Süddeutsche Zeitung

Kunst in Bayern:Hofer Bildersturm

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Die Künstlerin Michaela Bischoff zeigt im Landratsamt der oberfränkischen Stadt nackte, korpulente Frauen - bis sie einfach abgehängt werden. Nun ist die Empörung groß.

Von Olaf Przybilla, Hof

Vielleicht beginnt man die Geschichte von der abgehängten Kunst im Landratsamt Hof beim Künstler Wolfgang Müller. Und nein, das Werk Müllers war es nicht, das da entfernt worden ist aus einer Gruppenausstellung von 15 regionalen Künstlern im Gebäude der Hofer Behörde. Die Acrylbilder von Müller würden schon noch hängen, hätte er sie nicht eigenhändig entfernt - aus Protest. Warum diese Selbstzensur? Weil das Amt zuvor drei Aktbilder der Künstlerin Michaela Bischoff von der Wand genommen hat. Ohne das anzukündigen, und wenn man ehrlich ist, auch ohne es wirklich zu begründen. Also hängte Müller seinen Beitrag ebenso ab.

Nun hat es Müller aber nicht bei der leeren Wand belassen. Am ihm eingeräumten Platz hat er stattdessen drei Buchstaben aufgehängt, ein A und ein K und ein T. Einen "Behördenakt" nennt er sein Werk, betitelt ist es mit: "Nackter Buchstabe I, II, III". Damit trotz der behördlichen Abhäng-Aktion weiterhin "was Nacktes in der Ausstellung" hänge, sagt Müller. Wer ihm zuhört, kommt gar nicht erst auf den Gedanken, dass er den Vorgang für eine Petitesse halten könnte. Hier gehe es um nicht weniger als "die Freiheit der Kunst", sagt er.

Der Leiter des Kunstladens in Selbitz, Harry Kurz, ist gemäßigter im Ton. Die Causa Zensur im Amt hält aber auch er für ein Unding. Kurz hat die Schau organisiert und schon bald nachdem alle Bilder in der sogenannten kleinen Galerie das Landratsamtes hingen, teilte ihm die Behörde mit, dass man drei Bilder entfernt habe. Angeblich sollen Beschwerden beim Landratsamt eingegangen seien. Ohne Rücksprache sei das Amt daraufhin zur Tat geschritten und habe Hand an die Bilder angelegt, berichtet Kurz: "Das fand ich schon herb." Man lebe immerhin im 21. Jahrhundert, "da kann man nicht einfach Bilder abhängen", nur weil sich angeblich jemand beschwere. Müller, der Künstler, wird etwas deutlicher: Adam und Eva waren nackt, Dürer malte Nackte, in Hof aber werden 500 Jahre danach Akte abgehängt? "Altjüngferlich verklemmt" findet Müller das.

Nun wüsste man natürlich wirklich gerne, was genau die Behörde zu ihrer Aktion Hofer Bildersturm bewegt hat. Die aber gibt nur schriftlich - und dabei mäßig erhellend - Auskunft. Man gebe Künstlern gerne "eine Plattform". Man habe sich entschlossen, drei Bilder "abzunehmen". Und freue sich nun sehr über die Idee der Künstlerin, ihre abgehängten Werke "mittels QR-Code im Landratsamt zu präsentieren".

QR-Code? Michaela Bischoff lacht und sagt: "Ja, das habe ich auch noch nie erlebt." Für ihre gestickten und kolorierten Nähbilder haben der Textildesignerin Frauen Modell gestanden. Diese seien - "wie ich selbst", sagt Bischoff - gut genährt, wie man so sagt. Sie selbst sei schon als Kind korpulent gewesen, erzählt sie, ihre Arbeiten verstünden sich als "Empowerment" für Füllige. Dass ihre Bilder einfach so abgehängt wurden, hält Bischoff mindestens für eine "Respektlosigkeit" gegenüber ihren Modellen. Zumal auf einem der abgehängten Akte die Porträtierte eindeutig Unterwäsche trage - um zu deutliche Sexualität könne es da also kaum gehen. Und warum durfte die Europa auf dem Stier hängen bleiben? Das könnte nur das Amt beantworten. Dort aber finden sie, dass "dazu alles gesagt ist".

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SZ vom 31.01.2020
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