Hopfen und die Hallertau:Bayerischer Hopfen im brasilianischen Bier

Beruhigungstropfen und Werbung mit Nackerten: Weil die Preise für Hopfen eingebrochen sind, müssen die Bauern in der Hallertau kreativ werden.

Karin Prummer

Windig, wackelig und verdammt kalt ist es hier oben auf der Kanzel. Sieben Meter über dem verschneiten Hallertauer Boden arbeitet Elisabeth Stiglmaier im Hopfengarten, befestigt mit eisigen Fingern die dünnen Drähte, an denen im Frühjahr und Sommer die Hopfenreben nach oben wachsen sollen.

Hopfen Hallertau, ddp

Hopfenernte in der Hallertau (Archivbild)

(Foto: Foto: ddp)

Unten im Traktor schaut ihr Mann Franz prüfend durch die Frontscheibe zu ihr hoch. Nur langsam schiebt sich der Traktor durch die Reihen. "Eigentlich pressiert es", sagt er. "Die anderen Bauern sind schon viel weiter." Aber schneller arbeiten geht nicht, der Schnee und der Wind machen das Drahtaufhängen in diesem Jahr nicht einfacher.

Hopfenanbau bedeutet viel Handarbeit, für Franz Stiglmaier aus Attenhofen genauso wie für die anderen 1200 Hopfenbauern der Hallertau. Die Region zwischen Freising im Süden, Landshut im Osten, Kelheim im Norden und Ingolstadt im Westen ist mit 15000 Hektar das größte zusammenhängende Anbaugebiet der Welt, dort produzieren die Bauern etwa ein Drittel des Hopfens weltweit. Bis zu 80 Prozent werden exportiert, vor allem in die USA, nach Japan, Russland und Brasilien.

Seit dem achten Jahrhundert wird in dem sanften Hügelland Hopfen gepflanzt, der für den bitteren Geschmack im Bier sorgt. Früher galt "Hopfenbauer" als Synonym für "reicher Mann", die Hallertauer tauften ihr Hanfgewächs "grünes Gold", die harte Arbeit wurde reichlich und zuverlässig entlohnt.

Zuverlässig ist nun gar nichts mehr. Der Weltmarkt fuhr in den vergangenen Jahren Achterbahn. Erst gab es nach schlechten Ernten zu wenig Hopfen, die Brauereien weltweit zahlten fast schon unfassbar hohe Preise: Sie explodierten im Jahr 2007. 30 Euro pro Kilo - normal sind drei bis vier Euro.

Viele Anbaugebiete, vor allem in den USA, erweiterten daraufhin ihre Flächen. "Da hat es allen den Schalter rausgehauen", sagt Franz Stiglmaier. Die Welt produzierte 2009 viel zu viel Hopfen. Die Folge: Derzeit gibt es auf dem freien Markt keinen Cent für das Kilo - weil es keine Käufer gibt.

"Es weht ein brutaler Wind vom Weltmarkt", sagt Otmar Weingarten, Geschäftsführer des Hallertauer Hopfenpflanzerverbandes. Die Hauptkonkurrenz aus dem US-Anbaugebiet Yakima schickt schon Werber an die Brauerschule in Freising und versucht die angehenden Braumeister vom US-Hopfen zu überzeugen.

Die Bierfreunde weltweit trinken immer mehr mildes Bier - aber für milde Biere braucht man weniger Hopfen. Zudem kaufen große Brauereien seit Jahren sogenannten Hochalpha-Hopfen, bei dem aus einer kleinen Menge viele Bitterstoffe zu gewinnen sind.

Die Hallertau war aber lange Spezialist für die zweite große Hopfensorte: Aromahopfen, mit individuellem Geschmack, aber weniger Bitterstoffen. Nun sinkt wegen der Wirtschaftskrise auch noch der Bierkonsum. Der Deutsche Hopfenwirtschaftsverband spricht von einer "bedrohlichen Überversorgungskrise" und befürchtet, dass für eine Markterholung mehrere tausend Hektar Anbaufläche stillgelegt werden müssen.

Da könnte man als Vertreter der Hopfenpflanzer schon nervös werden - doch Weingarten bleibt entspannt: Erst einmal sei die Hallertau gesichert, weil der Großteil der Hopfenbauern Lieferverträge für die kommenden Jahre abgeschlossen habe.

"Sehr hohe Weingärten"

Und die weitere Zukunft? "Da darf man sich nicht hier verstecken, sondern muss mitwerkeln." Und so werkeln sie an der Bekanntheit der Region, ihrer Effizienz, anderen Verwertungsmöglichkeiten für den Hopfen und versuchen, den Brauereien ihren Aromahopfen schmackhaft zu machen. "Wir haben die Qualität und die Geschichte - im Gegensatz zu Yakima, wo in der amerikanischen Wüste mit Bewässerung Alpha-Hopfen angebaut wird", sagt Weingarten kämpferisch.

Doch kaum jemand außerhalb des Hopfenlandes weiß etwas über die Hallertau und ihre Geschichte. Schon Münchnern und Nürnbergern fällt zu dem Stichwort meist nur der Autobahn-Rasthof ein; die Stangenlandschaft der Hopfengärten identifizieren sie mitunter als "sehr hohe Weingärten".

Damit sich das ändert, versuchen nun zum Beispiel 16 Hopfenbotschafterinnen, die Hallertau bekannter zu machen. Elisabeth Stiglmaier ist eine von ihnen. Sie führt Reisegruppen über den Hof, erklärt ihnen die Zupfmaschine, lässt sie am gelben Blütenstaub in den Dolden schnuppern und bringt sie dann zum deftigen Mahl ins Attenhofener Wirtshaus. "Sie macht das zu gut. Es kommen ständig Leute, und wir werden mit der Arbeit nicht mehr fertig", sagt Franz Stiglmaier und lacht.

Die Imagepflege helfe vielleicht ein bisschen. Die Hallertau müsse aber vor allem auf ihre Stärke setzen: auf das vom Freistaat geförderte Hopfenforschungszentrum in Hüll bei Wolnzach. Dort entwickelten die Forscher etwa die Hochalphasorte "Herkules", die den Amerikanern Paroli bietet.

Hoffnungen setzt die Hallertau auch in eine neue Idee: Noch gehen 98 Prozent des Hopfens in die Bierherstellung, nur zwei Prozent in andere Produkte wie Arzneien. Als natürliches Beruhigungsmittel steckt Hopfen bereits in einigen wenigen Tees und Medikamenten. Die Pharmazie könne vielleicht ein zweites Standbein werden, sagt Heinz-Jürgen Cooberg vom Hopfenwirtschaftsverband. Aber das kann dauern.

Zwar haben einige der 500 bekannten Hopfen-Inhaltsstoffe großes Potential. Xanthohumol heißt der Star unter ihnen, der Gerbstoff wirkt krebshemmend. Aber von der derzeitigen Grundlagenforschung bis zu den ersten klinischen Studien können bis zu zwölf Jahre vergehen - kostspielige Jahre, für die sich die mittelständischen Hallertauer Handelsfirmen erst zahlungskräftige Kooperationspartner suchen müssen.

Näher erscheint die Eroberung Amerikas: Der Pflanzerverband hat sich vorgenommen, Brauereien für Aromahopfen zu begeistern, und hat im Konkurrenzland USA Freunde gefunden. "Die kleinen US-Brauereien waren mal eine Untergrund-Bewegung gegen die großen und sind jetzt gewachsen", sagt Weingarten. Manche seien "regelrecht verrückt".

Brasilianisches Bier mit Hopfen aus der Hallertau

Im Bräustüberl der Boston Beer Company zum Beispiel werden 20 verschiedene Fassbiere ausgeschenkt. Damit nicht jedes gleich schmeckt, wird Aromahopfen gebraucht. Im April fliegt Weingarten zur Messe der mittelständischen Brauereien in Chicago. Mit dabei: fünf Biere als Probeexemplare für die US-Brauer.

Vielleicht lassen die sich überzeugen und schreiben dann "gebraut mit Hopfen aus der Hallertau" auf ihre Flaschen - das ist das Ziel. Einige Brauereien werben schon so, zum Beispiel Schincariol in Brasilien. Dort will man sich aber nicht nur auf dieses Qualitätssiegel verlassen, es steht nur klein auf den Pilsflaschen in der unteren rechten Ecke der Werbung.

Im Mittelpunkt der Plakate sitzen nackte Frauen, lasziv lächelnd. Auf ihren Schulterblättern ranken sich kunstvoll aufgemalte Hopfenreben. "Die Damen kann man auch als Bildschirmschoner herunterladen", sagt Weingarten und lacht dröhnend. Verrückt sei das. So sehr er sich Werbung wünsche: Es muss ja nicht unbedingt mit Nackerten sein.

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