Universität in Passau:Heiß umkämpfter Präsidentenstuhl

Universität in Passau: Die Idylle an der Universität Passau ist gestört. Schuld daran ist die Debatte um die Zukunft der Hochschule unter dem Stichwort "Technik Plus".

Die Idylle an der Universität Passau ist gestört. Schuld daran ist die Debatte um die Zukunft der Hochschule unter dem Stichwort "Technik Plus".

(Foto: Universität Passau)
  • Einst war die Uni Passau vor allem für Jura, Lehramt, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften bekannt. Nun sorgt das Programm "Technik Plus" für Wirbel.
  • Bei dem Programm geht es, grob gesagt, um die Nutzung und Wirkung von digitaler Technik in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.
  • Kern des Problems ist, dass viele Studierende ein Ungleichgewicht bei der finanziellen Unterstützung für ihre Fächer und für "Technik Plus" sehen.
  • In der Kritik steht deshalb auch der Präsident der Uni Passau, dessen Wiederwahl nun gefährdet ist.

Von Martina Scherf

Die Idylle an der Universität Passau, die so beschaulich am Innufer liegt, ist gestört. Seit die Hochschule sich ein neues Profil gegeben hat, schlagen die Wellen hoch. "Technik Plus" heißt das Programm für die Zukunft, und es hatte schon bei seiner Einführung für Wirbel gesorgt. Eine Zeitlang schienen sich die Wogen geglättet zu haben. Doch jetzt steht die Wahl des Präsidenten an, und Burkhard Freitag, seit drei Jahren im Amt, spürt heftigen Gegenwind. Es geht um fehlende Transparenz, aber auch um die Grundsatzfrage: Wie sieht die Hochschule der Zukunft aus?

Einst war Passau vor allem für Jura, Lehramt, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften bekannt. Studenten schätzen ihre Uni, für den schönen Campus am Inn, die kurzen Wege, gute Betreuung. Doch im zunehmenden Wettbewerb der Hochschulen um Drittmittel reichen dieses Fächerspektrum und solche "weichen" Kriterien nicht mehr. Deshalb hatte sich die Unileitung noch unter Freitags Vorgänger Walter Schweitzer einen Plan ausgedacht: Technik Plus steht darüber, eine Orientierung in Richtung Informatik im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium.

Wie wirkt sich digitale Technik aus?

Neun von 15 neuen Lehrstühlen wurden seither eingerichtet, "vernetzte Gesellschaft" ist das Schlagwort. Es geht, grob gesagt, um die Nutzung und Wirkung von digitaler Technik in Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Die Digital Humanities sind weltweit im Kommen. Bei dieser Entwicklung will Passau als regionaler Think Tank dabei sein. So baut sie mit der Universität Budweis in Tschechien ein EU-gefördertes Digital-Labor zur historischen Forschung auf. Denn Computer ermöglichen auch Geisteswissenschaftlern ganz neue Forschungsansätze - etwa, wenn man mit wenigen Mausklicks mittelalterliche Handschriften weltweit vergleichen kann.

Es gibt ein Graduiertenkolleg zur Privatheit im Internet, Debatten zur NSA-Affäre oder zu Datenschutz in sozialen Netzwerken, und kürzlich fand die erste Jahrestagung des jungen deutschsprachigen Digital-Humanities-Verbandes in Passau statt - unter dem programmatischen Titel "Digital Humanities: methodischer Brückenschlag oder feindliche Übernahme?"

Eine viel versprechende Entwicklung also, doch die Skepsis an der Uni Passau ist nicht verschwunden. Vor allem an der Philosophischen Fakultät rumort es. Es begann mit dem Rücktritt eines Vizepräsidenten und setzte sich fort mit anonymen Flugblättern von Studenten, die der Präsident eilends wieder einsammeln ließ. Und als jüngst bekannt wurde, dass an der Philosophischen Fakultät 13 befristete Mitarbeiterstellen gestrichen werden sollten, kam es zum Protestmarsch mehrerer hundert Studenten und Mitarbeiter auf dem Campus. Auf der anschließenden Vollversammlung nahm Freitag den Plan zurück. Doch die Unsicherheit bleibt.

Was an Uni-Präsident Freitag kritisiert wird

Der Informatiker Freitag gehe Konflikten aus dem Weg, heißt es von verschiedenen Seiten, er kommuniziere zu wenig. Auch jetzt meidet er öffentliche Äußerungen. Doch bei der Wahl am 8. Juli wird er mit mehreren Gegenkandidaten rechnen müssen, am 16. April stellen sie sich beim Senat vor. Mehr als ein Dutzend Professoren von innen und außen sollen sich beworben haben. Eine von ihnen ist Carola Jungwirth, seit 2007 Inhaberin des Lehrstuhls für internationales Management. Bis zum vergangenen Jahr war sie Dekanin der Wirtschaftswissenschaften und hat einige Initiativen angestoßen wie ein Studienabbrecherprogramm, ein Gleichstellungskonzept oder eine "Wissensinitiative", um die Kontakte zur Wirtschaft zu forcieren.

Vor der Wahl will sich keiner der Kandidaten öffentlich äußern. Fest steht jedoch: Umwälzungen an einer Hochschule, wie sie Technik Plus mit sich bringt, brauchen eine sensible Moderation. Vier der neuen Lehrstühle gingen an die Fakultät für Mathematik und Informatik - digitale Neuerungen vom Fahrzeugbau bis zum Bibliothekswesen werden dort erforscht -, zwei an die Wirtschaftswissenschaften, je einer an die juristische und die philosophische Fakultät, zu der auch die Sprachen gehören. Sie wird demnächst noch einen weiteren bekommen, Arbeitstitel "Mensch und Maschine-Interaktion".

Kritik am Ungleichgewicht

"Wir staunen nur, über wie viele Ressourcen die Mathematiker verfügen, während bei uns ein Lehrstuhlinhaber höchstens befristete Mitarbeiter hat", hört man bei den Geisteswissenschaftlern. Man sei nicht grundsätzlich gegen Technik Plus - sofern es ein echtes Plus sei. Doch das Ungleichgewicht sei jetzt doch enorm. "Dabei haben die Mathematiker kaum Studenten, während wir aus allen Nähten platzen. Wir sind doch keine TU." In der Tat studiert mehr als die Hälfte der 12 000 Passauer Studenten an der Philosophischen Fakultät. Die Mathematik/Informatik hat nur 740 Studenten, aber im Verhältnis deutlich mehr Professoren und Mitarbeiter.

Der Kampf um Drittmittel treibt Keile in die Hochschulen, auch an einer kleinen Uni wie Passau. Weil die staatliche Förderung nicht ausreicht, die Studentenberge zu bewältigen und zugleich herausragende Forscher zu zahlen, sind sie auf Geld von außen angewiesen: von Bund und Land, der EU und immer öfter von der Wirtschaft. In Passau trägt sie derzeit 27 Prozent der rund zwölf Millionen Drittmittel im Jahr bei. So hat ein führender Grafikkartenhersteller jüngst den Informatik-Lehrstuhl für Digital Libraries and Web Information Systems zum "Nvidia Cudia Research Center " erkoren. Auch im Universitätsrat, eine Art Aufsichtsrat, sitzen überwiegend Techniker und Wirtschaftsvertreter. "Da ist mehr von Kunden die Rede als von zweckfreier Forschung", stellen die Studentenvertreter fest.

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