Süddeutsche Zeitung

Eheschließungen:Die Hochzeits-Hotspots der Münchner

Nicht nur Promis, alter Adel oder Sportmoderatorinnen - immer mehr Münchner wollen sich an einem ganz besonderen Ort das Ja-Wort geben. Was das für Hochzeitshochburgen wie Tegernsee und Schliersee bedeutet.

Von Matthias Köpf, Tegernsee

Die sogenannte Promihochzeit ist ein Genre für sich am Tegernsee, aber ausschließlich am alten Adel und an irgendwelchen Sportmoderatorinnen und Vorstandsvorsitzenden kann es auch nicht liegen: Stolze 375 Ehen wurden im vergangenen Jahr allein im Rathaus der Stadt Tegernsee geschlossen, das macht ziemlich genau eine standesamtliche Hochzeit auf zehn Einwohner. Käme München auf so eine Quote, dann müssten in der Hauptstadt pro Jahr 150 000 Ehen geschlossen werden, dabei sind es dort in Wirklichkeit nur knapp 5000. Aber ein Teil der Münchner Brautpaare heiratet ja eben in Tegernsee. Denn von all den vielen Hochzeiten dort waren 2018 nur an einem runden Dutzend auch wirklich eine echte Tegernseerin oder ein eingeborener Tegernseer beteiligt.

Das Standesamt der Stadt ist seit 2010 auch für die anderen Gemeinden rund um den See sowie für das etwas abseits gelegene Waakirchen zuständig, und damit 2018 für insgesamt 695 Eheschließungen, 90 mehr als im Jahr davor. So hat es dem Tegernseer Stadtrat jüngst Bürgermeister Johannes Hagn vorgetragen, der selbst nur einheimische Paare verheiratet. Die große Masse erledigen die drei Frauen im Tegernseer Standesamt.

Rechtsakte am Fließband gibt es am Tegernsee aber nicht, betont Rathaus-Geschäftsleiter Hans Staudacher. Dass sich die Trauungen im ganzen Tal innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt und allein in der Stadt Tegernsee mehr als verdreifacht haben, nimmt er nicht vorrangig als Problem wahr. Die Leute kämen schließlich schon lang zum Heiraten an den schönen Tegernsee. "Wir sind ja froh, wenn die Leute zu uns rausfahren. Und wirtschaftlich ist das nicht ganz unbedeutend für die Gastwirte und die Hotels." Der See insgesamt ist bei den Städtern schon seit etlichen Jahren wieder ziemlich angesagt, wie das in der Hochphase davor wohl noch geheißen hätte.

Inzwischen allerdings gibt es vor allem für die Freitags- und Samstagstermine so viele Anfragen, dass die Tegernseer auch Brautpaaren absagen müssen. Der feste Stichtag für alle Anfragen wurde deswegen gerade abgeschafft, jetzt ist die Anmeldung laufend für höchstens ein Jahr im Voraus möglich, aktuell also höchstens bis Februar 2020. Allerdings ist bis in den Oktober dieses Jahres hinein schon wieder alles ausgebucht.

Ähnlich ist die Lage am nahen Schliersee, einem weiteren Hochzeits-Hotspot der Münchner. In der kleinen Gemeinde haben 2018 immerhin 213 standesamtliche Hochzeiten stattgefunden, noch einmal halb so Anfragen wurden abgelehnt. Für dieses Jahr sind schon 140 gebucht.

Alfred Schmidt arbeitet dort als Hochzeitsfotograf und fasst die Wünsche der Brautpaare in drei Wörtern zusammen: "Strand, Berge, See". Viele auswärtige Heiratswillige hätten schon lange einen Bezug zur Region, seien manchmal schon als Kinder mit ihren Eltern im Urlaub am Schliersee gewesen. Mancher Antrag sei auf einem der umliegenden Gipfel gemacht worden, berichtet Schmidt.

Auch das standesamtliche Ja-Wort lässt sich in der Gegend auf größerer Seehöhe sagen: Am Almbad auf der Huberspitz gibt es seit ein paar Jahren einen Trauungsraum genau auf der Grenze zwischen den Gemeinden Schliersee und Hausham, samt amtlicher roter Demarkationslinie im Holzboden. Für einen gültigen Rechtsakt, der so eine Hochzeit ja auch immer ist, müssen sich beide Eheleute auf der richtigen Seite der Linie befinden.

Auch bayernweit ist die Zahl der Eheschließungen in den vergangenen Jahren angestiegen, wie das kürzlich veröffentlichte Statistische Jahrbuch für 2018 zeigt. Dieser Anstieg mag mit einer steigenden Zahl von Bayern zu tun haben, aber auch mit dem Umstand, dass bei fast jeder fünften Hochzeit mindestens einer der beiden Partner nicht zum ersten Mal heiratet. Für Hochzeitshochburgen wie Tegernsee und Schliersee hat auch das Folgen: Jede Eheschließung vergrößert in ihren Rathäusern den Aktenbestand. Und bei jeder Scheidung muss die Akte wieder auf den Tisch.

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SZ vom 21.02.2019/kaal
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