IG Metall: Werner Neugebauer:Ein Kämpfer, dem die Kraft ausgeht

Dem Stress nicht mehr gewachsen: In einem Brief bittet Bayerns IG-Metall-Chef Neugebauer um seine Entlassung - nach 22 Jahren.

Uwe Ritzer und Dietrich Mittler

Allein äußerlich sticht er hervor aus der Toskana-Fraktion wendiger, hauptamtlicher Gewerkschaftsführer, die im feinen Zwirn wohlformulierte Sätze von sich geben.

Mit seiner bulligen Art verkörpert Werner Neugebauer den kantigen Arbeiterführer alter Schule, bisweilen brummig und hemdsärmelig. Kommt er einmal in Fahrt, ist er kaum mehr zu bremsen. Schnörkellos und direkt, so sind seine Umgangsformen. Und so ist jetzt sein Abschied.

Der mächtigste Gewerkschafter im Freistaat zieht einen Schlussstrich unter seine 22 Jahre als Leiter der IG Metall in Bayern. In einem Brief an den IG-Metall-Bundesvorsitzenden Berthold Huber, dessen Vize Detlef Wetzel und Hauptkassier Bertin Eichler bittet Neugebauer, ihn möglichst umgehend von seinem Amt zu entbinden.

Schwere gesundheitliche Probleme ließen ihn seine "Funktion als Bezirksleiter nur sehr begrenzt oder überhaupt nicht erfüllen", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Mein Problem ist es, dass mir meine persönliche Kraft, meine Energie ausgeht", schreibt Neugebauer, der auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben wollte. Ein Sprecher der IG Metall Bayern bestätigte indes lediglich, dass es den Brief von Neugebauer tatsächlich gibt.

Dem Stress nicht mehr gewachsen

Seit 1988 steht der gebürtige Schweinfurter an der Spitze der aktuell etwa 340000 bayerischen Metallgewerkschafter. Über seinen Rückzug spätestens zu seinem 60. Geburtstag im Herbst 2010 war zuletzt immer wieder spekuliert worden.

Hintergrund ist seine seit geraumer Zeit stark angeschlagene Gesundheit. Vor zwei Jahren erlitt der in Landshut lebende Neugebauer einen Schlaganfall, der ohne schlimmere Folgen blieb. Vor einigen Monaten rang er allerdings aufgrund einer zunächst nicht erkannten Lungenentzündung mit zeitweiligem Herzkammerflimmern mit dem Tod.

Mit den Folgen dieser Krankheit kämpft er immer noch. Nach wochenlangem Ausfall kehrte er gerade noch rechtzeitig in sein Amt zurück, um im Februar dem langjährigen IG-Metall-Pressesprecher Matthias Jena bei der Wahl zum neuen bayerischen DGB-Chef beizustehen. Auch an den entscheidenden Sitzungen der jüngsten Tarifverhandlungen nahm Neugebauer wieder teil - wenn auch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Durch seine "heftigen gesundheitlichen Probleme" sei er dem Stress im Job nicht mehr gewachsen, schrieb Neugebauer jetzt.

Bundeschef Huber muss nun einen Nachfolger für Neugebauer suchen. Bezirksleiter der IG Metall werden nicht gewählt, sondern vom Vorstand der Gewerkschaft eingesetzt. Aber auch wenn Huber am Ende alleine entscheidet - mitreden werden bei der Nachfolgersuche viele.

Die bayerische Bezirkskommission der Gewerkschaft wird erfahrungsgemäß eine Empfehlung aussprechen, und wohl auch Neugebauer selbst wird Vorschläge machen. Neugebauer, der seit 38 Jahren fast ununterbrochen in Diensten der IG Metall ist, ist der am längsten amtierende Bezirksleiter in Deutschland.

In Gewerkschaftskreisen wird spekuliert, er werde sich womöglich nicht unmittelbar in den Ruhestand verabschieden, sondern weniger stressbehaftete Aufgaben im Gewerkschaftsapparat übernehmen.

Ein klarer Favorit für seine Nachfolge zeichnet sich nicht ab. Spätestens bis zum Gewerkschaftstag im Sommer soll eine Entscheidung fallen. "Es gibt allein in Bayern ein halbes Dutzend Männer und Frauen, die diesem Job gewachsen wären", sagt ein führender IG Metaller. Dass jemand aus dem Freistaat die Nachfolge antritt, gilt als sicher.

Häufig fällt der Name des Nürnberger IG-Metall-Bevollmächtigten Jürgen Wechsler, 56, der sich beim Kampf um Arbeitsplätze bei AEG im Jahr 2006 bundesweit profilieren konnte. Auch dessen Kollegen Jürgen Kerner (Augsburg) und Horst Lischka (München) werden gute Chancen eingeräumt. "Wer Ambitionen hat, tut gut daran, öffentlich nicht darüber zu sprechen, denn sonst wird er es garantiert nicht", sagt ein ranghoher Metallgewerkschafter.

Werner Neugebauer wurde 1988 von IG-Metall-Chef Franz Steinkühler zum Bezirksleiter gemacht - und zwar gegen den erklärten Willen der damaligen bayerischen Bezirkskonferenz. Der gelernte Dreher überzeugte allerdings schnell die Kritiker in den eigenen Reihen. Er gilt als konsequenter Verfechter von Arbeitnehmerinteressen.

Als legendär gelten Neugebauers Auseinandersetzungen mit dem früheren bayerischen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU), die bisweilen in Gebrüll und dem wechselseitigen Angebot zur zünftigen Prügelei endeten. Bis heute reden beide allerdings nur mit großem Respekt voneinander und attestieren sich gegenseitig hohe Verlässlichkeit und Handschlagqualität.

Nicht nur der IG Metall , sondern auch der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi steht in Bayern ein Generationswechsel an der Spitze bevor. Landesbezirksleiter Josef Falbisoner will bereits am 17. April auf einer außerordentlichen Bezirkskonferenz sein Amt niederlegen.

Der 1950 im Kreis Mühldorf geborene Fernmeldehandwerker hatte seine Karriere in der damaligen Postgewerkschaft begonnen. 2001, bei der Gründung der Großgewerkschaft Verdi Bayern, übernahm Falbisoner die Leitung. Seither arbeitet er daran, die fünf Gründungsgewerkschaften ÖTV, DAG, HBV, IG Medien und DPG zusammenzuschweißen.

Im Gegensatz zu Neugebauer ist bei Falbisoner die Nachfolgefrage bereits geklärt. Satzungsgemäß wird zunächst seine jetzige Stellvertreterin Luise Klemens die neue Leiterin von Verdi Bayern. Ihr zur Seite stehen Falbisoners weitere Stellvertreter Barbara Zahn und Sepp Rauch.

Bereits im kommenden Jahr wird aber bei Verdi auf einer turnusgemäßen Delegiertenversammlung erneut über den Vorsitz entschieden - dann allerdings in einer richtigen Wahl, bei der sich auch weitere Kandidaten und Kandidatinnen aufstellen lassen können.

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