Horst Seehofer:Der charismatische Egomane

CSU-Vorsitzender und womöglich noch mehr: Horst Seehofer wird zum neuen Machtzentrum in der Partei - und Edmund Stoiber ist dabei die Kraft im Hintergrund.

Peter Fahrenholz

Es ist eine Bildserie voller Symbolkraft, auch wenn die Bilder ein wenig unscharf wirken, so, als hätte sie die Kellnerin heimlich mit ihrem Handy aufgenommen. Die Fotos in der Bild-Zeitung zeigen eine der merkwürdigsten Männerfreundschaften der Republik: Horst Seehofer und Edmund Stoiber im Hinterzimmer einer Gaststätte am Münchner Stadtrand.

Horst Seehofer: Der heimatverbundene Seehofer sieht sich als Star der CSU.

Der heimatverbundene Seehofer sieht sich als Star der CSU.

(Foto: Foto: ddp)

Vorne im Saal tobt gerade die Revolution. Die CSU Oberbayern fordert in einer Sitzung, die Teilnehmer als die härteste beschreiben, die sie jemals in der CSU erlebt haben, die Köpfe von CSU-Chef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein.

Der Nutznießer soll Seehofer sein, er soll beide Ämter übernehmen, verlangen die Oberbayern. Am Morgen danach ist die Hälfte dieses Plans Wirklichkeit geworden. Huber ist als Parteichef weg, Seehofer rückt an seine Stelle. Und Stoiber hat die Hälfte seiner Rache genommen an dem Duo, das ihn im Januar 2007 aus seinen Ämtern gedrängt hat. Stoiber hätte Seehofer gerne schon vor einem Jahr als Parteichef gesehen. Doch damals durchkreuzte das Funktionärskartell diese Überlegungen.

Die CSU wollte Ruhe nach dem Stoiber-Sturz, und die schien dadurch garantiert, dass sich die beiden mächtigsten Landespolitiker auf eine Teilung des Erbes geeinigt hatten. Auch sein turbulentes Privatleben machte Seehofer damals einen Strich durch die Rechnung. Eine Geliebte in Berlin, die ein Kind von ihm bekam - das wurde von den Seehofer-Gegnern in der CSU genüsslich kolportiert. Trotzdem trat Seehofer gegen Huber an und holte 39 Prozent der Stimmen. Angesichts der Ausgangslage war das mehr als achtbar.

Mobbing in der Fraktion

Seither lauerte der eigenwillige Ingolstädter auf seine zweite Chance. Er musste all seine Selbstdisziplin aufbieten, um dem blassen Tandem nicht allzu deutlich zu zeigen, wer der eigentliche Star in der CSU ist. Kurz vor der Wahl passierte ihm dann doch ein Ausrutscher: Seehofer legte die Messlatte für das Duo auf 52 Prozent - ein glattes Foul, wo die doch schon mit 50 Prozent glücklich gewesen wären. Doch nach dem Wahldebakel ist Seehofers Stunde schneller als erwartet gekommen und niemand in der Partei wird sich mehr widersetzen.

Und wieder ist Stoiber die treibende Kraft im Hintergrund. Zum dritten Mal schon ist er jetzt Seehofers wichtigster Helfer. Dabei war es Stoiber, der Seehofers politische Karriere praktisch schon ruiniert hatte. Im monatelangen unionsinternen Streit um die Gesundheitspolitik hatte Stoiber 2004 seinen Gesundheitsexperten in letzter Sekunde fallen lassen, um die Einheit der Union nicht zu gefährden.

Seehofer trug den Kompromiss zwischen CDU und CSU nicht mit und isolierte sich so. Er musste sein Amt als Vize-Fraktionschef in Berlin aufgeben und wurde in der Fraktion regelrecht gemobbt. Auf dem CSU-Parteitag Ende 2004, wo der Gesundheitskompromiss in Abwesenheit Seehofers mit großer Mehrheit abgesegnet wurde, machte der damalige CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer anzügliche Bemerkungen über die Zurechnungsfähigkeit Seehofers. Doch ausgerechnet Stoiber, der persönliche Beziehungen stets vor allem unter taktischen Gesichtspunkten betrachtet hat, sorgte für die politische Auferstehung Seehofers.

Der war schon auf dem Absprung aus der Politik, war Landesvorsitzender des mächtigen Sozialverbandes VdK und liebäugelte mit dessen Bundesvorsitz. Da setzte Stoiber mit Brachialgewalt durch, dass Seehofer nach der Bundestagswahl 2005 der zweite CSU-Minister im Kabinett wurde. Selbst die Kollegen in der Landesgruppe waren strikt dagegen, von der CDU und der Kanzlerin ganz zu schweigen. Ursprünglich war Seehofer als zweiter Mann neben Stoiber vorgesehen. Dass Stoiber es dann war, der sich drückte und Seehofer nun das einzige bundespolitische Schwergewicht der CSU ist, ist eine Ironie der Geschichte.

Mit Seehofer wird jetzt ein Mann Parteichef, dessen Rückhalt immer die Basis gewesen ist, während ihm die Funktionärsschicht stets misstraut hat. Dort gilt Seehofer als unberechenbarer Egomane, der sich unbequemen Diskussionen immer wieder einfach entzogen hat. Dass sich Seehofer manchmal tagelang mit Tütensuppen und Ravioli bei ausgeschaltetem Handy in seinem Berliner Appartement verschanzt hat, gehört zu den schönsten Anekdoten über ihn.

Aber an der Basis ist er der Star, regelmäßig hat er auf CSU-Parteitagen die größten Mehrheiten geholt, außer, er sollte gerade mal wieder für irgendeine Unbotmäßigkeit abgestraft werden. Diese Strafaktionen hat dann meistens Erwin Huber organisiert, ein bekennender Seehofer-Gegner. Er werde noch auf dem Sterbebett die Hand heben, um gegen Seehofer zu stimmen, hat Huber einmal gesagt.

Aber den charismatischen Horst ganz entfernen, das haben sich die anderen nie getraut. Auch Stoiber auf dem Höhepunkt seiner Macht nicht, als Seehofer nach dem Gesundheitsstreit im Staub lag. Viel zu sehr fürchtete man die populistischen Talente des Mannes, der eine Versammlung um den Finger wickeln kann wie kein Zweiter in der Partei. Niemand sonst kann mit diesem unwiderstehlichen Franz-Beckenbauer-Charme heute das Gegenteil von dem verkünden, was er gestern gesagt hat, ohne dass es ihm übel genommen wird. Auf dieses Talent muss Horst Seehofer jetzt mehr denn je bauen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: