Umweltschutz:Die neue Koalition gefährdet den Hochwasserschutz

dpa-Story - Deggendorf

Im Juni 2013 wurde nach tagelangen sintflutartigen Regenfällen der Deggendorfer Ortsteil Fischerdorf innerhalb kürzester Zeit geflutet. An der dortigen Mündung der Isar in die Donau war ein Deich gebrochen, die Schäden waren immens.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Um Katastrophen wie das Hochwasser 2013 bei Deggendorf zu verhindern, hatte der Freistaat sogenannte Polder entlang der Donau geplant.
  • Die gigantischen Rückhaltebecken stießen bei der Bevölkerung vor Ort aber teils auf Unmut.
  • Im neuen Koalitionsvertrag hat sich die Landesregierung nun von drei Standorten verabschiedet.

Von Christian Sebald

Die bayerischen Hochwasserschützer machen immer wieder die gleiche, schlimme Erfahrung. "Nach einer Flutkatastrophe hast du zwei oder drei Jahre Zeit, um in der Bevölkerung und der Politik neue Dämme, Rückhalteflächen oder andere Schutzprojekte durchzubringen", sagt einer. "Danach sind all die gigantischen Schäden und das immense Leid vergessen, die das Hochwasser angerichtet hat, die Widerstände gegen neue Schutzprojekte wachsen von Tag zu Tag, bis man sie nicht mehr durchsetzen kann. Nach der nächsten Katastrophe beginnt das Spiel von vorne."

Wie wahr die Worte sind, kann man im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern nachlesen. Wegen der massiven Widerstände in der lokalen Bevölkerung hat sich Schwarz-Orange darin mit einem Federstrich von den Hochwasserpoldern Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) sowie Eltheim und Wörthhof (Landkreis Regensburg) verabschiedet. Dabei sind die drei gigantischen Rückhaltebecken zentrale Bausteine des bisherigen Hochwasserschutzkonzeptes für die bayerische Donau. Sie sollen Katastrophen wie zuletzt 2013 bei Deggendorf verhindern.

In der Fachwelt herrscht Ratlosigkeit, wie die neue Staatsregierung nun ihr Versprechen "Wir machen Bayern hochwasserfest" in der Region Ingolstadt und an der niederbayerischen Donau verwirklichen will. Denn mit einer stärkeren Ausrichtung auf "eine dezentrale Regenrückhaltung" und "ein modernes Staustufenmanagement" alleine, wie es wolkig im Koalitionsvertrag heißt, ist das nicht möglich. So sagen es alle Experten, mit denen man dieser Tage spricht. "Der Verzicht auf die drei Polder ist die erste Bauchlandung der neuen Staatsregierung", sagt einer. Wegen der Brisanz des Themas will er sich nur anonym äußern.

Hochwasserschutz ist komplex, das betont die Staatsregierung auf allen möglichen Veranstaltungen, in Gutachten und Broschüren immer wieder. In ihrem Schutzkonzept setzt sie auf drei Säulen: zum einen auf Technik - die Modernisierung alter und den Bau neuer Dämme und Deiche etwa. Zum anderen auf die Stärkung des natürlichen Rückhalts, wie die Renaturierung von Au-Landschaften, in die sich dann ein Hochwasser ergießen kann. Und zum dritten auf Vorsorge, zum Beispiel auf den Verzicht auf Neubaugebiete in Risikogebieten. Maßnahmen aus diesen drei Säulen werden natürlich auch an der Donau umgesetzt. Man denke nur an die zig Millionen Euro, die seit der Katastrophe 2013 im Landkreis Deggendorf in die Modernisierung von Deichen und Dämmen fließen.

Es war aber auch die Flut 2013, die klargemacht hat, dass die bisherigen drei Säulen in Zukunft nicht mehr ausreichen werden. Im Zuge des Klimawandels werden die Hochwasser immer extremer. Man muss sich darauf einstellen, dass Katastrophen, die bisher nur alle 200, 300 oder gar 500 Jahre vorkamen, deutlich öfter passieren werden. Um sie zu bewältigen, braucht es zusätzliche Maßnahmen, die über alle bisherigen hinausreichen. Das sind die Flutpolder. Der Freistaat hat sie erst nach der Katastrophe 2013 in sein Schutzprogramm aufgenommen.

Was Polder genau sind

Polder sind gigantische Rückhaltebecken, die Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen können. Sie werden immer dann geflutet, wenn ein Hochwasser so extrem ist, dass alle anderen Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, um ihm beizukommen. Wenn es also über alle Dämme und Deiche zu gehen droht. Und Auwälder und andere natürliche Rückhalteflächen so voll Wasser sind, dass sie nichts mehr aufnehmen. Polder sind Notventile des Hochwasserschutzes, die geöffnet werden, wenn sonst nichts mehr hilft.

Weil aber ein Notventil für die 381 Flusskilometer der Donau in Bayern nicht ausreicht, hat der Freistaat an ihr entlang eine Kette aus elf Poldern geplant. Bei optimaler Steuerung aller Polder an der deutschen Donau, so heißt es auf der Homepage des Bundesumweltministeriums, könne einmal der Scheitel einer Hochwasserwelle dort um maximal 1,60 Meter abgesenkt werden. 1,60 Meter ist sehr viel, wenn es wie 2013 um jeden Zentimeter geht. Die Polder Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof sind zentral für das Konzept. In einem Gutachten, das auf der Homepage des Landesamts für Umwelt nachzulesen ist, sind sie mit Prioritätsstufe eins versehen.

Wenig verwunderlich also, dass auch der neue Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), der für den Hochwasserschutz zuständig ist, etwas ratlos klingt, wenn man ihn um ein Statement zur Streichung der Polder fragt. "Ich bin erst wenige Tage im Amt. Ich brauche erst einmal alle Fakten", sagt er. "Ich werde mir die Fachgutachten genau anschauen, sobald mir die Endfassungen vorliegen. Dann suchen wir gute, schnelle und wirkungsvolle Lösungen gemeinsam mit allen Beteiligten."

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