Süddeutsche Zeitung

Europäischer Dorferneuerungspreis:Allianz gegen den Leerstand

Das Hofheimer Land in Unterfranken überzeugt eine europäische Jury mit Ideen gegen die Verödung der Ortskerne. Erst zum zweiten Mal geht der Preis damit nach Bayern.

Von Olaf Przybilla, Hofheim

Wer im Dezember 2018 Wolfgang Borst in dessen Büro gegenübersaß, der erlebte einen beschwingten, in einem Punkt aber doch zwiegespaltenen Menschen. Zwar war der Bürgermeister im unterfränkischen Hofheim arg zufrieden mit den Erfolgen der sogenannten Hofheimer Allianz, die sich seit 2008 um vieles kümmert, vor allem jedoch darum, dass die Ortskerne in Hofheim und den umliegenden Orten im Kreis Haßberge nicht veröden. Einen kleinen Haken aber hatten die Erfolge schon: Die eigens dafür angestellten "Allianzmanager", die üblicherweise gleich im Büro neben dem Bürgermeister ihren Platz haben, waren offenbar so erfolgreich jeweils, dass sie von anderen Gemeinden abgeworben wurden. Was nervig ist, Borst und die Hofheimer aber natürlich eher bestätigt hat auf ihrem gemeinsamen Weg. Zu Recht, wie sich nun zeigt: Für den Kampf gegen den Leerstand wird das Hofheimer Land mit dem "Europäischen Dorferneuerungspreis" ausgezeichnet.

Zum 16. Mal verleiht die Europäische Arge Landentwicklung und Dorferneuerung diesen Preis, erst einmal ging er 1992 nach Bayern, damals nach Illschwang in der Oberpfalz. Der letzte Gewinner aus Deutschland war im Jahr 2004 die Gemeinde Ummendorf in Sachsen-Anhalt. Mit den Gemeinden Aidhausen, Bundorf, Ermershausen und Riedbach, den Märkten Burgpreppach und Maroldsweisach sowie der Stadt Hofheim bündele die Allianz seit nunmehr 13 Jahren ihre Kräfte und habe dadurch den richtigen Weg eingeschlagen, um enorme, aus der ehemaligen "Zonenrandlage" resultierende strukturelle Probleme zu bewältigen, urteilt die interdisziplinäre Jury in ihrer Begründung.

Die Maßnahmen der Allianz - systematisches "Erheben des Gebäudeleerstands in allen Allianzkommunen" etwa, ein Förderprogramm für die Nutzung vorhandener Bausubstanz, die kostenlose Erstberatung durch Architekten oder eine Online-Immobilienbörse - haben die Jury überzeugt. Immerhin konnten in der Kommunen der Allianz auf diese Weise etwa 340 Leerstände reaktiviert und mit hochwertigen Sanierungen ersetzt und insgesamt 45 Hektar Fläche eingespart werden. Die Jury würdigt die "klare Entwicklungsstrategie", die "abgestimmten Planungsprozesse", auch die "Partizipationskultur" und nicht zuletzt den alle einenden Willen, in der Allianz "lokale Antworten auf globale Fragen auf höchstem Niveau" zu geben.

Borst hat sich bei dem Besuch 2018 in seinem Büro an eine eigenartige Situation im Hofheimer Ortsteil Ostheim erinnert. 2006 war da ein Neubaugebiet erwünscht, eine neue Erschließung in "zeitgenössischem Ambiente". Der Bürgermeister hörte sich das alles an. Wandte aber ein, auf ihn wirke es vernünftiger, wenn jene, die sich ein neues Zuhause wünschen, an jene wenden, die ein ungenutztes Haus ihr Eigen nennen. Die Idee wurde zum Programm, Borst überzeugte mit seiner Rede wider den Leerstand und für die Vernunft - und freut sich jetzt über den Preis. Auf sich selbst aber will er ihn nicht bezogen wissen. Die Ehrung sei "Lohn für die geschlossenen Mannschaftsleistung" von insgesamt sieben Kommunen und deren Bewohnerinnen und Bewohnern. Wie sich das eben gehört für eine Allianz.

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