„Ich erwarte eine eigene Idee“Gewerkschaften üben scharfe Kritik an Wirtschaftsminister Aiwanger

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Bei der Firma Renk in Augsburg werden Getriebe hergestellt und gewartet.
Bei der Firma Renk in Augsburg werden Getriebe hergestellt und gewartet. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

DGB Bayern und IG Metall sind unzufrieden mit Hubert Aiwanger, es mangele an Dialog und an einer Strategie gegen die Krise.  Andere Wirtschaftsminister hätten gezeigt, wie „man intelligente Wirtschaftspolitik macht“.

Von Maximilian Gerl

Folgt man den Worten von Horst Ott, dann prasseln die Hiobsbotschaften über die Menschen nur so herein. Ohne künstliche Intelligenz etwa und die Sorge vor Jobverlusten „vergeht keine Betriebsversammlung“, sagt der bayerische Bezirksleiter der Gewerkschaft IG Metall. Bei der E-Mobilität „laufen wir hinterher“.  Und dann sei da diese Sozialstaatsdebatte, dass Arbeitsplätze sicherer würden, wenn Bürgergeldempfänger weniger Geld bekämen. „Keine Ahnung, wie man auf so was kommt“, sagt Ott. So etwas schüre nur Ängste.

Umso wichtiger wäre es aus Sicht von IG Metall und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) in Bayern, den Menschen Antworten auf ihre Ängste zu geben; ein Dialog mit der Politik, wie sich die Wirtschaftskrise im Land abfedern lässt. Das Problem: Der Dialog ist eher Monolog, jedenfalls laut Bayerns obersten Gewerkschaftern. Denn beim zuständigen Wirtschaftsminister sehe man „Showveranstaltungen“ und stoße „auf taube Ohren“.

Dass Hubert Aiwanger (FW) bei Problemen Briefe nach Berlin schreibe, reiche nicht aus, sagt der DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl. „Ich erwarte eine eigene Idee und eine eigene Vorstellung, wo es mit der bayerischen Wirtschaft hingehen soll.“ Und: Bayern sei immer stolz gewesen auf den Wandel vom Agrar- zum Industrieland. Jetzt bestehe die Gefahr, wieder zum Agrarland zu werden. „Sie kennen die Historie vom Herrn Aiwanger“, sagt Stiedl, eine Anspielung auf dessen Herkunft vom Bauernhof. „Vielleicht ist er dem nicht so abgeneigt.“

Ein Wirtschaftsminister, der zu wenig für die Wirtschaft macht? Ohne Strategie und Willen zum Gespräch? Es ist ein scharfer Vorwurf, den die Gewerkschaften an diesem Montag im Münchner Presseclub gegen Aiwanger vorbringen. Nicht so sehr, weil er neu wäre; der Minister kümmere sich lieber um die Jagd und die Bauern, hieß es schon vor ein paar Jahren, auch aus Reihen der CSU. Neu ist der Tonfall und der Handlungsdruck, die Masse an Hiobsbotschaften.

Denn die Wirtschaftskrise hat sich zur Standortkrise ausgewachsen. Laut den bayerischen Metall- und Elektroarbeitgebern sind im ersten Halbjahr 2025 landesweit gut 18 000 Arbeitsplätze allein in dieser Branche verloren gegangen. Und bei der IG Metall beobachten sie, dass nicht nur Produktion, sondern auch zunehmend Entwicklung ins Ausland verlagert wird. Die damit einhergehenden Stellenstreichungen drohen nicht nur einfache Hilfskräfte zu treffen: In einer Umfrage unter Industrie-Betriebsräten gaben 31 Prozent an, dass ihr Unternehmen wahrscheinlich bei Ingenieuren abbauen werde.

„Macht ist mehr als einen Brief schreiben“

So etwas wollte man stets verhindern. Immer wieder haben Gewerkschaften, Arbeitgeber und Staatsregierung demonstrativ den Schulterschluss gesucht: um dem Strukturwandel in der Industrie etwas entgegenzusetzen – und um jenen, deren Jobs ihm trotzdem zum Opfer fallen, neue Perspektiven zu eröffnen. 2023 etwa vereinbarte man einen „Zukunftsdialog für Bayerns Wirtschaft und Arbeitsmarkt“. Ein Punkt darin: Umschulungen. Notgedrungen. „Nur wenn wir die Belegschaften zielorientiert beraten und weiterbilden, werden wir in der Transformation eine Zunahme der Arbeitslosigkeit verhindern und gleichzeitig die nötigen Fachkräfte gewinnen“, heißt es in dem Papier.

Doch bei DGB Bayern und IG Metall finden sie, dass sich die Staatsregierung aus diesem Dialog zurückgezogen hat. Genauer: der Wirtschaftsminister. „Mein Ansatz wäre: dass man sich mit allen zusammensetzt“, sagt Stiedl. Stattdessen würde per Brief „die Verantwortung immer an jemand anderen weitergegeben“. So habe man es auch jüngst bei der Insolvenz des Rohrwerks Maxhütte empfunden, sagt Ott. Und zieht einen historischen Vergleich zu Otto Wiesheu (CSU). Der war als Wirtschaftsminister in den 1990er-Jahren ebenfalls mit einer Krise in der Industrie konfrontiert. Dennoch gelang es dem Freistaat, etliche Jobs zu erhalten. Er selbst, sagt Ott, habe erlebt, wie Wiesheu damals agiert habe, „wie es ist, wenn man intelligente Wirtschaftspolitik macht“. Da habe er auch gesehen, wie mächtig ein Wirtschaftsminister sein könne. „Macht ist mehr als einen Brief schreiben.“

Im Wirtschaftsministerium dürfte man den Vorwurf einer fehlenden Strategie nicht zum ersten Mal hören: Er wurde bei anderen Gelegenheiten als „völlig haltlos“ zurückgewiesen. Die Staatsregierung habe frühzeitig auf die Transformation reagiert, hieß es dann. Was den Fahrzeugbau betreffe, habe man zusammen mit Verbänden, Sozialpartnern, Herstellern und Zulieferern Maßnahmen zur Unterstützung vereinbart. Zu den neuerlichen Vorwürfen gibt das Ministerium auf SZ-Nachfrage keinen Kommentar ab.

Schwächelt die Wirtschaft indes so weiter, dürften die wirklich großen Hiobsbotschaften erst noch kommen. Der DGB Bayern will deshalb nun das Wirtschaftsministerium quasi umgehen. Man habe einen guten Draht in die Staatskanzlei und wolle der CSU-Landtagsfraktion in dieser Woche einen „Zukunftsplan Bayern“ unterbreiten: wie sich Schulabgänger ohne Abschluss besser auffangen ließen oder wie kleinere Unternehmen gestärkt werden könnten. Wichtig für die Gewerkschaften sind zudem mehr Bemühungen in Weiterbildung und Umschulung. Es brauche moderne Berufsschulen, regionale Weiterbildungszentren und einen Ausbau der bereits aufgelegten Programme. „Wir müssen die bayerischen Aktivitäten jetzt gezielt verstärken“, sagt Stiedl. „Unsere Hand ist dazu ausgestreckt.“

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