Horst Seehofer:Versprochen ist versprochen

"Das machen wir" - das ist der Lieblingssatz von Horst Seehofer. Oft wird daraus aber leider nichts, wie Beispiele aus dem Freistaat zeigen. Ein Überblick über geplatzte und gehaltene Versprechen.

K. Auer und K. Stroh

Seitdem er Ministerpräsident ist, versetzt Horst Seehofer seine Parteifreunde immer wieder in Aufregung. Immer dann, wenn der CSU-Chef übers Land fährt und gut gelaunt alle möglichen Wohltaten verspricht. "Das machen wir", ist einer seiner gefürchteten Sätze - gefürchtet zumindest von den Fachpolitikern und Haushältern, die hinterher die Sache wieder hinbiegen müssen. Besonders vor den beiden Wahlen des vergangenen Jahres zeigte sich Seehofer spendabel. Doch nicht immer folgten seinem "Das machen wir" auch Taten. Eine Zwischenbilanz der Süddeutschen Zeitung:

Das Versprechen: Bayern bekommt ein Museum für bayerische Geschichte.

Was daraus geworden ist: Im Haus der bayerischen Geschichte wird ein Konzept erarbeitet.

Als Horst Seehofer in seiner ersten Regierungserklärung im Dezember 2008 ein Museum für bayerische Geschichte ankündigte, gingen kurz darauf die ersten Bewerbungen ein. Regensburg wollte es haben, Nürnberg, Augsburg und wer weiß noch alles. Dabei war das Ganze noch nicht mehr als ein Einfall des Ministerpräsidenten. Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, wurde davon überrascht, bekam aber trotzdem gleich den Auftrag, ein Konzept zu erarbeiten.

"Ich war skeptisch", sagt Loibl heute, er befürchtete schon, dass Bayerns Museen geplündert werden sollten, um alles an einem zentralen Ort auszustellen. Die Sorge ist er inzwischen los. Sein Expertenbeirat will dem Kabinett im Juni ein Konzept vorlegen. Wie es aussieht, das darf er noch nicht sagen, nur so viel: Innovativ soll es sein, mit neuen Medien wird gearbeitet, Synergieeffekte zum Haus der Bayerischen Geschichte werden genutzt. Über die Kosten sagt Loibl nichts, auch einen Standort wird der Beirat nicht empfehlen, nur Kriterien dafür formulieren.

Beamte sollen weniger arbeiten

Das Versprechen: Beamte müssen nur noch 40 statt 42 Stunden in der Woche arbeiten.

Was daraus geworden ist: Das Kabinett hat die Kürzung beschlossen, sie kommt aber erst 2012 und 2013.

Im März 2009 versprach Seehofer dem Beamtenbund grundsätzlich, dessen Wunsch zu erfüllen, die 2004 beschlossene Erhöhung der Arbeitszeit wieder rückgängig zu machen. Bald machte er Druck bei der Umsetzung - mit dem Argument, es sei politisch klug, etwas, was man ohnehin plane, vor Wahlen zu tun. Der Kabinettsbeschluss kam denn auch kurz vor der Bundestagswahl.

Das Problem: Das Ganze kostet den Freistaat laut Finanzministerium "deutlich über 200 Millionen Euro" im Jahr - weil er mehr Beamte braucht. Weil auch viele in der CSU nicht wussten, wie man das finanzieren soll, fand man einen Kompromiss und verschob die Arbeitszeitsenkung einfach. Sie erfolgt nun erst 2012 und 2013, jeweils im August, in zwei Schritten. Kurz vor der nächsten Landtagswahl also und gerade noch rechtzeitig, um die Zusage einzuhalten, die Arbeitszeit noch in dieser Legislaturperiode zu senken.

Ein Gymnasium für Buchloe

Das Versprechen: Buchloe bekommt ein eigenes Gymnasium.

Was daraus geworden ist: 2013 soll es losgehen.

Mit einer schlichten Absage des Kultusministers wollten sich die Buchloer nicht zufrieden geben. Sie sprachen vor einem Jahr beim Ministerpräsidenten vor - und Seehofer versprach ein Gymnasium. Obwohl es nach den üblichen Kriterien keines geben müsste und obwohl es im nahe gelegenen Türkheim Proteste gab; dort fürchtete man die Konkurrenz zum eigenen Gymnasium. Ein kleiner Streit zwischen Kultusminister Ludwig Spaenle, der das Gymnasium ablehnte, und seinem Vorgänger Siegfried Schneider, der es unterstützte, garnierte die ganze Diskussion. Das Ergebnis: Buchloe bekommt sein Gymnasium. Voraussichtlich zum Schuljahr 2013/14, heißt es aus dem Kultusministerium, mit einem sprachlichen und einem naturwissenschaftlich-technologischen Schwerpunkt. Damit das benachbarte Türkheim im Unterallgäu nicht benachteiligt wird, wird es mit einem zusätzlichen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Zweig aufgewertet.

Mehr Beachtung für den Verfassungstag

Das Versprechen: Der Verfassungstag wird aufgewertet.

Was daraus geworden ist: Seit 2009 wird aus diesem Anlass der Preis "Jugend für Bayern" vergeben.

Der jährlich am 1. Dezember begangene Verfassungstag werde aufgewertet, versprach Seehofer in seiner ersten Regierungserklärung. Seit 2009 veranstalten ihn nicht mehr nur der Verein Bayerische Einigung und die Bayerische Volksstiftung, sondern auch Staatskanzlei und Landtag. Und: Statt nur Festreden gibt es auch einen Preis "Jugend für Bayern" - für um die Demokratie besonders bemühte Jugendliche. Seehofer überreicht ihn persönlich.

Ein Uni-Klinikum für Augsburg

Das Versprechen: Augsburg bekommt ein Uni-Klinikum.

Was daraus geworden ist: Augsburg soll vier Medizin-Lehrstühle erhalten.

Drei Wörter nur, die Bayern aber einen dreistelligen Millionenbetrag hätten kosten können: "Die Uni-Klinik kommt!!!", schrieb Seehofer im Februar 2009 ins Goldene Buch der Stadt Augsburg. Ein alter Traum der Schwaben - über den Experten aber den Kopf schütteln und der in München stets auf taube Ohren stieß. Denn bis zu 100 Millionen Euro im Jahr würde den Freistaat ein neues Uni-Klinikum kosten, dazu 150 bis 250 Millionen als einmalige Investition. Nach monatelangem Streit will die Regierung nun Lehrstühle für Allgemein-, Umwelt- und Palliativmedizin sowie Epidemiologie in Augsburg ansiedeln - sie sollen zu den beiden Münchner Uni-Kliniken gehören. Großer Vorteil: Diese Variante kostet nur drei Millionen Euro im Jahr. Die Schwaben beklagen einen Kompromiss, den sie als faul empfinden. Seehofer wirbt dafür mit dem Argument: Lieber in kleinen Schritten vorankommen als gar nicht. Der Landtag muss noch zustimmen.

Bahnstrecke München - Lindau

Das Versprechen: Die Bahnstrecke von München über Kempten nach Lindau wird elektrifiziert.

Was daraus geworden ist: Nichts - und es wird sich auch nichts tun.

"Sie haben hier meine volle Unterstützung, das machen wir." Diese Worte Seehofers überraschten im August 2009 auf der Allgäuer Festwoche die anwesenden Kommunalpolitiker. Vor kurzem fragte der Grünen-Abgeordnete Adi Sprinkart nach, was sich in Sachen Elektrifizierung getan habe. Seehofers Staatskanzlei antwortete: "Bei näherer fachlicher Betrachtung" habe sich herausgestellt, "dass eine Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht realistisch ist". Und später? Da blieb die Staatskanzlei vage und ließ nur wissen: Kosten und Nutzen des Projekts stünden "in einem ungünstigen Verhältnis zueinander".

Staatsbürgschaft für Center Parcs

Das Versprechen: Die Ferienparkkette Center Parcs bekommt eine Staatsbürgschaft.

Was daraus geworden ist: Eine Staatsbürgschaft gibt es nicht, dafür Radlwege.

Die Überraschung war groß im Allgäu, als Seehofer im August 2009 großzügig eine Staatsbürgschaft versprach - dafür, dass dort ein gigantischer Ferienpark entsteht. Auch die Firma selbst staunte, denn Center Parcs Europe braucht oder will gar keine Bürgschaft. Das Projekt läuft auch so. Inzwischen hat die Staatskanzlei Center Parcs angeboten, sie anderweitig zu unterstützen - mit Wegweisern, Radwegen, einer Breitband-Förderung, Unterstützung bei der Suche nach Ausgleichsflächen oder beim Marketing.

Ein Konzertsaal im Marstall

Das Versprechen: München bekommt einen neuen Konzertsaal im Marstall.

Was daraus geworden ist: Es wird geprüft.

Es war ganz offenbar Stardirigent Mariss Jansons, der Seehofer zu dieser Zusage verleitete. Nach einem Gespräch mit ihm war der Regierungschef überzeugt davon, dass München einen neuen Konzertsaal braucht: im Marstall hinter der Residenz. "Wir müssen jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um es möglich zu machen", sagte Seehofer vor einem Jahr. Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) zog stets die Augenbrauen hoch, wurde er auf den Marstall angesprochen. Es gab einen Ideenwettbewerb, über dessen Ergebnisse das Kabinett im Juli 2009 beriet. Daraufhin wurde eine Bedarfs- und Auslastungsanalyse für einen neuen Konzertsaal in Auftrag gegeben. Das dauert. Laut Kunstministerium sollen die Ergebnisse bis zum Sommer dem Kabinett vorgelegt werden.

Bahnstrecke Augsburg - Ulm

Das Versprechen: Die Planungen für den Ausbau der Bahnstrecke Augsburg-Ulm finanziert der Freistaat vor.

Was daraus geworden ist: Seehofer hat sein Versprechen einkassiert.

Besagter Ausbau lässt seit Jahren auf sich warten, auch wenn die Strecke Teil der europäischen Bahn-Magistrale von Paris über München nach Budapest ist. Seehofers Ankündigung vom Februar 2009, zumindest die Planung vorzufinanzieren, kassierte er nur Wochen später wieder: Das könne er "nicht in Aussicht stellen". Das bayerische Verkehrsministerium sieht allein den Bund in der Pflicht, der nun für Bahnstrecken ein neues Planungskostenbudget einrichten will. Dafür habe Bayern die Magistrale bereits benannt.

BOB darf ihre gewohnten Strecken bedienen

Das Versprechen: Die Bayerische Oberlandbahn (BOB) darf auch weiter - ohne Ausschreibung - die Strecken von München nach Tegernsee, Bayrischzell und Lenggries bedienen.

Was daraus geworden ist: Die Strecken werden vermutlich ausgeschrieben.

Seit 1999 bedient die private BOB diese Strecken, ihr Vertrag mit dem Freistaat läuft noch bis Ende 2013. Seinerzeit war es das erste Nahverkehrsprojekt, das mit Hilfe der Politik an einen Konkurrenten der Bahn ging. Die BOB hat im Oberland viele Unterstützer: Mehr als 16000 Unterschriften wurden 2009 für eine Verlängerung des Vertrags gesammelt. Seehofer versprach den Initiatoren im August, er werde persönlich dafür sorgen, dass die BOB erhalten bleibe; ihr Vertrag werde ohne Ausschreibung verlängert. Das FDP-geführte Verkehrsministerium sieht das anders, es hält Ausschreibungen im Sinne des Wettbewerbs für gut und will das auch bei den BOB-Strecken so halten. Allerdings sollen Bestandteil der neuen Ausschreibung die speziellen Integralzüge und die BOB-Werkstätte in Lenggries sein - was es Konkurrenten schwer machen dürfte. Das Kabinett soll bald entscheiden.

Landesamt für Statistik zieht nach Fürth

Das Versprechen: Das Landesamt für Statistik zieht nach Fürth.

Was daraus geworden ist: Der Umzug kommt in fünf Jahren.

Das Versandhaus Quelle konnte Seehofer nicht retten, aber wenigstens die Region Nürnberg-Fürth wollte er stärken. Deshalb beauftragte er im November seinen Innenminister, eine Verlagerung des Statistischen Landesamts von München nach Franken zu prüfen. Das Kabinett hat bereits zugestimmt. Bei den Beschäftigten stieß die Idee auf wenig Gegenliebe, zumal sie davon aus den Medien erfuhren.

Sie protestierten, die Staatsregierung beschwichtigte: Von den 1116 Mitarbeitern sollen langfristig etwa 500 nach Fürth umziehen, gezwungen werde freilich niemand. Erleichtert werden die Umzugspläne durch die bevorstehende Volksbefragung "Zensus 2011", für die 200 neue Stellen beim Landesamt geschaffen werden. Diese Mitarbeiter sollen von Juni an direkt in Fürth eingestellt werden. Das detaillierte Umzugskonzept berät das Kabinett im April. Erfolgen soll er bis etwa 2015.

B12 vierspurig

Das Versprechen: Die B12 zwischen Kempten und Buchloe wird vierspurig ausgebaut.

Was daraus geworden ist: Nichts.

Seehofers Kempten-Besuch im August war ergiebig fürs Allgäu. Denn Hilfe sagte er auch für das Ansinnen zu, die B12 zwischen Kempten und Buchloe vierspurig auszubauen. Im Bundesverkehrswegeplan findet sich das nicht. "Macht nichts, dann sorgen wir eben dafür", zitierte die Lokalpresse Seehofer. "Ich sehe mir die Sache persönlich an, und wir machen das." Die Oberste Baubehörde bremst die Erwartungen: Allenfalls bei der nächsten Fortschreibung des Verkehrsplanes könne man das Anliegen der Allgäuer berücksichtigen. Geplant ist derzeit jedoch keine. Vielleicht 2015, vielleicht wird Bayern dann auch den vierspurigen Ausbau anmelden. "Das muss man abwarten", sagt eine Sprecherin.

Mehr Frauen im Öffentlichen Dienst

Das Versprechen: Der Frauenanteil bei Führungspositionen im Öffentlichen Dienst wird deutlich erhöht.

Was daraus geworden ist: Der Frauenanteil erhöht sich permanent - nicht erst seit Seehofer.

Horst Seehofer will nicht nur die CSU weiblicher machen, auch für den Beamtenapparat hat er das in seiner Regierungserklärung versprochen. In seiner direkten Umgebung zumindest hat er es schon umgesetzt. Die Staatskanzlei leitet neuerdings eine Frau, Amtschefin für Bundes- und Europaangelegenheiten ist ebenfalls eine Frau, die Vertretungen in Brüssel und Berlin werden auch weiblich gelenkt. "Es hat sich schon einiges getan", bestätigt Rolf Habermann, der Chef des bayerischen Beamtenbundes. Seit etwa zehn Jahren gebe es eine deutliche Tendenz zu mehr Frauen in Führungspositionen. Allerdings entspreche das längst noch nicht dem 70-Prozent-Anteil von Frauen im Öffentlichen Dienst. "Es ist nicht so, dass es nicht noch etwas zu verbessern gäbe", sagt Habermann. Einen Bericht über die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes soll es im Sommer im Kabinett geben, dort finden sich dann auch die aktuellen Zahlen.

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