Hymne:CSU gegen dritte Strophe für Bayernhymne - Initiatoren verärgert

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  • Bei einem Schülerwettbewerb der Bayerischen Einigung/Bayerischen Volksstiftung sandten mehr als 1000 Schüler Vorschläge für eine neue dritte Strophe der Bayernhymne ein.
  • Der Verein beantragte offiziell, die Siegerstrophe als offizielle dritte Strophe anerkennen zu lassen.
  • Dann kam die Politik ins Spiel: Die Bayern-SPD schloss sich dem Vorhaben an, CSU-Politiker stellten sich womöglich gerade deswegen quer.

Von Hans Kratzer, München

Der Vorstoß der SPD-Fraktion, die Bayernhymne um eine dritte Strophe zu erweitern, hatte vor wenigen Tagen im Landtag eine heftige Debatte ausgelöst. Diese Auseinandersetzung ist bei der Bayerischen Einigung/Bayerischen Volksstiftung auf saftige Kritik gestoßen. In einer Stellungnahme bedauert der Verein, in dem sich viele bayerische Institutionen, Parteien und Kirchen wiederfinden, vor allem die Äußerungen des innenpolitischen Sprechers der CSU-Fraktion, Florian Herrmann und der Jungen Union.

Diese hätten "in bedauerlicher Torheit" den ernsthaften Hintergrund dieses Anliegens ignoriert und den Inhalt der vorgeschlagenen dritten Strophe mit "Multi-Kulti-Bla-Bla" abqualifiziert. Damit stellten sich Herrmann und manche Teile der Jungen Union "in völliger Geschichtsblindheit gegen wesentliche Programmpunkte ihrer Partei", schreibt Florian Besold, Präsident der Bayerischen Einigung und Vorsitzender der Bayerischen Volksstiftung.

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Unabhängig von der Hymnendebatte sei hier genau jene Art von politischem Handeln zu erkennen, die "zu völliger Politikverdrossenheit und zur Mutlosigkeit auch bei ernsthaft bemühten und verantwortungsvoll tätigen Bürgerbewegungen führt - mich eingeschlossen!", fährt Besold in dem Schreiben fort.

Überdies kritisiert die Bayerische Einigung/Bayerische Volksstiftung, die seit Jahrzehnten die alljährlichen Verfassungsfeier in Bayern ausrichtet, das Anliegen der dritten Strophe sei "in der üblichen parteipolitischen Sichtweise und in Verkennung der tatsächlichen Hintergründe" der SPD zugeschrieben worden. Die geistige Urheberschaft zum Entstehen der neuen dritten "Europa-Strophe" liege jedoch allein bei der Bayerischen Einigung und bei der Bayerischen Volksstiftung.

Tatsächlich hatte die SPD in ihrem Dringlichkeitsantrag gefordert, die Bayernhymne zum 70. Jahrestag der Bayerischen Verfassung zu modernisieren und um eine dritte Strophe zu erweitern, und zwar mit dem Gewinnertext des 2012 durchgeführten Schülerwettbewerbs "Bayern in Europa". In ihrer Stellungnahme pocht die Bayerische Einigung/Bayerische Volksstiftung darauf, dass nicht die Politik, sondern sie Urheber der Begründung von Verfassungsfeiern sei und darüber hinaus auch Urheber des Verfassungspreises "Jugend für Bayern".

Weiter heißt es: "Es war ebenfalls alleine unsere Idee, im Zusammenwirken mit der Staatsregierung im Jahre 2012 einen Schulwettbewerb zu veranstalten, der zum Inhalt hatte, eine weitere Strophe zur Bayernhymne zu schaffen. Diese sollte sich mit dem Problem des Verhältnisses Bayern zu Europa auf der Grundlage des Bekenntnisses zu kultureller Vielfalt und Subsidiarität bekennen."

Das Echo auf diesen Wettbewerb war beachtlich. Nahezu 1000 Schüler hatten Strophentexte eingeschickt, nicht wenige waren von verblüffender Qualität. Der Preis ging damals an drei Tölzer Schüler, die dann im Rahmen einer Verfassungsfeier am 1. Dezember 2012 im Münchner Prinzregententheater ausgezeichnet wurden. Seitdem spekulierte der Verein, diesen Text als offizielle dritte Strophe zu beantragen, was mit einem Schreiben vom 18. November 2016 an den Ministerpräsidenten, an die Landtagspräsidentin und an den Präsidenten des bayerischen Verfassungsgerichtshofs auch geschah.

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Mit einer neuen Strophe soll der Text zum Bekenntnis für Europa werden. Reines "Multikulti-Blabla", findet die CSU.

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Die Aufnahme einer solchen dritten Strophe, die den europäischen Gedanken aufgreift, "kann und wird die Bedeutung der Bayernhymne für die Zukunft wesentlich heben und sie wesentlich auch davor bewahren, letztendlich als folkloristisches Beiwerk zum emotionellen Staatshaushalt Bayerns zu verkommen", argumentiert die Bayerische Einigung. Sie habe, wie sie schreibt, zwar mit großer Anerkennung verfolgt, dass die SPD die Bedeutung dieser Strophe und ihre Hymnenwürdigkeit erkannt habe.

Allerdings habe sie diesen Antrag weder so initiiert noch vorher abgesprochen. "Wir sind zwar hoch erfreut darüber gewesen, dass die SPD die Hymnenwürdigkeit dieser Strophe etwa schon im Rahmen ihrer eigenen Verfassungsfeier zum 70-jährigen Jubiläum erkannt hat, wir sind aber wahrlich nicht glücklich über die Form eines Dringlichkeitsantrags."

Die offizielle Aufnahme einer Strophe in die Bayernhymne müsse sehr gründlich überlegt werden, so hatte Ministerpräsident Horst Seehofer in der Landtagsdebatte am 30. November argumentiert. "Wir verstehen sehr wohl, dass es eine wirkliche Überlegung ist, ob man diesen gewachsenen Traditionszeilen eine dritte Strophe beifügt", ergänzt dazu Besold. Dies habe allerdings nichts "mit dem völlig verunglückten Vergleich" zu tun, dass man auch einer "Mozart-Sinfonie keinen Satz hinzukomponiert".

Die Bayerische Einigung/Bayerische Volksstiftung hält es außerdem für unglücklich, dass die ÖDP nahezu gleichzeitig die alte dritte Strophe der Bayernhymne, "die wir ebenfalls durchaus beachtlich und schätzenswert befinden", zur Wiederaufnahme ins Spiel gebracht hat. Laut ÖDP wäre es nur folgerichtig, die alte Version mit ihrem Bekenntnis zu den global geltenden Menschenrechten als weitere Strophe einzuführen. Die Partei will ihre Petition im Januar im Landtag einreichen.

Die Bayerische Einigung fragt dagegen, ob eine Hymnenerweiterung nicht viel sinnvoller im Sinne des europäischen Gedankens erfolgen sollte. "Die bisherige inoffizielle dritte Strophe, die durchaus sinnvoll gestaltet ist, wird sowieso von verschiedenen Verbänden gesungen, muss aber unseres Erachtens nicht dem offiziellen Hymnenkontext angefügt werden."

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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