Hopfenanbau:300 Sorten und kein Ende in Sicht

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Mit Hopfen wird weltweit gehandelt. (Foto: dpa)
  • Vor zehn Jahren sind etwa 60 verschiedene Sorten Hopfen angepflanzt worden, heute sind es fünf Mal so viel.
  • In Nürnberg gibt es nur noch eine Händlergruppe aus mehreren Privatunternehmen, die gemeinsam Weltmarktführer ist.
  • Sowohl Anbauer als auch Händler müssen ihre Strukturen ändern, um den Anforderungen am Markt gerecht zu werden.

Von Maximilian Gerl, Nürnberg

Das Wissen der Hopfen-Welt umfasst 30 Seiten und viele Zahlenreihen. In dem Heft lässt sich nachlesen, dass der Bierausstoß in Armenien zuletzt bei 201 000 Hektolitern im Jahr lag oder dass eine Hopfensorte der Hallertau auf den Namen "Perle" hört. Vor allem aber erfährt man, dass es den Markt von einst nicht mehr gibt. Thomas Raiser deutet auf das Cover des Hefts, eine Hopfendolde, die symbolisch Paprika, Chilischoten und Äpfel trägt. Vor zehn Jahren, sagt er, habe es 50 bis 60 Hopfensorten gegeben. "Heute sind wir fast bei 300." Ständig sei "Neues in der Pipeline". Wie behält man da den Überblick? Raiser sagt: "Das ist die Frage."

Die Bierwelt wandelt sich, nicht nur, aber auch dank neuer Vielfalt beim Hopfen. Das stellt die Branche vor Herausforderungen, gerade die Hopfenhändler, die dafür sorgen müssen, dass der Hopfen vom Feld in die Brauerei gelangt. Weltweit gibt es vielleicht ein Dutzend Unternehmen, die im größeren Stil aktiv sind, dabei waren allein in Nürnberg mal Hunderte Händler aktiv. Heute gibt es in der Stadt nur noch einen, Barth-Haas. Eine Gruppe aus mehreren Privatunternehmen, gemeinsam sind sie Weltmarktführer. Und ein Beispiel dafür, wie sich Branchen verändern, wenn die Kundschaft umdenkt und Strukturen effizienter werden.

Das Hauptquartier des Hopfenhandels befindet sich im Stadtteil Mögeldorf. Raiser ist bei Barth-Haas Verkaufsleiter, man könnte auch sagen: Überblicksbehalter. Auf dem Tisch liegt der jüngste Barth-Bericht, ein jährlich aktualisiertes Werk über den Hopfenmarkt. Der Name geht auf die älteste Firma der Gruppe zurück: Joh. Barth & Sohn, gegründet 1794. Ein Hopfenhändler, wie er über Jahrhunderte als Bindeglied zwischen Bauern und Brauern fungierte. Dann wurde die Lieferkette immer kürzer, weshalb das Bindeglied inzwischen einem Nadelöhr gleicht, das jede Hopfendolde passieren muss.

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Vereinfacht gesagt besteht die Arbeit von Barth-Haas darin, allen anderen möglichst viel Hopfen abzunehmen. Sobald die Bauern ihre Ernte getrocknet haben, wird der Rohhopfen in Kühlhäuser gebracht, zur Qualitätskontrolle und Sortierung. Ein Teil wird zu Pellets verarbeitet, ein anderer zu Extrakt. "Auf diese Weise kann man den Hopfen problemlos mehrere Jahre konservieren", sagt Raiser. Außerdem lasse er sich so platzsparend lagern. "Chemisch verändert sich nichts." Anschließend folgt der Transport zu den Brauereien, wobei die Reise schon mal um den halben Erdball führt: Hopfen gedeiht vor allem auf der Nordhalbkugel. Ist in Europa die Ernte schlecht, muss welcher aus USA herbeigeschafft werden.

Der Hopfenhandel war schon immer international. Zu einem Zentrum wird Nürnberg Anfang des 19. Jahrhunderts, die Stadt liegt günstig zwischen den Anbaugebieten in der Hallertau, Spalt und Neustadt an der Aisch. Händler ziehen zu, darunter 1854 Johann Barth, anders als heute sind viele als Zwischenhändler tätig. Als nach und nach in den USA neue Anbaugebiete entstehen, verliert Nürnberg an Bedeutung. Die Nazis schließlich enteignen viele der oft jüdischstämmigen Händler.

Das Geschäft wird direkter

Einige Betriebe können nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ihr Geschäft aufbauen, doch Zwischenhändler werden immer weniger gebraucht. Die Familie Barth strukturiert um, von 1977 an wird ihr Unternehmen zur Gruppe mit mehreren Geschäftsfeldern. Derzeit sind die siebte und die achte Generation am Ruder. Der Umsatz lag in den vergangenen Jahren bei etwa 300 Millionen Euro, je nach Saison beschäftigt Barth-Haas bis zu 1000 Mitarbeiter.

Was früher ein breites Sortiment war, ist heute zu wenig. Anfangs experimentierten vor allem Mikrobrauereien in den USA mit neuen Bierstilen. Inzwischen ziehen Großbrauereien mit Craft-Bieren nach. Für solche Premiumbiere gibt es Potenzial am Markt. Das Segment wächst, ebenso die Auswahl im Bierregal. Was die Verbraucher freut, bringt die Branche in die Bredouille.

Plötzlich sind aromatische Hopfensorten gefragt, solche, die nach Banane, Schokolade, Mango, Kiwi oder Pinienholz schmecken. Gleichzeitig sind die Lieferverträge mit den Landwirten oft auf Jahre im Voraus geschlossen. Das schafft zwar stabile Preise und Planungssicherheit - erschwert es aber, auf Neuheiten zu reagieren. Hopfenhändler müssen sich daher verstärkt überlegen, welche Sorten sie ins Sortiment aufnehmen. Und welchen Biertrend sie besser vorüberziehen lassen.

Die Zukunft soll aktiver werden

Raiser schiebt den Barth-Bericht über den Tisch. Die Daten helfen bei der Abwägung, der Planung, dem Überblickbehalten. Und doch reagiert man immer nur auf das, was war. Die Zukunft soll aktiver werden. Raiser führt in den Keller, wo die Abteilung Brewing Solutions eine Art Forschungs- und Servicecenter einrichtet. Noch stehen die Regale leer, sind Gläser in Kartons verstaut, klebt Schutzfolie auf Bildschirmen. Bald soll hier ein Ort sein, an dem Bierliebhaber in Seminaren auf die Geheimnisse des Hopfens anstoßen. An dem Barth-Haas testen kann, welche Sorte mit welchem Bierstil harmoniert - und sich womöglich gut verkaufen lässt. Man wolle sich weiterentwickeln, sagt Raiser, "vom Händler hin zum Geschmacksexperten für Biere", der seine Kunden berate.

Das Wichtigste am Ort der Zukunft funktioniert bereits, die neue Versuchsbrauerei hat kürzlich die ersten Liter Bier ausgespuckt. Hinter einem Fenster reihen sich die Kessel. Ein Braumeister sucht Gläser aus den Kartons, zapft, er scheint mit dem Ergebnis zufrieden: ein Lager mit höherem Hopfenanteil, kalt gegärt, fruchtig. Raiser schwenkt sein Glas, lautlos schwappt das Bier darin herum. Sein Aroma: Citrus.

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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