Süddeutsche Zeitung

Oberfranken:Eine 1000 Meter lange Hängebrücke über das Höllental

  • Der Hofer Kreistag hat den Bau einer Hängebrücke über das Höllental beschlossen.
  • Geplant sind auch eine Verweilplattform und ein Besucherzentrum. Insgesamt kosten die Baumaßnahmen wohl knapp 22 Millionen Euro.
  • Naturschützer befürchten schwerwiegende Eingriffe in das Ökosystem.

Von Olaf Przybilla

In der Frankenpost ist am Wochenende ein Text erschienen, der einen melancholisch gestimmt zurückließ. Geschrieben hat ihn die Zeit-Redakteurin Christine Lemke-Matwey, die zum Teil im oberfränkischen Naila aufgewachsen ist, bei den Großeltern. Dort verbrachte sie die Ferien, genoss das fränkische Land, "seine Kargheit, seine Luft, seine Wälder, die Sprache". Im Höllental, an der Grenze zu Thüringen, schien sich das alles zu konzentrieren. Als "lieblich, leicht, idyllisch" hat sie das Tal in Erinnerung, denkt an "Felsenklüfte, helles Laub, Fichtengrün, die Selbitz".

Und nun? Zu Beginn der Woche hat der Hofer Kreistag beschlossen, dort die wohl längste Fußgängerbrücke der Welt bauen zu lassen, quer übers Höllental. Die Entscheidung fiel mit 35 zu 15 Stimmen klar aus, wie zuvor schon Bürgerentscheide in umliegenden Kommunen. "Für immer verschandelt", fürchtet Lemke-Matwey.

Streit um die Hängebrücken

Seit Jahren debattiert die Region aufs Heftigste über insgesamt zwei geplante Hängebrücken, eine kürzere und eine längere. Man muss nur einmal durch Lichtenberg spazieren - und die verwitterten Spuren des Streits werden einen begleiten. Wobei man sagen muss, dass die Gegner des Projekts mit ihren Plakaten offenbar in der Minderheit sind. Beim Bürgerentscheid sprachen sich 433 Lichtenberger für den Brückenbau aus, nur 238 votierten dagegen. In Issigau, jenseits des Tals, war es zuvor ganz ähnlich. Zu der Zeit sollte die größere der Brücken das Tal auf etwa 700 Metern überspannen. Nun hat der Kreistag sogar eine 1030 Meter lange Brücke befürwortet. Sie soll noch länger werden als ursprünglich gedacht, damit man keine Pfeiler ins Naturschutzgebiet rammen muss.

Diese Brücke teilt Lichtenberg längst in zwei Fraktionen. Die einen sagen: Das hier ist eine touristisch fast vollständig vergessene Region; über den Fall Peggy spricht halb Deutschland, über das "Höllental" wird nur dann gesprochen, wenn wieder mal jemand eine passende Überschrift für einen Mädchenmördertext gesucht hat. Überhaupt soll das Projekt "Hängebrücke" hoch subventioniert werden, für bis zu 80 Prozent könnte der Freistaat aufkommen. Und welche Infrastrukturmaßnahme hätte man denn gern für einen darbenden Landstrich am früheren Zonenrand? Kraftwerke, Stromleitungen, Industriehallen? Dann wohl lieber zwei Hängebrücken.

Die anderen sagen: Ist das wirklich euer Ernst, genau das zu beschädigen, womit der Frankenwald punkten kann: naturbelassene Täler, Waldeinsamkeit, Entschleunigung? Wie kann es überhaupt sein, dass man eine potenziell massentouristische Destination mitten ins Naturschutzgebiet setzt? Und wenn irgendwann der Reiz einer schwingenden Brücke weg ist, wenn in China zehn längere Hängebauwerke den schönen Superlativ geschleift und in 15 Jahren jeder potenziell Interessierte einmal das freischwebende Ding passiert haben wird - und wenn dann kaum noch einer kommt und sich der Massentourismus ein neues saucooles Event sucht? Dann ist das Tal futsch. Und Großmutter erzählt davon, wie das einst war, als man am Wochenende vom Tagestourismus überrollt wurde.

"Leuchtturmprojekt" oder Umweltzerstörung?

Seit Montagabend freilich dürften solche Argumente hinfällig sein. Die Befürworter, darunter Landrat Oliver Bär (CSU), haben sich im Kreistag klar durchgesetzt. Als "Leuchtturmprojekt" lobpreisen sie den Brückenbau zu Lichtenberg. Samt Verweilplattform und Besucherzentrum soll dieses bis zu 22 Millionen Euro kosten. Der Naturschutz? Durchaus "FFH-verträglich" könne man so einen Bau durchziehen, müsse allerdings versuchen, möglichst wenig Buchenwälder zu verbrauchen und für Ausgleichsmaßnahmen sorgen. Schon im Frühjahr 2022, so ist momentan der Plan, könnten die beiden Brücken fertig sein.

In der Verordnung übers Naturschutzgebiet Höllental wurde 1997 festgelegt, dass aufgrund der herausragenden floristisch-pflanzengeografischen Stellung des Tals "Störungen fernzuhalten" sind. Mit dem Pfund, der Erklärung zum Naturschutzgebiet, hätte man wuchern müssen, ist sich die Autorin Lemke-Matwey sicher. Der Kreistag hat sich nun anders entschieden.

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SZ vom 05.06.2019/lfr
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