau sehr viel härter trifft als den frei finanzierten - und damit die Mieter mit kleinen und mittleren Einkommen. 1993 wurde noch knapp 12.000 geförderte Mietwohnungen in Bayern errichtet. 2011 waren es lediglich noch um die 1300.

Weniger Förderung, mehr Auflagen

Student auf Wohnungssuche, 2007

Zettelflut: Viele Studenten suchen über Aushänge nach einem Zimmer - vereinzelt findet sich an einem Schwarzen Brett auch ein Angebot.

(Foto: Robert Haas)

Es sind denn auch Bund und Land, die Mieterbund-Geschäftsführerin Schmid-Balzert für die Wohnungsnot verantwortlich macht. "Sie haben viel zu lange gedacht, sie hätten das Problem gelöst", sagt die Rechtsanwältin. "Mit der Föderalismusreform 2006 hat der Bund sich sogar aus dem Wohnungsbau verabschiedet."

Auch die Förderung haben Bund und Freistaat massiv gekürzt. Anfang der 90-er Jahre steckten sie noch 600 Millionen pro Jahr in den geförderten Wohnungsbau. Seit der Jahrtausendwende strichen sie die Ansätze auf zuletzt 210 Millionen pro Jahr zusammen. Zudem strich der Bund eine Reihe steuerlicher Begünstigungen für Bauherren. An ihre Stelle traten teure Auflagen, etwa durch die Energieeinsparverordnung.

Doch das ist es nicht alleine. "Gerade in jüngster Zeit laufen uns die Baukosten davon", sagt Xaver Kroner. Er ist Geschäftsführer des "VDW Bayern". Das ist ein Zusammenschluss von 461 Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen mit einer halben Million Wohnungen im Bestand. "Unsere Mitglieder wurden zuletzt mit Kostensteigerungen von acht Prozent im Jahr konfrontiert. Da kann einfach keiner mehr bauen", sagt Kroner, zumal auch die Preise für Bauland weiter ansteigen. "Und dann sind da die trägen Verwaltungen", klagt IVD-Mann Kippes. "Viele Bauverwaltungen blockieren bauwillige Investoren mehr als dass sie ihnen das bürokratische Procedere erleichtern." Schmid-Balzert fordert denn auch eine "konzertierte Aktion", an der sich Bund, Länder und Kommunen beteiligen.

Kurt Schindler will so lange nicht mehr warten. Der Regensburger Mieterbund-Chef hat seine Stadt jetzt aufgefordert, ein "Bündnis für soziale Wohnungspolitik" zu schmieden. Per Stadtratsbeschluss soll das kommunale Wohnungsunternehmen in Regensburg verpflichtet werden, nur noch Mieterhöhungen deutlich unter dem erlaubten Maß zu verlangen.

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