Im Gespräch: Heinrich Bedford-Strohm:"Christen sollen sich in Parteien engagieren"

Der neu gewählte evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm über Frauen in der Kirche, Glück und sein SPD-Parteibuch.

M. Maier-Albang u. A. Ramelsberger

Bayerns evangelische Landeskirche bekommt im Herbst einen neuen Bischof: Heinrich Bedford-Strohm, 51, Uniprofessor aus Bamberg. Seine Gegenkandidaten Helmut Völkel und Susanne Breit-Keßler unterlagen. Breit-Keßler, der gute Chancen eingeräumt worden waren, schied mit nur 18 von 105 Stimmen aus.

Bayerische Landessynode

Ein Mann, der sich als politischer Bischof versteht: Heinrich Bedford-Strohm, hier ganz rechts kurz nach seiner Wahl, plädiert für eine Islam-Konferenz auch in Bayern, will die Muslime einbinden und nicht verschrecken und trifft sich demnächst mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.

(Foto: dpa)

SZ: Ist die evangelische Kirche in Bayern noch nicht reif für eine Bischöfin?

Bedford-Strohm: Ich wünsche mir selbst mehr Frauen im Bischofsamt. Deswegen habe ich mir genau überlegt, ob ich kandidiere. Aber ich hätte es als Paternalismus empfunden, wenn ich verzichtet hätte. Damit hätte ich meine Mitkandidatin entwertet. Ich weiß, dass viele Frauen darauf gesetzt haben, dass wir jetzt eine Bischöfin haben und nun enttäuscht sind. Das werde ich auch bei künftigen Personalentscheidungen berücksichtigen.

SZ: Sie hören sich fast an wie Ministerpräsident Horst Seehofer. Der hat in der CSU gerade das Jahr der Frau ausgerufen. Rufen Sie jetzt das Jahr der Frau in der evangelischen Kirche aus?

Bedford-Strohm: Ich bin nicht Horst Seehofer, ich bin Heinrich Bedford-Strohm. Das ist sicher nicht das Gleiche. Sie werden in zwei, drei, vier Jahren sehen, ob meinen Worten Taten folgen.

SZ: Sie verstehen sich als politischer Bischof, nicht als parteipolitischer. Wie passt das zu Ihrem SPD-Parteibuch?

Bedford-Strohm: Ich bin als Schüler in die SPD eingetreten, habe mir aber nie Scheuklappen aufgesetzt. Ich habe mir die Freiheit genommen, Kritik an meiner Partei zu üben. Aber der Bischof darf nicht im Verdacht stehen, besondere Nähe zu einer Partei zu haben. Deswegen habe ich gestern der SPD mitgeteilt, dass ich meine Mitgliedschaft ruhen lasse. Ich glaube, das ist guter Stil. Ich bin ein Bischof für alle. Ich wünsche mir mehr Christinnen und Christen, die sich in allen demokratischen Parteien engagieren. Es ist wichtig, dass Christen die Gesellschaft gestalten. Ich freue mich, dass zum Beispiel der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein Synodaler ist.

SZ: Als bayerischer Innenminister hatte Beckstein harte Auseinandersetzungen mit dem früheren Landesbischof Hermann von Loewenich beim Thema Asyl. Wo könnte der neue Landesbischof mit der Regierung aneinander geraten?

Bedford-Strohm: Zum Beispiel beim Thema Islam. Wir müssen die Muslime stärken, die sich für einen liberalen, demokratiefreundlichen Islam einsetzen. Wir dürfen sie nicht schwächen, indem wir signalisieren: Ihr gehört nicht zu uns. So aber wurden die Äußerungen des neuen Innenministers Hans-Peter Friedrich verstanden. Wir sollten die Vielfalt der Religion nicht als Gefahr, sondern als Chance begreifen.

SZ: Braucht Bayern eine Islamkonferenz?

Bedford-Strohm: Das wäre sicher eine Möglichkeit, manche Irritationen zu vermeiden. Es hängt alles davon ab, dass Menschen sich achten lernen, einander vertrauen können. Freunde können sich auch kritisieren.

SZ: Innenminister Friedrich treffen Sie bald. Es gäbe noch andere Gesprächspartner, etwa CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Der hat den Satz gesagt: 'Wer heute gegen Atomkraft ist, soll sich nicht wundern, wenn er morgen ein Minarett im Vorgarten stehen hat.' Wollen Sie sich auch auf dieser Ebene unterhalten?

Bedford-Strohm: Da erübrigt sich jeder Kommentar.

"Christsein ist kein Rezept fürs Glücklichsein"

SZ: Als Landesbischof müssen Sie mit solchen Strömungen in der bayerischen Mehrheitspartei aber umgehen.

Bedford-Strohm: Es gibt in der CSU eindrucksvolle, sozial denkende Menschen. Die werde ich stärken, wo immer ich nur kann.

SZ: Ministerpräsident Horst Seehofer ist Sozialpolitiker. Ein Anknüpfungspunkt?

Bedford-Strohm: In Fragen der sozialen Gerechtigkeit gibt es sicher große Schnittmengen.

SZ: Der CSU-Chef hat sich gegen die Rente mit 67 ausgesprochen und gegen die Zuwanderung von Arbeitskräften aus Osteuropa. Was ist das nun: sozial oder ausländerfeindlich?

Bedford-Strohm: Grundsätzlich ist es legitim, Menschen zu schützen, die hier in Deutschland kaum Chancen haben, Arbeitsplätze zu bekommen. Deswegen ist auch der Schutz vor Billiglohnkonkurrenz aus Ländern, in denen niedrigere soziale Standards herrschen, richtig. Es muss aber eine Balance gefunden werden zwischen der sozialen Gerechtigkeit in unserem Land und der Solidarität, die über nationale Grenzen hinausgeht.

SZ: Reichen fünf Euro Anhebung bei den Hartz-IV-Regelsätzen?

Bedford-Strohm: Ich glaube, es reicht nicht. Ich war traurig über die Art, wie in der Politik gefeilscht wurde um Beträge von fünf oder acht Euro für Menschen, die jeden Tag ums materielle Überleben kämpfen. Und das in einer Gesellschaft, die verglichen mit anderen eine reiche Gesellschaft ist.

SZ: Warum sollte man heute Christ sein?

Bedford-Strohm: Wer die Frage nach dem Glück stellt, der stößt auf die Kernthemen des christlichen Glaubens: Dankbarkeit, soziale Beziehungen, Nächstenliebe, Vergebung.

SZ: Macht Christsein glücklich?

Bedford-Strohm: Christsein ist kein Rezept fürs Glücklichsein. Ich glaube aber, dass Menschen, die sich auf den Glauben einlassen, Stärkung erfahren, auch in schweren Tagen. Die Menschen merken, dass diese tiefe Erfahrung mehr trägt als der schnelle Kick.

"Ich nutze Facebook nur innerfamiliär"

SZ: Welches Verhältnis haben Sie zum Vorsitzenden der bayerischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx?

Bedford-Strohm: Persönlich ein sehr gutes. Auch in den sozialethischen Fragen sehe ich große Übereinstimmung.

SZ: Wie selbstbewusst sollte ein evangelischer Landesbischof gegenüber seinen katholischen Amtsbrüdern auftreten?

Bedford-Strohm: Ökumene ist nur dann Ökumene, wenn sie auf Augenhöhe geschieht. Beide Kirchen müssen von sich sagen können, Kirche im eigentlichen Sinne zu sein, und bei vielen katholischen Amtsträgern erlebe ich das genauso.

SZ: Aber Differenzen gibt es natürlich. 2017 steht das Lutherjahr an, das der Ökumene-Beauftragte der Bischofskonferenz Gerhard Ludwig Müller nur dann mit den Protestanten feiern will, wenn der fromme und nicht der revolutionäre Luther im Mittelpunkt steht. Wo hört die Freundschaft auf?

Bedford-Strohm: Ich gehe als Lernender in diese Gespräche. Vielleicht habe ich ja tatsächlich die vor-protestantischen, katholischen Aspekte Luthers bisher übersehen. Wir könnten uns da aber auch streiten.

SZ: Was nützt es, wenn nur die Evangelischen lernbereit sind, aber die Katholiken nicht?

Bedford-Strohm: Wenn es, in welcher Konfession auch immer, Blockaden bei der Lernbereitschaft gibt, werden wir sie durch Offenheit überwinden. Und wer sich nicht daran beteiligt, schließt sich selber aus.

SZ: Viele wollen nichts mit Kirche zu tun haben. Was kann man von ihnen lernen?

Bedford-Strohm: Einiges. Ich glaube, dass wir Glauben und soziale Gerechtigkeit stärker verknüpfen müssen. Dietrich Bonhoeffer sagte: "Die Gotteswirklichkeit kann ich nur verstehen, wenn ich mich ganz in die Weltwirklichkeit hineinbegebe."

SZ: Sie sind ganz in der Weltwirklichkeit, kommunizieren sogar über Facebook. Gibt es bald eine Bischofs-Community?

Bedford-Strohm: Ich nutze Facebook nur innerfamiliär und mit engen Freunden. Ich habe bislang alle Freundschafts-Anfragen ignoriert. Man sollte nicht zu viel versprechen, wenn man die Zeit dazu nicht hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: