Hochwasser in Bayern:Geschäft mit dem Aufbau

Reinhard Fink, Gutachter der Stadt Deggendorf steht neben einem Berg mit Sperrmüll, den das Hochwasser verursacht hat.

Reinhard Fink, Gutachter der Stadt Deggendorf, steht neben einem Berg mit Sperrmüll, den das Hochwasser in Bayern verursacht hat.

(Foto: dpa)

"Warum soll ich jemand anderen an unserer Katastrophe mitverdienen lassen": Nach dem Hochwasser kommen die Aufräumarbeiten - und die sind für manche Unternehmer vor allem eins: lukrativ. Doch über das Geschäft mit dem Aufbau will niemand reden.

Von Lukas Meyer-Blankenburg

Nach dem Wasser kommt das Aufräumen. Und mit dem Aufräumen das Geschäft? "Warum soll ich jemand anderen an unserer Katastrophe mitverdienen lassen", meint Fuhrunternehmer Michael Hacker und schiebt gleich hinterher: "Verstehen Sie mich nicht falsch." In Deggendorf bräuchten sie eben keine Hilfe von außen, um mit dem Müll und den Handwerksarbeiten fertig zu werden. "Wir sind in dem Bereich sehr gut aufgestellt, das sollen die Leute von hier machen."

Hacker ist selbst aus Natternberg, einem Stadtteil von Deggendorf. "Ich helfe mit allem, was ich hab." Mit seinem Unternehmen hat er in den vergangenen Tagen 15.000 Kubikmeter Sperrmüll aus der Stadt geräumt, "aus dem Bauch heraus geschätzt". Darüber, dass die Aufbauarbeit auch ein gutes Geschäft ist, möchte der Mittelständler lieber nicht reden - zu früh. "Es gibt wieder eine leichte Aufbruchsstimmung, die will ich nicht verderben."

Ein Geschäft mit der Katastrophe? Was für ein komischer Gedanke. Das findet man bei der Stadt Deggendorf, aber auch bei der niederbayerischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Hier heißt es: "Es gibt Betriebe, die durch das Hochwasser buchstäblich vor dem Nichts stehen. In dieser Situation geht es darum, überhaupt wieder den Mut und die Kraft für einen Neubeginn zu finden."

Nach Informationen der IHK sind mehr als 1000 Betriebe unmittelbar durch das Hochwasser geschädigt worden. Zusammen mit den betroffenen Privathaushalten rechnet man mit einem Gesamtschaden, der "die Milliardengrenze sicherlich überschreiten" werde.

Aufräumen und Formulare ausfüllen

Wie so ein Schaden in Milliardenhöhe aussieht, davon kann Klaus Jocham berichten. Der Betriebsberater der Handwerkskammer für Niederbayern und die Oberpfalz ist zutiefst erschüttert: "Deggendorf, Natternberg, Fischerdorf, man muss dort gewesen sein und das mit eigenen Augen gesehen haben. Es sieht aus wie nach einem Tsunami-Unglück."

Seit in den Hochwassergebieten die Aufräumarbeiten begonnen haben, ist Jocham "toujours unterwegs" und klappert die betroffenen Handwerker ab. "Von den rund 400 Betrieben in unserer Region sind ungefähr 120 vom Hochwasser geschädigt", schätzt Jocham. "Das sind zwar weniger als nach dem Hochwasser 2002. Aber diejenigen, die es dieses Mal erwischt hat, die sind richtig abgesoffen."

Wie es aussieht, wenn ein kleiner Friseurladen oder ein Elektroinstallateur absäuft, das dokumentiert Jocham mit seinen Kollegen. Zusätzlich vermittelt er, wo und was eben geht. Welche Förderungen gibt es? Welche Formulare werden benötigt? Kann man kurzfristig Hilfe durch andere Handwerker organisieren? "Die Betriebe sind dankbar, dass wir kommen und beraten, unsere Erfahrungen bisher sind positiv", sagt Jocham. Viele Handwerker wüssten gar nicht, dass sie sich an die Kammer wenden könnten. "Schreiben Sie das unbedingt."

Hilfe vermitteln, Förderungen beantragen - das klingt tatsächlich nicht nach einem Deggendorfer Wirtschaftswunder. Das Aufräumen ist noch lange nicht zu Ende, viele denken überhaupt noch gar nicht ans Geschäft. Betriebsberater Jocham bestätigt diesen Eindruck: "Gerade die Älteren unter den Handwerkern fragen sich jetzt natürlich, ob es sich überhaupt lohnt, noch einmal von vorne anzufangen." Nach der Flut kommen die Existenzsorgen.

Zusammenarbeit statt Konkurrenzdenken

Dabei hatte 2013 für das bayerische Handwerk ebenso gut begonnen, wie 2012 geendet war. "Die Betriebe haben uns gesagt: Unsere Auftragsbücher sind für das ganze Jahr voll." Angesichts der Not des Nachbarn gäbe es jetzt unter den Handwerkern keine Profiteure, sondern nur Mithelfer, erzählt Jocham. "Der Zusammenhalt in der Region ist unbeschreiblich. Unter den Betrieben gibt es überhaupt kein Konkurrenzdenken." Im Gegenteil: "Die Handwerker helfen sich gegenseitig. Viele schicken Material oder sogar Mitarbeiter, um beim Kollegen zu helfen. Wenn's geht, erledigen sie ausstehende Aufträge für einander." Das alles unentgeltlich.

Eine Seite zahlt bereits jetzt schon: Für Kommunen und Freistaat ist das Hochwasser schlicht ein riesiger Kostenfaktor. Vor allem die Infrastruktur hat gelitten. Und weil nach wie vor Dämme aufweichen und Hänge rutschen können, wagt man kein abschließendes Urteil.

Im Münchner Müllheizkraftwerk ist derweil ein großer Teil des Hochwasser-Sperrmülls verbrannt und in Strom- und Fernwärme umgewandelt worden. Auf den Recyclinghöfen des Zweckverbands Abfall-Wirtschaft Donau-Wald herrscht fast wieder Normalbetrieb.

Überall gehen die Aufräumarbeiten voran. Wer die Heizungen installieren, die Wände streichen und die neuen Tische schreinern darf, wird sich zeigen, wenn aus den Nachbarn wieder Konkurrenten geworden sind. Solange hat Bayerns kleines Wirtschaftswunder noch Zeit.

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