Hype um flüchtige Kuh Yvonne:"Wenn ihr sie tötet, sterben wir alle"

Gut, dass Kuh Yvonne nicht online ist: Skurrile Solidaritätssongs, ein Kuhfladentester und ein schottischer Comedian, der ihren Hintern bestaunt - der Hype um das flüchtige Tier bekommt immer merkwürdigere Auswüchse, vor allem im Netz. Weltverschwörer sehen in Yvonne gar einen Propheten.

Tobias Dorfer und Anna Fischhaber

Irgendwo muss sie doch sein, der prominenteste Wiederkäuer nach der Milka-Kuh. Seit Wochen suchen Experten im Wald um das oberbayerische Zangdorf herum nach Yvonne - der Kuh, von der behauptet wird, sie wolle eigentlich gar keine Kuh sondern ein Reh sein. Keine Frage, es gibt viel Merkwürdiges in dieser Sache.

Seit dem 24. Mai treibt sich das flüchtige Tier zwischen den Bäumen herum, doch niemandem ist es bislang gelungen, Bayerns bekanntesten Flüchtling seit Braunbär Bruno einzufangen. Damit hat sich Yvonne in die Reihe prominenter Sommerloch-Tiere eingereiht - ein fragwürdiger Ruhm. Eine Futterfalle, freiwillige Suchmannschaften, ein Spurensucher, Pferde, Dackel Mirko und Yvonnes Schwester Waldtraud waren bereits im Einsatz. Selbst Ochse Ernst, der nach Angaben des Gutes Aiderbichl, tagelang "rührend", aber ohne Erfolg nach Yvonne gemuht hat, hat inzwischen seine Bemühungen eingestellt.

Jetzt gibt es eine neue Wendung in der Causa Kuh: Ein Spezialist ist nun dem ausgebüxten Tier auf der Spur. Behutsam und teils auf Socken - um Yvonne nicht zu verschrecken - folge er den frischen Huftritten. Mehr Lärm wird der Hubschrauber verursachen, den der Radiosender Antenne Bayern in die Luft geschickt hat, um das ausgebüxte Rind aufzuspüren. "Wir haben große Hoffnungen, die Yvonne nun zu finden.

Mit der Kamera können wir sie auch in der Dämmerung auf bis zu drei Kilometer Entfernung orten", sagte eine Sprecherin von Gut Aiderbichl kurz vor dem Start. Gut Aiderbichl hat Yvonne gekauft und will sie retten, konnte die verwilderte Kuh aber bisher nicht fangen. Doch auch die Hubschrauber-Aktion führte nicht zum Erfolg.

Nun soll die Suche am Boden fortgesetzt werden. Möglicherweise soll bereits in den nächsten Tagen Yvonnes ausgewachsener Sohn Friesi auf eine Weide in der Nähe des Waldes bei Zangberg im Landkreis Mühldorf am Inn gebracht werden. Der Mastochse wurde gerade noch vor der Schlachtbank gerettet und soll nun seine Mutter locken - obwohl auch dazu gesagt werden muss, dass Tierexperten erhebliche Zweifel an der Wirkung der verwandtschaftlichen Bande haben.

Zumindest um die körperliche Verfassung des Promi-Rindes muss man sich derzeit keine Sorgen machen. Denn das Landratsamt Mühldorf, das vor Wochen aus Sicherheitsgründen den Abschuss der Kuh angeordnet hatte, setzte die Anordnung bis zum 26. August aus, da Yvonne seitdem nicht mehr auf die Straße lief und somit keine Gefahr für Autofahrer darstellte.

Vielleicht möchte sie auch nur dem Kuh-Rummel entgehen, der inzwischen herrscht. In den sozialen Netzwerken haben sich inzwischen große Fangemeinschaften gebildet, im Ausland wird über die flüchtige Kuh berichtet - und nun muss Yvonne auch noch als Schlagersong-Protagonistin herhalten.

Auf der Video-Plattform Youtube ist inzwischen in der Kategorie "Gemeinnütziges Engagement" der "Kuh-Song" von Theo Bachschmid zu finden - einem Komponisten und Alleinunterhalter (Motto: "Frech, fetzig, fröhlich") aus der Nähe von Augsburg mit dem Schwerpunkt auf "Tanzveranstaltungen und Hochzeiten mit traditioneller Brautentführung". "Mir juckt das Euter, ich bin noch ganz schön easy, ach, war ich glücklich mit meinem Sohn, dem Friesi", heißt es in dem Lied, das sich klanglich irgendwo zwischen Florian Silbereisen und Marianne und Michael einordnen lässt.

"Never give up, Yvonne! fight the power!"

Mit 415 Aufrufen (Stand: Mittwochabend) hinkt Bachschmids Kuh-Prosa ein wenig hinter dem Werk des schottischen Comedians Joe Heinrich zurück, das schon von knapp 2500 Usern angeklickt worden ist. Heinrich, der auch im "Quatsch Comedy Club" auftritt, hat eine "Ode an eine starke Frau" gedichtet. "Dein Popo ist einen Meter breit, dein Busen hängt am Bauch, dein Atem riecht nach Buttermilch, große Ohren hast du auch", trällert der Spaßmacher - was manche User nicht davon abhält, unter dem Video ernste Themen zu debattieren: "Ich werde versuchen, kein Fleisch mehr zu essen", schreibt User Alias4094 selbstkritisch.

Und auch die Gnadenkapelle aus Bockhorn bei Erding hat einen Traum. "Lasst doch die Yvonne in Rua, ist doch nua a entlaufene Kua", heißt es in ihrem gerade veröffentlichten Lied "Yvonne du wuide Kua". Und weiter geht es: "Gibt's denn kein größeres Missgeschick in der Bundesrepublik?" Und auch über die Suchtrupps, die - ohne Erfolg - auf Kuhjagd sind, wird in dem Song, der von mehreren Radiosendern gespielt wird, gespottet: "Die Cowboys müssen noch a wengerl üben."

Frontmann Valentin Dasch findet, man solle das Tier doch in Ruhe lassen. "Das würde tatsächlich zeigen, dass man in Bayern tolerant ist", sagt er - und malt eine idyllische Zukunftsvision für Yvonne. "Die Kuh würde an den Futterständen der Rehe mitfressen". Und bei Kälte würde sie die Nähe von Menschen suchen.

Selbst in ausländische Medien hat es Yvonne geschafft: "Die Liebe wird leben oder erschossen", schreibt etwa die türkische Hürriyet. Der renommierte britische Sender BBC berichtet über die Hoffnung, die auf den Schultern von Bulle Ernst lastet, der Yvonne aus dem Wald herbei muhen soll. "Yvonne ist keine Kuh wie jede andere, sie ist eine echte Ausbrecherin", kommentiert der spanische Fernsehsender Telecinco auf seiner Homepage.

Selbst in den USA ist die Geschichte der "runaway cow" inzwischen Thema. Beeindruckt bemerkt etwa die New York Times in ihrer Internetausgabe, dass Yvonne einen Eintrag in der deutschen Wikipedia habe - "ganz wie David Hasselhoff". In Österreich, der Heimat von Yvonne, hat die Kleine Zeitung den "Ku(h)lt" ausgerufen.

Mit ihrer Freiheitsliebe hat die ausgebüxte Yvonne, die früher als Milchkuh Angie auf einer Alm in Kärnten lebte und mit ihrer Flucht der Schlachtbank entkam, jedenfalls eine Menge Fans. In Zangberg bekundet ein Plakat mit der Aufschrift "Um richtig gute Milch zu geben, muss die Kuh in Freiheit leben" Unterstützung. Die Facebook-Gruppe "Rettet Yvonne" hat inzwischen knapp 20.000 Fans aus aller Welt. "Früher waren Kühe auch nicht eingesperrt und jetzt hat eine endlich ihren Instinkt wiedergefunden und dann will man sie töten", postet eine Userin. "Never give up, Yvonne! fight the power!", heißt es dort. Oder: "Viva la libertà!"

In Deutschland hat die Bild-Zeitung 10.000 Euro für das Finden der Waldkuh ausgesetzt und einen Tierarzt engagiert, der Yvonnes letzte Hinterlassenschaft - einen Kuhfladen - untersucht hat. Das Ergebnis: "Yvonne ist gut genährt, der Fladen ist weder zu weich noch zu hart".

Die "Anonymen Kuhfreunde" fordern dagegen mit drastischen Sprüchen Freiheit für Yvonne. "Wenn noch wer der Kuh nachrennt, sorg ich dafür, dass Mühldorf brennt", steht auf einem Plakat, das Unbekannte bei Zangberg aufgehängt haben. Oder: "Yvonne ist eine Zeitreisende, gekommen uns zu warnen!! Wenn ihr sie tötet, sterben wir alle."

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