Süddeutsche Zeitung

Seubersdorf:ICE-Messerangreifer hatte möglicherweise doch extremistisches Motiv

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Ein Mann sticht wie im Wahn auf Bahnreisende ein. Nun fanden Ermittler verdächtige Videos, die auf einen islamistischen Hintergrund hindeuten.

Von Deniz Aykanat, Regensburg

Der Messerangreifer, der Anfang November vier Männer in einem ICE von Regensburg nach Nürnberg schwer verletzt hat, hatte womöglich doch ein extremistisches Motiv. Wie die Generalstaatsanwaltschaft München mitteilte, hat die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) die Ermittlungen übernommen.

Zunächst waren die Ermittler davon ausgegangen, dass der Mann im Wahn handelte und möglicherweise zur Tatzeit nicht schuldfähig war, wiesen jedoch auch darauf hin, dass die Befragungen von Verwandten und Bekannten des Angreifers und Durchsuchungen noch andauerten. Die bisher für den Fall zuständige Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth habe von Beginn an eng mit der ZET zusammengearbeitet, heißt es in einer Pressemitteilung.

Bei diesen Ermittlungen wurden nun Hinweise auf ein islamistisches Motiv gefunden. Dies habe eine Auswertung der bei dem Mann sichergestellten Datenträger gezeigt, heißt es von der Generalstaatsanwaltschaft. Inhalte auf seinem Facebook-Account sowie bei ihm gefundene Propaganda-Videos der Terrororganisation "Islamischer Staat" deuten darauf hin.

"Das ist auch für die Verteidigung eine neue Entwicklung", sagte der Anwalt des 27-Jährigen der Deutschen Presse-Agentur angesichts der neuen Erkenntnisse. Er müsse die Beweismittel erst einmal sichten, auswerten und mit seinem Mandanten besprechen.

Der 27-jährige Syrer hatte am 6. November in einem ICE völlig unvermittelt und offenbar wahllos mit einem Messer auf Fahrgäste eingestochen. Zwei der Männer mussten im Krankenhaus behandelt werden. Ohne weitere Gegenwehr ließ er sich von Polizisten festnehmen. Bei sich hatte er die mutmaßliche Tatwaffe, ein blutverschmiertes Klappmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge.

Polizisten und Fahrgäste hatten bei dem Mann psychische Auffälligkeiten bemerkt. So soll er kurz vor der Tat gerufen haben: "Ich bin krank, ich brauch Hilfe!" Der Mann wurde deshalb auf Anweisung der Staatsanwaltschaft noch am Tattag von einem psychiatrischen Gutachter untersucht, demzufolge er möglicherweise an einer paranoiden Schizophrenie mit wahnhaften Vorstellungen leidet. Der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth zufolge hatte der Mann gesagt, sich von der Polizei verfolgt zu fühlen, diese wolle ihn verrückt machen. Die Taten habe er nach eigenen Angaben wie im Traum begangen. Bestritten hat er sie nicht. Er wird derzeit im Bezirksklinikum Regensburg behandelt.

Das psychiatrische Gutachten ist allerdings vorläufig. Ob der Mann tatsächlich psychisch krank und zum Tatzeitpunkt schuldunfähig oder eingeschränkt schuldfähig war, muss noch in einem ausführlichen Gutachten geklärt werden. Ebenso, welche Rolle die neuen Indizien für islamistischen Extremismus tatsächlich bei der Tat selbst spielten. Es werde weiterhin in alle Richtungen ermittelt, so die Generalstaatsanwaltschaft.

Über den Täter ist bekannt, dass er syrischer Staatsangehöriger ist und 2014 nach Deutschland eingereist war. Er ist anerkannter Flüchtling, er lebte und arbeitete in Passau. Einen Tag vor der Tat hatte er laut Kripo seine Arbeit verloren. Polizeilich in Erscheinung getreten war er bisher nur "wegen eines kleinen Betrugsdelikts".

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