Hubert Aiwanger:Abgewatscht in Abwesenheit

Hubert Aiwanger, Parteichef der Freien Wähler, nach der Landtagswahl in Bayern

Hubert Aiwanger gilt vielen Abgeordneten nicht als richtige Wahl für den Wirtschaftsminister.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)
  • Während sich der Wirtschaftsminister auf einer Delegationsreise in China befindet, wirft die FDP ihm Inkompetenz vor.
  • Er schätze Hubert Aiwanger zwar als bodenständigen und humorvollen Kollegen, "aber für mich ist er der falsche Mann zur falschen Zeit im falschen Amt", sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen.
  • Aiwangers Freie Wähler reagieren aufgebracht.

Von Wolfgang Wittl

Der Mann, der im Mittelpunkt der Generalkritik steht, bekommt davon erst einmal gar nichts mit. Hubert Aiwanger befindet sich am anderen Ende der Welt. Rund 9000 Kilometer liegen zwischen ihm und dem Landtag in München, wo es am Donnerstag zur Morgenstunde bereits erstaunlich munter zur Sache geht. Aiwanger setzt einen Spatenstich für die dritte Fußballschule des FC Bayern in China, der Termin in Shenzhen bildet den Abschluss einer mehrtägigen Delegationsreise. Das meint Martin Hagen aber nicht, als er sagt, er schätze Hubert Aiwanger zwar als bodenständigen und humorvollen Kollegen, "aber für mich ist er der falsche Mann zur falschen Zeit im falschen Amt".

Seit Wochen arbeitet sich der FDP-Fraktionschef am Wirtschaftsminister ab, jetzt knöpft er sich den abwesenden Aiwanger im Plenum vor. Wie eine Anklage klingt die Summe von Hagens Vorwürfen: Aiwanger sei ein erklärter Gegner wichtiger Infrastrukturprojekte wie der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Er lehne Stromtrassen ab, die man so dringend für eine sichere und bezahlbare Versorgung benötige. Und er ziehe gegen Freihandelsabkommen ins Feld, was der exportorientierten bayerischen Wirtschaft schade.

Immer wieder bekomme er von Unternehmern zu hören, es wäre ihnen wohler, wenn das Wirtschaftsministerium in diesen stürmischen Zeiten von jemandem geführt würde, der sich ein Profil als kompetenter Wirtschaftspolitiker erworben hätte, sagt Hagen. Auch beim Koalitionspartner CSU äußere man sich hinter vorgehaltener Hand so. Deutlicher kann man einen Wirtschaftsminister kaum als Fehlbesetzung klassifizieren.

Aiwangers Freie Wähler reagieren aufgebracht. Hagen solle sich selbst fragen, ob er der richtige Mann am richtigen Ort sei, kontert Manfred Eibl, der wirtschaftspolitische Sprecher. Aiwanger setze alles daran, die Wettbewerbsfähigkeit ständig zu verbessern. Fabian Mehring, der parlamentarische Geschäftsführer der FW, wirft Hagen schlechten Stil vor. Abzuwarten, bis Aiwanger in China sei und dann zu Hause "die Backen aufblasen, ist schäbig", empört sich Mehring. "Wenn es jemals eine Fehlbesetzung gab, dann sicher nicht aus unseren Reihen, sondern aus deiner Partei", ruft er Hagen zu. Mehring zielt auf FDP-Mann Martin Zeil ab, der von 2008 bis 2013 Wirtschaftsminister war. Die FDP versuche den Eindruck zu erwecken, ein Wirtschaftsminister im Janker sei von Haus aus inkompetent. "Das ist untragbar und zurückzuweisen." Aiwangers Staatssekretär Roland Weigert, ein Mann im Janker, hält Hagen "ehrabschneidendes" Verhalten vor. Aiwanger hinterfrage eben auch kritisch die Industrie und beachte Mittelstand und Kleinstunternehmen.

Das eigentliche Thema gerät in dieser persönlichen Auseinandersetzung oft in den Hintergrund. "Bayerns Wirtschaft im Abwärtssog - Wohlstand und Arbeitsplätze sichern", heißt die Überschrift über der aktuellen Stunde. Als verantwortlicher Politiker von einem Abwärtssog zu sprechen, sei "wirtschaftspolitische Brandstiftung", moniert Mehring. Die FDP solle endlich aufhören, den Standort Bayern kaputtzureden. Weigert findet es "nicht gut", dass Hagen den Begriff Abwärtssog "unreflektiert" von der IHK übernehme. Das ist nicht nur ein Vorwurf an Hagen, sondern eine von einem Wirtschaftsstaatssekretär nicht alltägliche Spitze gegen die Industrie- und Handelskammer, einen der einflussreichsten Wirtschaftsverbände. Weigert rattert die Kenndaten zum Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosenzahlen runter, in allen relevanten Kategorien nehme Bayern Spitzenplätze ein. Er sagt: "Wer diese Zahlen ignoriert, wäre unredlich."

Das sehen sogar die meisten Oppositionspolitiker so. "Man sollte die Rezession nicht herbeireden, das geben die Zahlen gar nicht her", erklärt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Man sei "weit entfernt von einer Rezession", sagt Annette Karl (SPD). Aber gerade für die Energiesparte gelte: "Die erratische Politik unseres Wirtschaftsministers muss dringend zu einem Ende kommen." Aiwangers Vorschläge bedeuteten "das Gegenteil von Planungssicherheit". Uli Henkel (AfD) findet, die wirtschaftliche Lage Bayerns könne sich noch sehen lassen. "Aber wir erwarten von der Staatsregierung, den Ausflug ins Lager der Klimahysteriker zu beenden."

Die Redner der CSU loben vor allem die neue Hightech-Agenda von Ministerpräsident Markus Söder. Ob niedrigere Unternehmensteuern und Strompreise, Wegfall des Soli: In vielen Punkten sei man sich mit der FDP ja einig, sagt Fraktionsvize Alexander König. Ein dezidiertes Lob für den Wirtschaftsminister ist aus der CSU nicht zu vernehmen. Das kommt vom fraktionslosen Abgeordneten Raimund Swoboda, vormals AfD. Aiwanger habe es nicht verdient, so abgewatscht zu werden. "Er macht das wirklich gut."

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