Horst Seehofer und die CSU:Lage gut, Laune schlecht

Auftakt CSU-Parteitag

Auftakt CSU-Parteitag Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) unterhält sich am 12.12.2014 in Nürnberg (Bayern) vor Beginn des CSU-Parteitages mit Journalisten. Vom 12.-13.12.2014 findet in Nürnberg der CSU-Parteitag statt. Foto: Sven Hoppe/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

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Pkw-Maut, Energiewende, Integrationsdebatte: Die CSU mischt bei vielen Themen mit, gut läuft es derzeit aber nirgends. Das können Ausrutscher sein - oder auch der Anfang eines Abstiegs für Parteichef Horst Seehofer.

Kommentar von Frank Müller

Die CSU ist schon in den vergangenen Jahrzehnten nicht dafür gewählt worden, dass sie eine Partei der guten Umgangsformen und des nachdenklichen Auftritts wäre. Wenn sie sich von diesem Freitag an in Nürnberg zum Parteitag trifft, werden Fehleranalysen also nicht im Zentrum stehen - wie denn auch bei einer Partei, die stark geworden ist durch Stärke, groß durch Größe. Die Partei selbst ist stolz auf ihr Talent auch zum rüpelhaften Auftritt und darauf, dass sie auch die größten Skandale nie wirklich aus der Bahn geworfen haben.

Von daher könnte Horst Seehofer in diesem Herbst ein Mann mit sehr guter Laune sein ob seiner Bilanz: Das erste Jahr nach der Rückgewinnung der absoluten Mehrheit der Mandate in Bayern geht zu Ende. Und die Umfragen sind gut, sogar besser als die Wahlergebnisse vom vergangenen Jahr.

Doch der Parteichef hat seit Monaten sehr schlechte Laune. An den Medien alleine kann das nicht liegen, denn die gehören in Seehofers Welt zur Kategorie der Kleingeister und Zwergstrategen, zu denen, die eine Geschichte nicht vom Ende her denken könnten. Seehofer dagegen ist sehr stolz auf diese Fähigkeit.

Strauß, Stoiber, Seehofer - wird das einmal eine Reihung sein?

Womöglich besitzt er sie wirklich, vielleicht ist sie sogar der Grund für Seehofers Missstimmung. Denn die CSU ist nicht nur deswegen eine der erfolgreichsten Parteien der Welt, weil sie selbstbewusst ist und weil sie Land und Leute verkörpert. Ganz besonders gehört zu ihrer Erfolgschronik nämlich auch, dass sie verlässlich die Garantie für Weitsicht und gutes Handwerk in der Politik bietet. Da aber hat Seehofer Anlass zur Sorge.

Selbst die härtesten CSU-Gegner bestreiten nicht, dass die Partei außerordentliche Verdienste um das Wohlergehen des Freistaats hat. Das wäre auch geradezu Realitätsleugnung: Bayern geht es gut. Wohin man schaut, ob Wirtschaft, Bildung, Sicherheit oder Staatsfinanzen - in praktisch allen Bereichen erreicht Bayern Spitzenwerte. Dass das etwas mit der Politik der seit Jahrzehnten regierenden CSU zu tun haben muss, liegt auf der Hand.

Selbst Anhänger der SPD wählen hier ihre Partei nur, weil sie sicher sein können, dass das an den Machtverhältnissen nichts ändert. Bayern lebt vom Vermächtnis der Zeiten von Strauß und Stoiber, die trotz mancherlei Fehler das Land nach vorne gedacht und gebracht haben.

Wird man den amtierenden CSU-Chef einst in diese Reihe aufnehmen? Viel von Seehofers aktuellem Unmut könnte damit zu tun haben, dass er es insgeheim selbst bezweifelt. Vor einem Jahr haben die Wähler die CSU aus einer Koalition mit der FDP heraus zurück an die alleinige Macht gebracht. Das war ein großer Vertrauensvorschuss. Inhaltlich geht es seitdem für Seehofer bergab.

Die Partei ist aktiv auf vielen Feldern, das schon. Aber auf keinem läuft es rund. Ihr Wahlkampfschlager Pkw-Maut hat an Zugkraft verloren. Die Chance zur schlüssigen Gymnasialreform in Bayern ist fast schon vertan. Die Energiewende ist ein Torso. Doch all das war nichts gegen die monströse Panne, die der Partei mit ihrem Leitantrag für Nürnberg passierte. In dem wollte sie Ausländer zum Deutschsprechen in der Familie "anhalten". Der Vorfall entlarvte vor allem ungeahnte Schludrigkeit: Der eine schreibt irgendwas in einen Antrag, die anderen lesen achtlos drüber, wenn überhaupt.

Ein arroganter Aufritt reiht sich an den anderen

Demut, Frauenförderung, moderner Auftritt - das waren Schlagworte, die Seehofer nach seiner Wiederwahl angekündigt hatte. Das hat sich alles atemberaubend schnell erledigt. Es reiht sich ein arroganter Auftritt an den anderen. Im Vorstand sitzen weniger Frauen als zuvor. Selbst ein diskussionswürdiger Punkt wie die Neuverteilung von Redezeiten im bayerischen Landtag misslang der Partei jetzt gründlich. Die CSU hat sie von einem Viertel auf ein Drittel ausgeweitet. Darüber kann man reden bei einer Fraktion mit absoluter Mehrheit. Doch die schaffte es, die Reform als Retourkutsche dafür zu inszenieren, dass die Opposition in der Affäre um Ex-Staatskanzleichefin Haderthauer zu frech wurde.

Schon sind die großen Projekte bedroht, mit denen Seehofer in guter Erinnerung bleiben wollte. Bayern, wie versprochen, schuldenfrei zu machen bis zum Jahr 2030, geht nur mit einem durchschlagenden Erfolg bei der Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs. Nach dem sieht es aber aus bayerischer Sicht nicht aus.

All das können Ausrutscher sein im ersten Jahr nach einem Triumph; wie man es aus dem Fußball kennt. Oder auch der Anfang eines Abstiegs. Seehofer hat noch ein ganz großes Projekt: Er will seine Nachfolge selbst regeln. Das wäre eine Premiere in der CSU. Doch wenn so vieles danebengeht, warum sollte dann ausgerechnet das klappen?

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