Hörbach:Zauberhafte Gegend

Kreisheimatpfleger Toni Drexler hat jahrzehntelang an seinem Buch über das Haspelmoor gearbeitet: Nun stellt er sein ansprechendes Werk vor

Von Hans Kratzer, Hörbach

Unter dem Druck der Globalisierung geraten die Kleinräume mehr und mehr aus dem Blick. Dabei verraten gerade solche Regionen, die vor Geschichte nur so strotzen, viel mehr über den Sinn des Lebens als uniforme Gewerbegebiete, öde Siedlungen und von technoiden Strukturen überformte Landschaften. Einer der buntesten Kleinräume in Bayern ist zweifellos das Haspelmoor, ein 157 Hektar großes Naturschutzgebiet in den Gemeinden Hattenhofen und Althegnenberg im Landkreis Fürstenfeldbruck. Einer der besten Kenner dieses Moores ist der Kreisheimatpfleger Toni Drexler, der als Koryphäe seiner Zunft gilt. Martin Wölzmüller, der Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, hat Drexler einmal als "Prototyp des idealen Heimatpflegers" bezeichnet. Überdies wurde Drexlers Bekanntheitsgrad durch die ehemalige Biermösl Blosn gefördert, als deren Entdecker er gilt. Wenn die Well-Brüder heute auf Tour sind, preisen sie den "Drexler Toni" immer noch ausdauernd als integres und tugendhaftes Vorbild, er ist quasi der Heimatheilige ihrer Kabarettnummern.

Neben seinen zahllosen Aktivitäten zur Förderung des Naturschutzes, der Lokalgeschichte, des Denkmalschutzes, der Landkunst und des Kabaretts hat Drexler über Jahrzehnte hinweg an einem Buch über das Haspelmoor gearbeitet, an dessen Fertigstellung er zwischendurch selber nicht mehr geglaubt hat. Nun aber liegt das 280 Seiten lange Werk "Das Haspelmoor. Geschichte(n) einer Landschaft und ihrer Bewohner" (Wißner Verlag) in gedruckter und ansprechender Form vor. Am kommenden Samstag wird sein Opus im Gasthof Eberl in Hattenhofen erstmals der Öffentlichkeit präsentiert (19 Uhr).

Hörbach: Im Jahr 1889 entstand im Haspelmoor eine Torffabrik, das Foto zeigt einen Teil der Arbeiterschaft.

Im Jahr 1889 entstand im Haspelmoor eine Torffabrik, das Foto zeigt einen Teil der Arbeiterschaft.

(Foto: Sammlung Robeller)

Eines lässt sich schon jetzt sagen: Obwohl es sich um eine Kleinregion handelt, die weder überregional bekannt ist noch in bayerischen Tourismusführern vorkommt, ist das Haspelmoor ein Sujet, das mit seiner Fülle an einzigartiger Geschichte und Natur von nationaler Bedeutung ist. Es ist Lebensraum für eine Menge Pflanzen und Tiere, die vom Aussterben bedroht sind und auf der Roten Liste stehen.

Der mittlerweile 71-jährige Drexler kennt das Haspelmoor seit seiner Kindheit, als ihn der Vater zum Kramerladen schickte, um Zigarillos zu holen. Er nahm dann meistens zu Fuß einen kleinen Pfad durchs Moor. "Hier war immer etwas zu entdecken", erinnert sich Drexler. In solchen Stunden wuchs ihm die zwar geschundene, aber immer noch archaisch anmutende Moorlandschaft ans Herz. Sie sollte für Drexlers Leben prägend werden.

Mit Hilfe seines Werks fällt es künftig nicht schwer, Aufmerksamkeit auf diese zauberhafte Gegend zu lenken. Jetzt, da so viel von Heimat und Heimatverlust die Rede ist, ist Drexlers Sicht auf die Dinge tatsächlich Heimatvermittlung im besten Sinne. Er sagt selber: "Ich will ein Bewusstsein schaffen für die eigene Region und ihre Geschichte." Unterstützt wurde er von dem Apotheker Siegfried Hagspiel, dem besten Kenner der Pflanzenwelt des Moors, der ein Kapitel über die Natur verfasst hat, sowie von dem Fotografen Robert Hoiss.

Toni Drexler erhält Bayerischen Poetentaler, 2017

Toni Drexler gilt als Prototyp des idealen Heimatpflegers.

(Foto: Robert Haas)

Nur wenige Kleinräume sind so üppig ausgestattet wie das Haspelmoor. Das Spektrum reicht von Steinzeitfunden bis zur spektakulären Durchquerung des Moores durch die Eisenbahn München-Augsburg im 19. Jahrhundert, ein Eingriff, der bis heute nachwirkt. Das Haspelmoor wird zwar nie mehr ein intaktes Hochmoor werden, aber es ist ein angenehmer Erholungsraum. Die Arbeiter aus allen Regionen Bayerns, die damals zum Schienenbau hierher gekarrt wurden, haben das wohl anders empfunden. Es kam sehr schnell zu Spannungen und zu Versorgungsengpässen.

Wegen der harten Lebensbedingungen sind Banden wie die Rasso-Räuber entstanden, deren Karrieren Drexler intensiv erforscht hat. Ihr Schicksal steht exemplarisch für das Elend im vorindustriellen Bayern. Wo heute gestresste Großstädter Erholung in der Natur suchen, warteten einst Not, schwere Arbeit und sogar Kriegsgefangenschaft und Bombardement. Im Haspelmoor, sagt Drexler, sei fast jede historische Entwicklung ablesbar. Industrialisierung, soziale Probleme, Technik- und Eisenbahngeschichte, Kriege, alles habe Spuren hinterlassen. Drexler hadert nur damit, dass sich der Name Moor durchgesetzt hat, denn bis 1860 habe man, wie in Bayern üblich, Haspelmoos geschrieben. Mit der Eisenbahn aber kamen Menschen hierher, die aus der Ferne das Wort Moor mitbrachten. Da war es um das Moos geschehen.

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