Süddeutsche Zeitung

Hochschulen:Warum sich Erlangen und Nürnberg die Studenten nicht gönnen

  • Die Friedrich-Alexander-Universität hat Standorte in Erlangen und Nürnberg - doch Erlangen ist der deutlich beliebtere Studienort.
  • In Nürnberg wird vor allem um die Unterbringung verschiedener Fakultäten gestritten.
  • In die leerstehenden Gebäuden von AEG oder Quelle sollten Institute einziehen, doch daraus wird nichts.
  • Vor allem ist das ein Streit zwischen der Nürnberger SPD mit ihrem OB Ulrich Maly und der CSU mit Finanzminister Markus Söder.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg/Erlangen

Um den fränkischen Streit um Standorte der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) zu verstehen, muss man zurückblicken ins Jahr 1743. Damals verlegte der Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth die Universität ins überschaubare Erlangen und machte damit der Uni in der mittelfränkischen Kleinstadt Altdorf Konkurrenz. Altdorf, das war eigentlich die Hochschule der freien Reichsstadt Nürnberg.

Heute brüsten sich Städte ja mit der Zahl ihrer Studenten, im 18. Jahrhundert war das mitunter noch ganz anders - da wusste man sie gerne eine Kutschfahrt weit entfernt. Konnte ja keiner wissen, was das junge Volk für unfeudale Gedanken pflegte. Wie auch immer: Zwei große Hochschulen auf so engem Raum erschienen dem Königreich Bayern wenig sinnvoll, 1809 wurde die Uni in Altdorf dichtgemacht. Nürnberg verlor also seine Hochschule, die Universität in Erlangen wiederum wuchs zu imposanter Größe heran. Das ist der Kern des Konflikts.

Etwas mehr als 100 000 Einwohner zählt Erlangen heute, an der Uni der Stadt wiederum sind 40 000 Studenten eingeschrieben - auf so ein Verhältnis können nur wenige Unistädte stolz sein. Einen negativen Superlativ hat in der Hinsicht Nürnberg vorzuweisen: Eine Halbmillionenstadt, an der so wenig Universitätsstudenten eingeschrieben sind, gibt es in der Republik sonst nicht.

Zwar bekam Nürnberg seit 1961 etwas ab vom großen Uni-Kuchen, seither ist die FAU eine Spiegelstrich-Institution: Erlangen-Nürnberg. Wer Wirtschaft oder Grundschullehramt studiert, der geht in Nürnberg zur Uni. Für angehende Lehrer aber wird auch das bald nicht mehr so sein: Weil Siemens das Zentrum Erlangens verlässt und auf ein Areal am Stadtrand umzieht, wird der postkartenberühmte "Himbeerpalast" frei. Dort sollen Geisteswissenschaftler und Pädagogen künftig gemeinsam unterkommen.

Das ist schön für Erlangen, finden die Nürnberger, einschließlich ihres Oberbürgermeisters. Für Nürnberg aber ist das gar nicht schön und wäre ohne Ausgleich nahezu abstrus: Immerhin ist sich die "Metropolregion" seit Jahren einig darüber, dass Monostrukturen nicht erwünscht sind. Dass also Erlangen kein Getto für Siemensianer und Akademiker sein soll und die frühere Arbeiterstadt Nürnberg Impulse dringend nötig hat. Also herrschte eigentlich Konsens darüber, dass ein Campus im Westen Nürnbergs etabliert werden soll, wo nacheinander Triumph-Alder, AEG und Quelle zugrundegegangen sind.

Die Visionen für Nürnberg sind nicht realisierbar

Das entscheidende Wort ist: eigentlich. Denn nacheinander platzte dort eine Vision nach der anderen: Im Quelle-Haus hofften zunächst SPD und OB Ulrich Maly Uni-Institute unterzubringen, die CSU und Finanzminister Markus Söder hielten dagegen: Nur wenn der denkmalgeschützte Quelle-Bau abgerissen wird, werde man das unterstützen. Der Zoff samt gegenseitiger Blockade geriet mitten in den Kommunalwahlkampf hinein, Söder setzte alles auf eine Karte: die Umsiedlung großer Teile der Technischen Fakultät aufs benachbarte AEG-Gelände, um dort ein angebliches "Garching Nordbayerns" zu etablieren.

Dass sich Söder bei der Vorstellung der Pläne nicht nur auf ein Gelände in Privatbesitz festlegte, sondern bereits einen Kaufpreis in Aussicht stellte - darüber machen sich inzwischen nicht nur Oppositionspolitiker lustig. Zahlreiche Gebäude hätten abgerissen werden müssen auf Kosten des Freistaats, der Platz reichte nicht aus, die Kosten wären ausgeufert, der Uni-Campus zu einer Hochhaussiedlung mutiert. Nach drei Jahren Planung platze das Projekt.

Söders Versprechen: Der Umzug kommt, wohin auch immer

Seither vergeht kein Tag, an dem nicht zwischen Erlangen und Nürnberg geharnischte Grußadressen ausgetauscht werden. Wobei alle stets betonen, ihnen läge sehr an der Solidarität innerhalb der Metropolregion - aber eben nicht unter allen Umständen. Die CSU Nürnberg etwa geißelt "Kirchturmdenken", was sich gegen Erlangen richtet und bedeutet: Die sollen gefälligst ihr Versprechen einhalten. Fragt man beim Erlanger CSU-Mann Kurt Höller nach, Sprecher für Hochschulpolitik in Mittelfranken, gibt der zurück: "Ich frage mich schon, wer hier gerade Kirchturmpolitik macht."

Nürnberg präferiert als Alternative zum AEG-Areal ein Gelände im letzten Süd-Zipfel Nürnbergs. Weiter entfernt von Erlangen geht es kaum, weshalb die CSU in Erlangen fürchtet, dass die Technische Fakultät ungut auseinandergerissen werden könnte. Die Idee ähnele mehr einem Stadtentwicklungsprogramm für den Nürnberger Süden als einem Projekt zum Wohle der Uni, klagen sie in Erlangen.

Söder verspricht inzwischen nur noch eines: Der Umzug der Fakultät kommt, wohin auch immer in Nürnberg. Früher hätte er dergleichen an der Seite von Innenminister Joachim Herrmann verkündet. Das ist nicht mehr so. Seit dem peinlichen Aus für die AEG-Pläne schweigt Söders Minister- Kollege aus Erlangen demonstrativ zu den Umzugsplänen.

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SZ vom 26.01.2017/vewo
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