Die Grenzebach Group zum Beispiel ist so ein Unternehmen, das zwischen Augsburg und Nördlingen in Schwaben beheimatet und international tätig ist. Anlagenbau und Automatisierungstechnik sind ihre Spezialgebiete, und wenn irgendwo auf der Welt Solaranlagen gebaut werden, ist die Chance hoch, dass das Unternehmen daran beteiligt ist. Es gibt viele solcher Firmen im Umkreis Augsburgs, die in ihren Sparten weltweit führend sind, sie alle aber haben ein Problem: den Fachkräftemangel. In einer bayernweit einzigartigen Initiative haben sich deshalb Unternehmen und Wirtschaftsverbände aus der Region mit der Hochschule Augsburg zusammengetan und ein Konzept entwickelt: Sechs neue Studiengänge sollen die Kapazität der Hochschule um 2000 Studierende erweitern - und so helfen, die Probleme in der Region zu lösen.
Das Konzept heißt "gp 2025", gp steht für "gefragte Persönlichkeiten", und das sind gut ausgebildete Studenten heutzutage: Die IHK Schwaben stuft den Fachkräftemangel auf Grundlage einer Umfrage als größtes Risiko für die Wirtschaft ein. "Mehr als jeder zweite Firmenchef gab zur Antwort, dass der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung darstellt", sagt Matthias Köppel, der bei der IHK Schwaben für die Standortpolitik zuständig ist. Die Hochschule in Augsburg kann die Nachfrage aber nicht mehr bedienen und muss jährlich 500 Studierende abweisen. Es gibt kein Studienfach, das keine Zugangsbeschränkung in Form eines Numerus clausus hätte. "Es ist momentan einfacher, an der Exzellenzuniversität in München einen Platz zu bekommen als bei uns", sagt Präsident Gordon Rohrmair. Mit dem Konzept "gp 2025" sollen also nicht nur mehr Studierende ausgebildet werden - es ist auch ein Hilferuf aus der Region Augsburg.
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Zahlreiche bayerische Hochschulen bieten neue Studiengänge für neue Berufsbilder. Gerade in den Bereichen Digitalisierung und Pflege werden immer spezifischere Bachelorstudiengänge angeboten.
Rohrmair will mit dem Konzept Geld aus der Forschungsoffensive von Ministerpräsident Markus Söder nach Augsburg lenken. Zwei Milliarden Euro hat Söder den Universitäten und Hochschulen im Freistaat versprochen. Die Staatskanzlei, das Wirtschaftsministerium und das Wissenschaftsministerium haben das Konzept zur Kapazitätserweiterung im Herbst erhalten, mit Briefen von mehr als 100 Firmen. Inzwischen unterstützen die Initiative 150 Unternehmen aus der Region Augsburg mit einem Einzugsgebiet von knapp einer Million Menschen.
Und Rohrmair hat gute Argumente, warum ein Teil des Geldes gerade in seiner Hochschule bestens angelegt wäre: Da wäre einmal das Konzept selbst, das exakt auf den Bedarf der Wirtschaft zugeschnitten ist. "Wir haben geschaut, wo der reale Bedarf ist", sagt Rohrmair. Herausgekommen sind sechs Studiengänge in zukunftsfesten Sparten wie Big Data, Künstliche Intelligenz und Softwareentwicklung, zum Beispiel: Digitales Planen und Bauen, Data Science, aber auch Wirtschaftspsychologie für Digitale Märkte. So werden Spezialisten ausgebildet, die digitale Produkte überhaupt erst nutzerfreundlich machen.
Dringend benötigte künftige Spezialisten aber wandern laut Rohrmair momentan notgedrungen ab, weil sie keinen Studienplatz bekommen. "Unsere Start-ups hier könnten alle mehr Stellen besetzen. 100 000 Euro Umsatz pro fehlendem Mitarbeiter werden der Region so entzogen." Dabei sind die Studienplätze an der Hochschule Augsburg um den Faktor vier überbucht. Betrachtet man die Statistiken bei den Bachelor-Studiengängen, so gibt es in Regensburg etwa 1000 und in Würzburg sogar knapp 2000 Studierende mehr als in Augsburg - obwohl die Wirtschaftsräume signifikant kleiner sind. Und obwohl die Region Augsburg vergleichsweise wenige hoch qualifizierte Beschäftigte mit entsprechend hohem Einkommen hat. Eine Statistik aus dem Jahr 2017 beziffert den Anteil hoch qualifizierter Beschäftigter in Augsburg auf 12,3 Prozent, in Ingolstadt auf 16,6 und in München auf 28,3 Prozent. "Wir müssen hier mehr qualifiziert ausbilden, um das zu ändern", folgert Rohrmair.
Der Hochschulpräsident sieht aber auch eine soziale Verantwortung. Gerade weil es in Augsburg vergleichsweise viele Arbeiter gibt, sagt er: "Wir werden es in den nächsten 20 Jahren mit vielen Bildungsaufsteigern zu tun bekommen." Also mit Studierenden, deren Familien nicht so viel Geld haben, um ihren Kindern ein Studium in einer anderen Stadt zu ermöglichen. "Gerade wir als Hochschule müssen unserer Funktion als sozialer Lift gerecht werden", sagt Rohrmair. Das aber schafft die Hochschule Augsburg aus Kapazitätsgründen nicht mehr, wenn sie jährlich 500 Studierende abweisen muss.
13,5 Millionen Euro im Jahr bräuchte die Hochschule, um ihre Pläne zu verwirklichen, dazu käme eine Anschubfinanzierung von vier Millionen Euro für Infrastruktur und Labore. 130 Stellen würden entstehen. Das Wissenschaftsministerium lässt ausrichten, dass es das Konzept ausdrücklich unterstütze und eine Förderung im Zuge der "Hightech Agenda" denkbar sei. Ein genauer Zeitpunkt, wann das Geld aus der Forschungsoffensive verteilt wird, stehe aktuell jedoch noch nicht fest.