Auf den ersten Blick verheißen die Zahlen für Akademikerinnen Gutes: Knapp die Hälfte aller Uni-Absolventen in Bayern ist weiblich, fast 46 Prozent der Doktorarbeiten werden von Frauen eingereicht. Mit der Frauenquote an den Hochschulen scheint alles in bester Ordnung zu sein. An den Lehrstühlen verschiebt sich das Gleichgewicht jedoch deutlich: Nicht einmal jede fünfte Professur war 2015 von einer Frau besetzt - aus Sicht von SPD und Grünen ein Armutszeugnis für den wissenschaftlich ambitionierten Freistaat. An diesem Dienstag will die Opposition im Landtag deshalb acht Anträge für die Gleichstellung an Hochschulen einbringen.
"Bayern hat die besten Köpfe verdient", sagt Verena Osgyan, die hochschulpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen. "Es darf nicht sein, dass Frauen in der Wissenschaft immer noch benachteiligt werden. Damit schwächen wir den ganzen Standort." Wenn die Universitäten bei ihren Berufungen das Tempo der bisherigen Frauenförderung beibehielten, glaubt Osgyan, "dann dauert es noch 100 Jahre, bis wir bei den Professuren die gleichen Quoten erreichen wie bei den Promotionen".
Gleichstellungsreport:In 170 Jahren sind Männer und Frauen am Arbeitsplatz gleichgestellt
Jedenfalls, wenn die Angleichung weiterhin so langsam vorwärtskommt. Eine neue Studie zeigt, dass sich die Situation der Frauen in Deutschland sogar verschlechtert hat.
Aber wie kommt es zu diesem Ungleichgewicht? Warum entscheiden sich weniger Frauen als Männer nach ihrer Promotion für eine wissenschaftliche Laufbahn? Für Isabell Zacharias, Hochschul-Sprecherin der Landtags-SPD, müssen Bayerns Hochschulen "frauenfreundlicher" werden: "Angefangen bei den Ausschreibungen müssen die Unis Angebote machen, die auch für Frauen attraktiv sind." Dazu gehörten etwa eine gute Kinderbetreuung und ein Dual Career Service, der mitziehenden Partnern bei der Jobsuche hilft. Schon auf dem Weg zur Professur würden vor allem Frauen ausgesiebt, weil die üblichen Zeitverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter kaum eine Familienplanung zulassen.
Für Osgyan ist die Schwachstelle des Systems die Berufungskommission, die an Universitäten über geeignete Kandidaten für eine Professur berät. Der Kommission gehören Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten an, wobei die Professorenschaft am stärksten repräsentiert ist: Auf drei Professoren kommen jeweils ein Mitarbeiter und ein Student. Bei einer überwiegend männlichen Professorenschaft sitzen in der Kommission vor allem Männer. Entsprechend groß, so Osgyan, sei die Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Professur dann auch wieder an einen Mann gehe. "Professoren entscheiden möglicherweise eher zugunsten eines Kandidaten, der ihrem jüngeren Ich ähnelt."
Wie Isabell Zacharias fordert auch Verena Osgyan klare gesetzliche Regelungen, wie es sie in anderen Bundesländern bereits gibt. In Brandenburg etwa muss die Berufungskommission zu 40 Prozent weiblich besetzt sein. In Nordrhein-Westfalen gilt ein sogenanntes Kaskadenmodell: Dort richtet sich die Zielquote für eine Professur nach der Quote der Promotionen. Ist in einem Fach jeder dritte Doktorand eine Frau, sollten auch jede dritte Professur dieses Fachs an eine Frau gehen.
Von strickten Regelungen wie diesen hält Oliver Jörg wenig. Für den hochschulpolitischen Sprecher der CSU geht es bei Berufungen um "wissenschaftlich herausragende Personen, ganz gleich welchen Geschlechts". Nur dann könne man wirklich von Gleichstellung sprechen. "Ich bin mit der Opposition einig, dass wir mehr Frauen in der Wissenschaft brauchen, von Leitungspositionen bis zum Mittelbau", sagt Jörg. "Nur über die Maßnahmen, wie wir da hinkommen, haben wir unterschiedliche Ansichten." Das heißt auch: Die Anträge von SPD und Grünen werden am Dienstag von der CSU abgelehnt werden.
Dennoch, sagt Jörg, sei Gleichstellung wichtig. Allerdings liege die Verantwortung durch die Hochschulautomonie bei den Unis - ein Argument, mit dem die CSU nahezu jeden Antrag der Opposition abbügelt, von höheren Gehältern für Lehrbeauftragte bis hin zur längerfristigen Stellen für Personal. Einen Punkt der Einigkeit finden CSU, SPD und Grüne bei den Mint-Fächern. Schon in der Schule müssten mehr Mädchen für Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistert werden, damit sie sich für ein Studium in dieser Richtung entscheiden - und sich bestenfalls nach der Promotion auf eine Professur bewerben. Zeit wäre es: In den Mint-Fächern liegt die Professorinnen-Quote in Bayern derzeit bei 11,1 Prozent.