Imkerei:Bienentod

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Eine Honigbiene inspiziert in einem Garten eine Krokusblüte. (Foto: picture alliance / dpa)

Für Imker war dieser Sommer besonders schlimm. Verluste von bis zu 50 Prozent müssen sie verzeichnen. Der milde Winter ist nur ein Grund. Der Hauptfeind der Bienen ist die Landwirtschaft.

Von Christian Sebald, München

Max Stoib hat Glück gehabt. "Die Linden haben's rausgerissen, die haben noch mal richtig Honig gegeben", sagt der 57-jährige Imker aus dem oberbayerischen Hausham. "Wenn die Linden nicht gewesen wären, wär' meine Ernte noch viel schlechter ausgefallen." 60 Bienenvölker hält der gelernte Automechaniker, der hauptberuflich als Anlagenbauer arbeitet. Seine Bienenstöcke hat er überall auf den Wiesen rund um den Tegernsee stehen. In normalen Jahren bringt ihm jedes Volk gut 25 Kilogramm. Dieses Jahr sind es gerade mal 18 Kilo. "18 Kilo, das ist richtig wenig", sagt Stoib. "Dabei kann ich mich nicht beschweren. Viele Kollegen hat's noch viel schlimmer getroffen."

Schuld an der Misere ist der milde Winter 2013/2014, "der Nicht-Winter", wie Stoib sagt. Der Januar, der Februar und der März waren viel zu warm, selbst rund um den Tegernsee lag kaum Schnee. Viele Völker sind deshalb viel zu früh ausgeflogen. "Warme Winter machen die Bienen sehr anfällig für Schädlinge", sagt Stoib, "vor allem für die Varroa-Milben." Die nur 1,7 Millimeter winzigen Parasiten gelten als der Hauptfeind der Bienen. Sie haben es auf ihr Blut abgesehen.

Die Bisswunden, die sie ihnen zufügen, machen die Bienen anfällig für andere Schädlinge. Außerdem vermehren sich die Milben auf der Brut, so dass die jungen Bienen schon geschwächt schlüpfen und wenig später eingehen. "Etliche Kollegen mussten dieses Jahr Verluste von 50 Prozent und mehr in ihren Völkern verkraften", sagt Stoib. "Gegen die Varroa-Milbe ist kein Mittel gewachsen, so viel schon geforscht worden ist."

Ein Fünftel der Äcker im Freistaat sind Maisäcker

Die Varroa-Milbe ist freilich nicht der einzige Grund, warum die Bienen leiden. Viele Imker sind sogar fest überzeugt davon, dass sie nicht einmal der wichtigste ist. Für sie ist längst die Landwirtschaft der Feind Nummer eins der Bienen. "Man kann es leider nicht anders sagen", sagt Manfred Hederer. Der 66 Jahre alte Berufsimker aus Utting am Ammersee ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Aber er hat immer noch um die 40 Bienenvölker. "Wenn die Maismonokulturen immer mehr und immer größer werden und auf den Wiesen kein Platz mehr ist für Blumen, braucht sich keiner zu wundern, dass es den Bienen immer schlechter geht", sagt Hederer. "Die finden einfach immer weniger Nahrung."

Der Maisanbau hat auch in Bayern immense Ausmaße angenommen. Ein Fünftel der Äcker im Freistaat sind Maisäcker. "Wo aber Mais angebaut wird, wachsen keine Feldblumen und anderen Trachtpflanzen mehr", sagt Arno Bruder. Der 58-jährige Weilheimer ist Fachberater für Imker in Oberbayern. "In Regionen, wo sehr viel Mais angebaut wird, leiden die Bienen den Sommer über regelrecht Hunger." Wenn überhaupt, dann sind Maispollen eine sehr einseitige und minderwertige Nahrung.

Doch das ist es nicht alleine. Auch der massive Pestizideinsatz im Maisanbau schädigt die Bienen. "Die großen Agrarkonzerne wollen es zwar nicht wahrhaben", sagt Bruder. "Aber es ist einfach so, dafür gibt es viele Belege." So hat die EU-Lebensmittelbehörde Efsa im vergangenen Jahr in einem Gutachten festgestellt, dass die sogenannten Neonicotinoide - das sind neuere Insektizide, die beim Anbau von Mais, aber auch von Raps, Rüben, und Sonnenblumen verwendet werden - Bienensterben verursachen können. Darauf wurde ihr Einsatz für zwei Jahre verboten - um ihre Auswirkungen näher zu erforschen. Die Hersteller des Pflanzenschutzmittels bestreiten die Gefahr für Bienen vehement. Die Imker befürchten, dass sich die Konzerne und ihre mächtige Lobby durchsetzen könnten und die Insektizide alsbald wieder erlaubt sein werden.

Aber selbst am Tegernsee, wo es praktisch keinen Ackerbau gibt und damit fast keinen Mais, sondern nur Weideland für die vielen Milchkühe und das Jungvieh, ist die Welt der Bienen längst nicht mehr in Ordnung. Die allermeisten Bauern mähen ihre Wiesen inzwischen so früh im Jahr, dass noch keine Blume auf ihnen blüht. "Auch die Bienen hier bei uns im Oberland finden immer weniger Nahrung", sagt Stoib. "Zumal die Bauern inzwischen ja sechs bis sieben Schnitte im Jahr machen und deshalb zu keinem Zeitpunkt mehr etwas blüht auf den Wiesen."

Wie überhaupt für Bauern und Agrarexperten Wiesenblumen offenbar in allererster Linie Schädlinge sind. So hat die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) - das ist ein hoch dotiertes staatliches Agrarinstitut, das Landwirtschaftsminister Helmut Brunner untersteht - eine Broschüre über das "Unkrautmanagement auf Wiesen und Weiden" im Sortiment. In dem 27-seitigen Heft geht es nicht nur darum, wie man dem Riesenbärenklau und anderen Giftpflanzen Herr wird. Sondern auch Nesseln, Kleearten, Pestwurzen und sogar dem Löwenzahn. "Für die Bienen sind das aber alles wichtige Nahrungsquellen", sagt der Imker Hederer. Für die Agrarexperten sind die Wiesenpflanzen "minderwertige Platzräuber", wie es in der LfL-Broschüre heißt.

Den Bienen, die trotz allem über den Wiesen umherbrummen, droht noch eine ganz andere, tödliche Gefahr: Zusammen mit allen möglichen anderen Insekten werden sie zu Zigtausenden von den immer gigantischeren Mähwerken hinweggerafft, welche die Bauern vorne an ihre Traktoren montieren. "Wir haben das untersucht", sagt Hederer. "Ein halbes Bienenvolk pro Mähgang und Hektar ist tot, wenn so ein Landwirt mit seinem Kreiselmähwerk über seine Wiese donnert." Ein halbes Bienenvolk, das sind 20 000 bis 25 000 Bienen. Hederer wird in diesem Jahr denn auch nur siebeneinhalb Kilo Honig pro Bienenvolk ernten. "Das ist nicht einmal ein Drittel einer normalen Ernte", sagt er.

So wie dem Uttinger Imker dürfte es den meisten der ungefähr 28 000 Berufs- und Hobbyimkern in Bayern mit ihren insgesamt 250 000 Bienenvölkern gehen. Da ist der Haushamer Imker Stoib wirklich sehr gut dran.

© SZ vom 09.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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