Horst Seehofer in Russland:Im Zeichen des Atoms

Ministerpräsident Horst Seehofer macht den Atomausstieg zu seinem politischen Projekt - im Gegensatz zu Vladimir Putin. Der fachsimpelt dagegen gerne über Autos.

Annette Ramelsberger

Am Ende dann auch noch Putin. Der Ministerpräsident Russlands empfing Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer in seiner Residenz in den Birkenwäldern außerhalb Moskaus - und er lächelte sogar. Nicht nur, als es um die Vorzüge deutscher Autos ging. Mehr noch, als ihm Seehofer die Grüße der Kanzlerin und Edmund Stoibers überbrachte. Da sagte Putin: "Ich fühle mich noch immer in seiner Schuld."

Seehofer besucht Russland

Auf ihrer Russlandreise besuchen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, rechts) und der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) mit einer Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation die Hauptstadt Moskau und Sankt Petersburg.

(Foto: dpa)

Damals, als er 2006 in Bayern war, sei er "hervorragend" von Stoiber empfangen worden. "Ich denke immer, wie könnte ich das menschlich zurückgeben?" Da hätte Seehofer schon ein paar Vorschläge parat: Immerhin hatte er Siemens-Chef Peter Löscher und BMW-Vorstand Frank-Peter Arndt dabei. Und da passte es doch schön, darüber zu fachsimpeln, mit welchen Autos man als Regierung am besten fahre. "Wir wechseln jede Woche ab, einmal Audi, einmal BMW", sagte Seehofer. Und Putin setzte auf Deutsch an: "Das ist das Privileg der Regierungen, immer die besten Autos zu fahren."

Die Russen widmeten Seehofer und seiner Wirtschaftsdelegation so viel Zeit, dass man das Gefühl hatte, Bayern wäre richtig wichtig - dabei hat der ganze Freistaat nur soviel Einwohner wie Russlands Hauptstadt Moskau. Richtig wichtig in Russland aber sind die deutschen Unternehmer - und für die ging Seehofer auf Werbetour.

Zuvor hatte Seehofer bereits mit dem halben Kabinett Putins gesprochen, mit dem Energieminister, dem Minister für Wirtschaftszusammenarbeit, der Ministerin für Wirtschaftsentwicklung, Putins Stellvertreter Sergej Iwanow, dazu mit dem einflussreichen Oligarchen Wiktor Felixowitsch Wechselberg, der die Modernisierung Russlands vorantreiben soll. Und natürlich mit dem neuen Oberbürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin.

Der hatte Seehofer in einem Schloss der Zarin Katharina II. empfangen, vor dem Milizionäre patrouillieren und sogar die Wachhunde Fleck-Tarn tragen. Fast fühlte man sich an alte Zeiten erinnert, damals, als Edmund Stoiber noch durch die Welt raste und Bayern - zumindest gefühlt - das wichtigste Land Europas war.

Die Bayern wollen vom Modernisierungsschub profitieren, den die Regierung ausgerufen hat. Denn Russland will bis 2012 allein 20 Milliarden Euro in das Gesundheitswesen, die Wärmedämmung von Gebäuden und die Energie-Effizienz stecken. Als Seehofer, sein Wirtschaftsminister Martin Zeil und Siemens-Chef Peter Löscher von ihrem Gespräch mit dem Oligarchen Wechselberg kommen, lobt der die "ganz besonders pragmatischen und praktischen Gespräche", die er mit den Deutschen geführt habe. Gerade bei der effizienten Nutzung von Energie seien die Deutschen sehr erfolgreich. Hier wünsche man sich mehr praktische Zusammenarbeit. "Die Innovationskraft bayerischer Unternehmen" könne man hier zeigen, sagte Löscher. "Und genau das wird von der russischen Seite gesucht."

Löscher und Zeil lobten, wie in Bayern bereits die Forschung an den Universitäten mit den Erkenntnissen der Max-Planck-Institute und den Ideen des Mittelstands vernetzt würden. Die Russen haben da noch ganz andere Vorstellungen: Sie planen eine ganze Wissenschaftsstadt im Westen Moskaus, eine Art russisches Silicon Valley, in dem 25.000 Studenten und Wissenschaftler aus aller Welt forschen sollen - unter besten Bedingungen. Milliarden soll das Projekt mit dem Namen Skolkowo kosten - und dann richtig Geld bringen. Denn die Ideen der Wissenschaftler sollen von Marktstrategen gleich in Businesspläne umgearbeitet werden. Skolkowo ist der Liebling von Präsident Dmitrij Medwedjew. Und auch Peter Löscher sitzt im Stiftungsrat. Jetzt hat auch Seehofer seine Sympathie dafür entdeckt.

Doch beim Milliardär und Skolkowo-Chef Wechselberg tat sich noch eine ganz andere Möglichkeit der Zusammenarbeit auf. Es geht um die Atomkraft. Während Horst Seehofer die Reaktoren in Deutschland nach der Katastrophe von Fukushima so schnell wie möglich abschalten will, denken die Russen gar nicht daran. Sie setzen auf den Ausbau der Atomkraft. "Die Atomkraft ist einer unserer Schwerpunkte", sagte Wechselberg. "Es ist nicht realistisch, auf Atomenergie zu verzichten." Wo er Forschungsbedarf sehe, sei die Sicherheit, das habe nun "top priority". Da sah sofort Wirtschaftsminister Zeil ein Zukunftsfeld: Zu mehr Sicherheit für die Atomkraftwerke könnten auch bayerische Wissenschaftler und Unternehmen beitragen. Bei soviel Innigkeit sah sich Seehofer veranlasst, kurz klarzustellen: "Damit da kein Zweifel entsteht, Bayern hält an der Energiewende fest."

Seehofer betonte es wieder und wieder. Die ganze Reise stand im Zeichen des Atoms. Schon vor dem Abflug auf dem Flughafen in München trat eine Frau auf Seehofer zu. "Passt'S bloß auf, dass Euch nicht so geht wie in Baden-Württemberg", warnte sie ihren Parteichef. Sie sei eine alte CSUlerin, aus Regensburg und schon besorgt. "Aber passt'S auf, dass Ihr nicht zu grün werdet". Ein bisserl Wende sei schon recht, "aber die Wirtschaft braucht den Strom".

Und mit Atom ging es weiter. Im Lift zum russischen Energieminister frotzelte Seehofer seinen Wirtschaftsminister an und mahnte: "Martin, du wirst doch an der Spitze des Fortschritts stehen." Zeil gab zurück: Er werde "ein wegweisendes Energiekonzept" erarbeiten. Mitte Mai soll Zeil erklären, wie Bayern ohne Atomkraft die Energiewende schafft. Und falls FDP-Mann Zeil zögern sollte, wird Seehofers Umweltminister Markus Söder das sicher beschleunigen.

Seehofer hat den Abschied vom Atom zu seinem ganz eigenen politischen Projekt gemacht - ein Projekt, auf das er gerne auch die schwarz-gelbe Koalition im Bund einschwören möchte. Doch dort, so befürchtet er, seien manche "schon wieder auf der Flucht vor der Wende". Für ihn selbst scheint die Energiewende in Bayerns weg vom Atom hin zu erneuerbaren Energien das Projekt der zweiten Hälfte seiner Amtszeit zu werden. "Ich habe eine Mission", sagt er am Rande der Gespräche in Moskau. "Die heißt 2013. Und 2013 wird nicht erst 2013 entschieden, sondern schon 2011." Im Jahr 2013 ist in Bayern wieder Landtagswahl, und Seehofer möchte die CSU bis dahin wieder stark machen. Für ihn ist sie nur stark genug, wenn sie in Umweltfragen stärker wird.

Plötzlich wirkt Seehofer, als wenn er sich nicht - wie von ihm befürchtet - bei der FDP, sondern bei den Grünen infiziert hätte. Er schäkert ein wenig mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Margarete Bause, lässt fallen, dass er schwarz-grüne Koalitionsgerüchte gar nicht dementieren wolle. Und Bause sagt, wenn die CSU die Energiewende wirklich vorantreibe, sei natürlich eine Hürde weg, die bisher die Zusammenarbeit behindert habe. Selbst die Hinterberger Musikanten, die mit Tuba im Dienste Seehofers in Moskau aufspielen, feixen schon: "Wenn das mit den Grünen so weitergeht, ziehen wir demnächst noch grüne Strümpf' an, nicht nur grüne Westen."

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