Süddeutsche Zeitung

Gesundheit in Bayern:Ärztekammer streicht Homöopathie-Ausbildung

Die alternative Behandlungsmethode hat in der Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer künftig keinen Platz mehr. Auf dem Ärztetag in Hof war die Mehrheit der Delegierten davon überzeugt, dass die Kügelchen nicht helfen.

Von Dietrich Mittler

Die Homöopathie hat in der Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer künftig keinen Platz mehr. Mit überwältigender Mehrheit wurde am Samstag auf dem 80. Bayerischen Ärztetag im oberfränkischen Hof die Zusatzbezeichnung Homöopathie gestrichen. Künftig kann - nach Ablauf einer Übergangsfrist - diese Zusatzbezeichnung bei der Kammer nicht mehr erworben werden. Mediziner, die die Bezeichnung bereits innehaben, können sie allerdings auch in Zukunft führen. Nur ein einziger Delegierter hatte in Hof dafür gestimmt, die alte Weiterbildungsordnung beizubehalten, weitere drei enthielten sich der Stimme.

Viele der etwa 140 anwesenden Delegierten hatten sich auf eine leidenschaftliche Debatte eingerichtet. Und tatsächlich, beim Thema Homöopathie kamen beim 80. Ärztetag nach Angaben einer Sprecherin auch Emotionen hoch - bestand doch kein Zweifel daran, dass es hier um etwas Grundlegendes geht. Denn klar ist: Innerhalb der bayerischen Ärzteschaft gibt es zwei Lager; auf der einen Seite die Befürworter homöopathischer Behandlungsmethoden und auf der anderen Seite jene, die von Homöopathie rein gar nichts halten.

Das Votum dieser Gruppe, die sich nun in Hof letztlich durchsetzte, lautet: In der ärztlichen Weiterbildung hat Homöopathie nichts verloren, also - so wie in einigen anderen Bundesländern längst geschehen - raus damit.

Der Weilheimer HNO-Arzt Christian Lübbers, Sprecher eines homöopathiekritischen Netzwerks, gehört zu jenen, die diesen Weg als alternativlos ansehen. "Die medizinische Irrelevanz von Homöopathie als spezifische Arzneimitteltherapie ist bei der vorliegenden Erkenntnislage unbestreitbar", schrieb Lübbers vor der Tagung in Hof im Bayerischen Ärzteblatt. Die klare Entscheidung ist für ihn eine Bestätigung. Sie sei - so zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa - ein "Erdrutschsieg für die Patientensicherheit". Und die werde vor allem dadurch erreicht, "wenn homöopathische Therapien gar nicht angeboten werden - gleich wo". Für ihn steht fest, "dass die Behauptungen zur Homöopathie unplausibel sind und nicht mit etablierten wissenschaftlichen Konzepten übereinstimmen".

Das andere Lager hingegen pochte indessen ebenso leidenschaftlich darauf, dass junge Ärzte in Bayern auch künftig ihre homöopathische Zusatzqualifikation über die Kammer bekommen können. Ulf Riker, Facharzt für Innere Medizin, Homöopathie und Naturheilverfahren in München, forderte im Bayerischen Ärzteblatt eindringlich, die Weiterbildungsordnung bezüglich der alternativen Behandlungsmethode in ihrer bisherigen Form beizubehalten. Die wissenschaftliche Datenlage zur Homöopathie sei "umfangreicher und eindeutiger geworden", betonte Riker, der in Bayern als Landesvorsitzender des Deutschen Zentralverbands homöopathischer Ärzte fungiert.

"Jeder Arzt, der Homöopathie macht, kennt auch deren Grenzen", sagt Riker

Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2020 habe ergeben, dass 55 Prozent der Befragten im Krankheitsfall auf die Kügelchen setzen. Damit diese Menschen sich nicht für eine in ihrem konkreten Fall unwirksame Behandlungsmethode entschieden, sei es notwendig, dass ihnen wissenschaftlich ausgebildete und zugleich homöopathisch tätige Ärzte zur Seite stehen - und nicht "alternative Heiler".

Mit der Entscheidung gegen die Homöopathie hatte Riker insgeheim gerechnet, denn bereits seit zehn Jahren laufe eine Kampagne gegen die alternative Heilmethode. "Ich habe versucht, gute Argumente in die Waagschale zu werfen", sagte Riker am Sonntag. Und natürlich sei es enttäuschend, dass seine Argumente letztlich nicht fruchteten. Geradezu ehrenrührig sei indes die Aussage des Kollegen Lübbers, es gehe "nicht darum, den Patienten etwas wegzunehmen", sondern es gelte, ihnen etwas zu geben - "Ehrlichkeit". "Genau das haben wir immer getan. Jeder Arzt, der Homöopathie macht, kennt auch deren Grenzen", sagte Riker. Zwar werde nun eine Klage gegen die Hofer Entscheidung geprüft, doch Riker sieht wenig Chancen, dass dies langfristig zu etwas führe.

Sorge vor Finanzinvestoren in der Medizin

Ein Thema, das Bayerns Ärztinnen und Ärzten aber mindestens genauso auf den Nägeln brennt wie der Streit um die Homöopathie, ist die Sorge, dass zunehmend kapitalkräftige Investoren die Kontrolle über ärztliche Leistungsangebote übernehmen. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte das Thema am Freitag bei der Eröffnungsveranstaltung in Hof direkt angesprochen. Auch er sieht die Bestrebungen "renditeorientierter Finanzinvestoren" kritisch - insbesondere mit Blick auf die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). "Nach meiner Ansicht greifen bisherige Schutzmaßnahmen des Bundesgesetzgebers zu kurz. Deshalb muss die neue Bundesregierung rasch handeln", sagte Holetschek. Dem schlossen sich die Delegierten in Hof mit einem Beschluss an. Darin fordern sie den Gesetzgeber auf, "eine marktbeherrschende Stellung investorenbetriebener MVZ zu verhindern".

Überdies forderten sie die Politik auf, sowohl den Schutz der Beschäftigten im Gesundheitswesen als auch der Patienten stärker zu gewährleisten - durch "eine strikte Umsetzung der 3G-Regelung". Auch Erzieherinnen und Erzieher sollten, so eine Forderung, künftig dieser Regelung unterliegen.

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