Süddeutsche Zeitung

Historische Kriminalfälle in Bayern:Alles spricht für Mord

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Um den Tod von König Ludwig II. ranken sich viele Verschwörungstheorien. Aber in Bayern gab es noch ganz andere spektakuläre Kriminalfälle.

Von Hans Kratzer, München

Der am Abend des 13. Juni 1886 im Starnberger See erfolgte Tod des Königs Ludwig II. war Jahrzehnte lang Gegenstand unzähliger Untersuchungen. Dennoch gilt dieser Exitus als eines der großen Rätsel der bayerischen Kriminalgeschichte. Leider sind die Hintergründe nie befriedigend aufgeklärt worden. Da aber alle verfügbaren Akten und Berichte ausgewertet sind, wird dieser Todesfall wohl noch lange mysteriös bleiben, zumindest für Kreise, die Verschwörungstheorien pflegen.

Offiziell heißt es, der König sei in suizidaler Absicht ertrunken. Bis heute kursieren aber Gerüchte, er sei ermordet worden. Franz Herzog von Bayern, der Chef des Hauses Wittelsbach, sagt, er habe keinen Anhaltspunkt dafür, dass Ludwig II. getötet worden sei. Dass sich im Archiv des Hauses Wittelsbach Akten befänden, die den Mord belegten, sei eine Legende.

Tatsächlich war schon einen Tag nach Ludwigs Tod von Mord die Rede. Ein Fischer namens Lidl dient als Hauptzeuge der Mordtheoretiker, er soll das Geschehen beobachtet haben. Allerdings ist das Heft mit den Aufzeichnungen des Augenzeugen Lidl verschollen. Trotzdem hält der Autor Manfred Böckl in seinem neuen Buch an der Mord-Theorie fest. Seiner Meinung nach deutet vieles auf ein vertuschtes Kapitalverbrechen hin, in das höchste Regierungskreise verwickelt waren.

Neben Lidl beruft sich Böckl etwa auf den Arzt Rudolf Magg, der den Leichnam des Königs untersucht hatte. Auf dem Sterbebett soll er seiner Tochter anvertraut haben, Ludwig II. sei durch Mörderhand ums Leben gekommen. Auch Indizien wie die etwas obskur verlaufene Obduktion des Leichnams verleiten Böckl zur gewagten These, eine bayerische Ministeroligarchie habe den König auf dem Gewissen.

Manfred Böckl hat in den vergangenen Jahrzehnten eine lange Reihe von Romanen zur bayerischen Geschichte geschrieben. Außerdem hat er zahlreiche Sachbücher verfasst. Die Gesamtauflage von Böckls Werk beläuft sich auf eine Million Exemplare. Das populärwissenschaftliche Handwerk mit einem Hang zu zugespitzten Thesen beherrscht der gebürtige Niederbayer durchaus. Auf dieser Basis schildert Böckl seine Gedanken über den Tod Ludwigs II. in seinem neuen Werk, in dem er sich "die spektakulärsten Kriminalfälle aus dem historischen Bayern" vorknöpft. Er greift dabei zwölf Delikte vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert heraus.

Eine Darstellung des letzten Spaziergangs Ludwigs II. im Garten des Schlosses Berg am Ufer des Starnberger See, in dem der König zu Tode kam.

1000 Mark Belohnung hatte das Staatsministerium des Innern in einem Steckbrief auf die Ergreifung des Räubers Mathias Kneißl ausgesetzt.

Die Hose des Findelkinds Kaspar Hauser, um dessen Leben und Tod sich viele Mythen ranken.

In der Emmeram-Kapelle in Kleinhelfendorf ist mit lebensgroßen Figuren aus der Barockzeit der Tod des Heiligen Emmeram durch Folter nachgestellt.

Die Auswahl wirkt etwas langweilig, da die Fälle allesamt bekannt und in der Literatur umfassend dargestellt sind. Freilich ist keine dieser Taten letztgültig ausgeleuchtet, es gibt allerhand Variationen in der Interpretation der Hergänge und der Hintergründe. Dazu kommt, dass sich Böckl noch nie gescheut hat, historische Phänomene gegen den Strom zu bewerten. Er pflegt das nicht nur im Falle Ludwigs II. mit großer Leidenschaft. Böckls Buch untermauert zunächst einmal, dass die bayerische Geschichte reich an außergewöhnlichen Kriminalfällen und Kapitalverbrechen ist, welche die Plots moderner Krimis meistens weit in den Schatten stellen. Die populären Ereignisse, auf die sich Böckl konzentriert, bilden aber nur die Spitze eines Eisbergs.

Der älteste Fall, den er aufrollt, betrifft den Mord am Regensburger Bischof Emmeram im 7. Jahrhundert. "Diese Tat war nicht ganz grundlos", erklärte Böckl kürzlich in einem TV-Interview recht salopp, der Bischof sei "über die Herzogstochter drüberkommen, und der Bruder hat's ihm dann heimgezahlt." In der historischen Forschung klingt das natürlich weitaus seriöser. Dennoch: Politik, Intrige und Liebeshändel bilden in diesem Fall eine Gemengelage, die anhand der spärlichen Quellenlage nur schwer zu deuten ist und für Böckls flotte Interpretation ausreichend Raum lässt. Fest steht, dass der Herzogssohn Lantpert den fliehenden Bischof gestellt und getötet hat. Diese Mordtat machte Emmeram zum Märtyrer und Heiligen. Für Böckl trägt die Geschichte Züge eines Politkrimis, garniert mit Intrigen und erotischen Kabalen. So starb er laut Böckls Theorie nicht nur, weil er die Herzogstochter geschwängert haben soll. Seiner Meinung nach könnte Emmeram ein fränkischer Agent im Priesterkleid gewesen sein.

Als ein grässliches Politverbrechen bewertet Böckl auch die Absetzung des letzten Bayernherzogs Tassilo III. durch den Frankenkönig Karl den Großen im 8. Jahrhundert. Dass er im Kerker auch noch geblendet wurde, ist ein Beleg dafür, wie bestialisch die Großkopferten mit ihren Verwandten und Gegnern verfuhren. Dies bekam auch die morganatische Herzogsgattin Agnes Bernauer zu spüren, die der Herzog Ernst in der Donau eiskalt ertränken ließ. Böckl hegt dabei den Verdacht, die Leiche der Agnes sei zu den Straubinger Karmeliten überführt worden. In deren Kirche wurde in den Dreißigerjahren in der Tat ein Frauengrab aus jener Epoche entdeckt. Leider liegt keine archäologische Beschreibung des Funds vor, das Grab der Agnes ist nach wie vor verschollen, die Spekulationen werden weitergehen.

Der erzkatholische Bayernherzog Maximilian I. (1573-1651) ließ wiederum die Landfahrerfamilie Pämb nach einem Hexentribunal auf bestialische Weise ermorden. Nach Böckls Schlussfolgerung wollte er damit Tausenden Heimatlosen, die über bayerische Straßen wanderten, Angst einjagen und sie vertreiben. Trotz der Justizmorde verschwanden nur wenige Landstreicher. Maximilian erreichte etwas anderes: Er ging als Musteragent für grausame Justizwillkür in die Rechtsgeschichte ein.

Nicht zuletzt befasst sich Böckl mit der Ermordung des Kaspar Hauser sowie mit den Taten und Untaten der vier berühmtesten bayerischen Wilderer und Räuber. Sie entstammten dem gewöhnlichen Volk und hießen Wildschütz Jennerwein, Bayerischer Hiasl, Räuber Kneißl und Michael Heigl. Aber auch ihr Hinscheiden hatte komplizierte Hintergründe, die viel Raum für Spekulationen lassen und deshalb ideales Futter für ein solches Buch liefern. Die wirklich spektakulären Kriminalfälle aber sucht man hier vergeblich.

Manfred Böckl, Bischofsmord und Hexenjagd, Die spektakulärsten Kriminalfälle aus dem historischen Bayern, SüdOst Verlag, 12,99 Euro.

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SZ vom 13.01.2016
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