Horst Seehofer ist bayerischer Ministerpräsident:Gute Laune trotz Giftpfeilen

Horst Seehofer hat es geschafft: Mit der Wahl zum bayerischen Ministerpräsidenten ist er auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Auch wenn die Opposition gegen die CSU giftet - die gute Laune lässt sich Seehofer nicht vermiesen.

Birgit Kruse

Horst Seehofer ist ergriffen. Als Landtagspräsidentin Barbara Stamm seine Wahl zum Ministerpräsidenten bestätigt, bleibt der 59-Jährige noch für einen kurzen Augenblick am hintersten Ende des Plenarsaals stehen. 104 der 184 Abgeordneten haben für Seehofer gestimmt - das sind vier weniger, als CSU und FDP an Abgeordneten stellen.

Horst Seehofer ist bayerischer Ministerpräsident: Horst Seehofer ist der zehnte gewählte bayerische Ministerpräsident nach dem Zweiten Weltkrieg.

Horst Seehofer ist der zehnte gewählte bayerische Ministerpräsident nach dem Zweiten Weltkrieg.

(Foto: Foto: ddp)

Seehofer genießt den Applaus. Ganz langsam schreitet er durch die Reihen nach vorne. Zahlreiche Hände schüttelt er auf seinem Weg - auch die von Günther Beckstein, den er als Ministerpräsidenten ablöst. Auch Erwin Huber, den er bereits am Samstag als CSU-Chef beerbt hat, klopft er jovial auf die Schulter.

Bevor der 59-Jährige die Wahl zum bayerischen Ministerpräsidenten annimmt und sich im Amt vereidigen lässt, atmet er noch einmal ganz tief durch. Er weiß, dass große und schwierige Aufgaben vor ihm liegen. Nach einer "ungewöhnlich langen politischen Wegstrecke" ist er nun auf dem "Höhepunkt" seiner politischen Karriere angekommen, sagt er und spricht aus, was ihm bereits ins Gesicht geschrieben steht: "Das ist für mich ein bewegender Moment."

Dann wird er sogleich politisch: Die neue Nummer eins der CSU fordert den Landtag auf, künftig das "Ringen um die richtige Lösung" in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen und sich nicht "mit persönlichen Herabsetzungen" zu beschäftigen.

Anfang auf der Zuschauertribüne

Nur so könne man dem politischen Auftrag, wie er ihn versteht, gerecht werden. Die Lebensgrundlage für die Menschen zu sichern und - wo immer es gehe - auch ein Stück weit zu verbessern. "Ich möchte diesen Dienst für Bayern leisten", betont er. Jetzt darf auch Seehofer im Plenum Platz nehmen. Auf der Ministerbank, in der ersten Reihe.

Bis vor kurzem hat hier noch Günther Beckstein gesessen. Heute muss er wieder in der ersten Reihe im Plenum Platz - als einfacher Abgeordneter. "Kein Amt und keine Funktion" werde er mehr bekleiden, sagt er vor der Sitzung und spricht von einem "wichtigen Tag für Bayern".

Tränen muss er heute nicht unterdrücken, so wie am Samstag auf dem Parteitag, als die Delegierten ihm mit minutenlangem Beifall ihre Zuneigung und Wertschätzung zeigten. Sicher, es war eine "tolle Zeit" als Ministerpräsident und er hätte sich gewünscht, sie "wäre etwas länger gewesen". Doch in der Demokratie sei eben jedes Amt auf Zeit.

Sein Amtsnachfolger Seehofer saß zu diesem Zeitpunkt noch auf der Ehrentribüne. Von hier aus musste er das Schauspiel, das die Abgeordneten lieferten, beobachten. Seehofer hat kein Landtagsmandat.

Neben ihm hat seine Familie Platz genommen. Nur seine älteste Tochter Ulrike ist nicht dabei - sie studiert derzeit in Dänemark. Während Tochter Susanne, die gerade ihr Abitur schreibt, noch etwas schüchtern wirkt, gibt Sohn Andreas schon ganz professionell Interviews: "Stolz" sei er auf seinen Vater. Doch wie das nun als Sohn des Ministerpräsidenten so werde, "das muss man abwarten", sagt er.

Maget attackiert den "Reservekandidaten"

Währenddessen verfolgt Seehofer schon sichtlich amüsiert die Debatte von der Ehrentribüne aus. Immer wieder muss er lachen, wenn SPD-Fraktionschef Franz Maget verbale Giftpfeile in seine Richtung und in die der CSU abschießt. Besonders dann, als Maget ihn als "Reservekandidaten" bezeichnet, der "von der Besuchertribüne heruntergeholt" werden müsse.

Er lächelt auch, als Maget seine Zettel hervorkramt, auf denen er sich mit grünem und blauem Textmarker die Äußerungen markiert hat, mit denen sich zahlreiche CSU-Abgeordnete und Minister noch vor einem Jahr zitieren ließen. Von "Doppelmoral" ist da die Rede, von einem Bundesminister, der für die CSU im Freistaat "Persona non grata" sei.

Auch die Vorwürfe, Seehofers Wahl sei "nicht hinreichend legitimiert", perlen an dem 59-Jährigen ab wie an einer Teflonpfanne. Seehofer gehöre dem Hohen Haus nicht an, bemängelt Maget. Der Wähler habe damit auch nicht über einen möglichen Ministerpräsidenten Seehofer befunden. Somit steht für Maget fest: Die Entscheidung für Seehofer ist nicht das Ergebnis der Landtagwahl - der 59-Jährige hat kein Landtagsmandat -, sondern "das Ergebnis des Machtkampfes in der CSU".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Scherze der neue Ministerpräsident noch auf Lager hatte.

Gute Laune trotz Giftpfeilen

Doch das war erst der Anfang. Zu rhetorischer Höchstform läuft der Fraktionschef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger auf. Als einen "Schleudersitz" bezeichnet er den Stuhl des bayerischen Ministerpräsidenten und warnt Seehofer davor, dass auch er bei Versagen "durch die Dachluke entsorgt" werden könne.

Und dann macht der Niederbayer noch einmal etwas Wahlkampf, plädiert abermals dafür, die Ministerpräsidenten vom Volk wählen zu lassen. Die Wahl durch den Landtag, wie es die Verfassung vorsieht, "kann nicht sinnvoll sein auf Dauer". Eine Forderung, mit der schon Gabriele Pauli gescheitert ist, als sie noch CSU-Landrätin war.

Und Sepp Daxenberger, Fraktionschef der Grünen, erinnert daran, wie sehr sich die CSU-Fraktion vor einem Jahr noch gegen Seehofer gestellt hatte. Sobald nur der Name des Ingolstädters gefallen sei, habe man "Knoblauch aus dem Maximilianeum gehängt". Jetzt wähle man den 59-Jährigen als "das letzte Aufgebot der CSU".

Martin Zeil, für kurze Zeit FDP-Fraktionschef und künftig bayerischer Wirtschaftsminister, ist genervt von den ganzen Attacken auf seinen künftigen Chef. Er wirft der Opposition vor, "Wahlkampf-Parolen" zu wiederholen. Es sei aber jetzt nicht die Zeit für persönliche Angriffe.

Seehofer zu Witzen aufgelegt

Wenige Stunden zuvor hat Zeil zu den Politikern gezählt, die den ersten bayerischen Koalitionsvertrag seit 50 Jahren unterschrieben haben. Die Liberalen hat Seehofer also hinter sich und auch auf die Unterstützung der CSU-Fraktion kann er erst einmal bauen. Hier hat er am Vormittag noch ganz bescheiden "um einen Vertrauensvorschuss gebeten".

CSU-Fraktionschef Georg Schmid betont, Seehofer "genießt in diesem Land hohes Ansehen". Er sei überzeugt, dass Seehofer "das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten hervorragend ausfüllen wird".

Überhaupt ist Seehofer an diesem Tag besonders gut gelaunt. Schon am Vormittag reißt er vor laufenden Kameras die ersten Witze. Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag ist noch nicht trocken, da ruft der Ingolstädter mit fester und fröhlicher Stimme in die Menge: "Wo bleibt der Beifall der künftigen Minister?"

Natürlich bleibt er aus. Bis auf die FPD-Kandidaten stehen ja noch keine Namen fest. Nur der Liberale Wolfgang Heubisch drückt sich etwas verlegen durch die Menge, fragt zögerlich: "Soll ich jetzt da vorgehen?" Schließlich ist er eines der drei FDP-Kabinettsmitglieder, die bereits feststehen. Neben ihm werden noch Martin Zeil als Wissenschaftsminister und Katja Hessel als dessen Staatssekretärin an Seehofers Kabinettstisch Platz nehmen. Und Seehofer gibt schon gleich mal zu verstehen: Als Minister sei man "weisungsbebunden".

Wer aus den Reihen der CSU künftig die Weisungen des Ministerpräsidenten umsetzen muss, ist indes noch unklar. "Vor Donnerstagmittag wird nichts abgeschlossen", antwortet Seehofer auf Personalfragen. Weder zu seiner Nachfolge im Berliner Agrarministerium, zum Bayerischen Kabinett noch zum künftigen Generalsekretär werde er sich bis dahin äußern. "Die Kunst wird auch darin bestehen, dass das bis Donnerstag bei mir bleibt." Mal sehen, wie gut er sie beherrscht.

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