In der Nacht zum Donnerstag hat Herbert Wiedemann, der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Rottal-Inn, nur zwei Stunden geschlafen. Seit Stunden sehen ihn seine Kollegen vom Hochwasser-Krisenstab meist nur am Telefon. Wiedemanns Aufgabe: eintreffende Nachrichten auf Dringlichkeit filtern, dementsprechend Einsatzkräfte bündeln, innerhalb des Bayerischen Roten Kreuzes Verstärkung aus umliegenden Bereichen anfordern, um die vom Einsatz erschöpften Kollegen abzulösen.
Wiedemann ist noch ergriffen von den ersten Eindrücken, als das Wasser des sonst unauffälligen Simbachs um fünf Meter anschwoll und die Rettungsteams plötzlich verzweifelte Menschen von Auto- und Hausdächern holen mussten. "Das hier ist an Dramatik nicht mehr zu überbieten", sagt er.
Die zentrale Einsatzleitung liegt in der Hand der Feuerwehr. Immer wieder kommen die Vertreter der einzelnen Hilfsdienste, darunter auch das Technische Hilfswerk, zusammen, um ihr Vorgehen zu koordinieren. Das geschieht ruhig, ohne große Aufregung, absolut professionell. "Dadurch, dass wir in der Vergangenheit schon immer wieder solche Schadensereignisse hatten, kennen wir uns alle sehr gut und arbeiten vertraut Hand in Hand", sagt Wiedemann.
Insgesamt 111 Katastrophen verzeichnet die Statistik der Rettungsdienste in Bayern von 1993 bis 2015 - so etwa die Hochwasser in den Jahren 1998, 2001, 2004 und 2013. Dann der tragische Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall oder 2015 der Sägewerkbrand im Landkreis Hof, um nur einige der Großeinsätze herauszugreifen, bei denen sich die bayerischen Retter bewähren mussten.
Zu diesen Ereignissen wird nun das verhängnisvolle Hochwasser im Kreis Rottal- Inn dazukommen. Mehrere Tote haben die Rettungstaucher der Wasserwacht mittlerweile aus Gebäuden bergen können. Der Partner von Wiedemanns Tochter Veronika - auch sie ist als Helferin des Roten Kreuzes im Dauereinsatz - war einer derjenigen, die am Donnerstag die Leiche eines etwa 75-jährigen Mannes geborgen haben.
Wiedemann, selbst ausgebildeter Rettungstaucher, weiß, was damit verbunden ist - insbesondere, wenn vielleicht noch die Angehörigen am Einsatzort dabei sind: "Wenn du in einem überfluteten Keller in der Drecksbrühe als Taucher umherkrabbelst und nicht weißt, was dich dort erwartet, dann ist das kein gutes Gefühl", sagt er - von den Gefahren einmal ganz abgesehen. Aber Wiedemann sieht das nüchtern: "Unsere Leute machen das ja nicht zum ersten Mal, die sind für solche Einsätze trainiert." Doch wenn die Strömung zu stark wird, werden die Tauchgänge abgebrochen. Die Sicherheit der Retter geht vor, wenn am Einsatzort keine Lebenszeichen darauf deuten, dass hier noch Menschen gerettet werden können.