Historische Karte von Bayern:Der Mann mit dem großen Plan

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Apians Bayern-Karte ist über die ebenfalls von ihm geschaffenen Landtafeln erhalten geblieben. Das Original verbrannte 1782. (Foto: Bayerische Staatsbibliothek München)

Wilde Tiere, Wegelagerer, verlauste Unterkünfte: Als Philipp Apian vor 450 Jahren die erste detailgetreue Karte von Bayern erstellte, musste er mit vielen Unwägbarkeiten umgehen. Doch am Ende war der Freistaat über Jahrhunderte hinweg das am genauesten dargestellte Land der Welt.

Von Hans Kratzer

Wissenschaft und technischer Fortschritt stehen in Bayern seit altersher hoch im Kurs. Mit unvergesslichen Leistungen haben viele Söhne und Töchter des Landes Eingang in die Ruhmestempel gefunden - nennen wir exemplarisch den Philologen Schmeller mit seinem gewaltigen Wörterbuch aus dem 19. Jahrhundert und den Optiker Fraunhofer mit seinen die Welt verändernden Gläsern. In diese illustre Schar ist auch der Name Apian einzureihen, hinter dem ein Professor aus Ingolstadt steckt, der vor 450 Jahren die erste detailgenaue Landkarte von Bayern vollendet hat.

Apians Bayernkarte war ein Meisterwerk, das eine halbe Ewigkeit seinesgleichen suchte. Fast 300 Jahre sollten vergehen, bis 1867 mit dem Topographischen Atlas von Bayern endlich ein Nachfolgewerk auf dem Tisch lag, das neue Maßstäbe schuf. "Apians Kartenwerk war bahnbrechend für ganz Europa", sagt Cornelia Jahn von der Bayerischen Staatsbibliothek in München, in der zurzeit eine Ausstellung zur Apian-Karte präsentiert wird.

Apian war seinerzeit erst 23 Jahre alt

"Sechs oder schier sieben Summer", von 1554 bis 1561, war Philipp Apian mit seinem Bruder Timotheus und einem Vermessungsgehilfen kreuz und quer durch das damalige Bayern geritten, um das Land erstmals systematisch zu vermessen und zu kartieren. Den Auftrag für dieses Mammutprojekt hatte er vom Bayernherzog Albrecht V. erhalten, der sich als Förderer der Wissenschaften gefiel. Um die Bedeutung seines Herzogtums auch optisch zu demonstrieren, betraute Albrecht seinen Ingolstädter Studienfreund Apian mit dieser anspruchsvollen Aufgabe.

Obwohl er erst 23 Jahre alt war, sich auf keine Vorarbeiten stützen konnte und kaum Geld zur Verfügung hatte, packte der mathematisch und vermessungstechnisch versierte Apian das Projekt entschlossen an. Das zu bearbeitende Gebiet erstreckte sich auf 50.000 Quadratkilometer, es wäre selbst heute mit einem allradgetriebenen Fahrzeug nur mühsam zu durchmessen. Und was fand Apian vor: unbefestigte Wege, reißende Flüsse, dichte Wälder, wilde Tiere, unbezwingbare Berge, verlauste Unterkünfte und Wegelagerer, die es auf die Vorräte und Unterlagen abgesehen hatten.

Das Gemälde zeigt Philipp Apian in einem Porträt von Hans Ulrich Alt aus dem Jahr 1590. Apian war aber bereits ein Jahr vorher gestorben. Trotz seiner kartografischen Großtat hatte er als überzeugter Protestant Bayern 1569 verlassen müssen. Er ging ins Exil nach Tübingen. (Foto: Joachim Feist)

Die Ausstellung im Fürstensaal und in der Schatzkammer der Staatsbibliothek lässt die enorme Arbeitsleistung und das Geschick der Vermesser in einer Zeit ohne Strom, Kommunikationsmittel und Medizin immer noch spüren. Apian und seine Helfer stützten sich auf einfache Messmethoden, die sie aber virtuos anwendeten, und sie erfanden auch neue. Strecken wurden oft über Schrittzählung bestimmt. Manchmal fußten Entfernungsangaben auch auf den Hinweisen von Reisenden. Es kamen aber auch Instrumente zum Einsatz, mit denen Apian an bestimmten Punkten Winkel- und Richtungsmessungen vornahm.

Die geometrischen Ergebnisse hielt er in Notizbücherln fest, auch sie sind in der Ausstellung zu sehen. Später nahm er mit ihrer Hilfe die Kartierung vor. "Aus heutiger Sicht ist dies eine sehr moderne Vorgehensweise", sagt Klement Aringer, der Präsident des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation, das die Ausstellung zusammen mit der Staatsbibliothek konzipiert hat. Apian habe die Einzelwerte in einer Art Datenbank gesammelt und sie später in die darstellende Form gebracht.

Doch nicht nur das: Er fertigte auch Skizzen vieler Dörfer, Märkte und Städte an, oft sind das die frühesten Ortsdarstellungen überhaupt. Was diese Arbeit den Vermessern abverlangt hat, zeigt die Tatsache, dass Apians Bruder bei einem dieser Ritte nahe Miesbach tödlich verunglückte. Die Todesstelle hat Apian auf der Karte mit einem Kreuz versehen.

Das Original wurde 1782 als wertloser Plunder verbrannt

Nach der Vermessung arbeitete Apian zwei Jahre lang an der Ausarbeitung der großen Bayernkarte, bis er sie 1563 dem Herzog vorlegen konnte. Sie war gut sechs mal sechs Meter groß. Einen Eindruck ihrer Pracht verschafft das Treppenhaus der Staatsbibliothek, wo eine maßstabsgetreue Replik hängt. Das Original existiert nicht mehr, da es 1782 als wertloser Plunder verbrannt wurde.

Zum Glück erstellte Apian auch verkleinerte Holzschnitte der Karte, die als die 24 Bayerischen Landtafeln bekannt sind und bis heute in fast jeder Ortschronik abgedruckt werden, nicht zuletzt, weil Apian darauf auch interessante Alltagsszenen festgehalten hat. Diese Tafeln bildeten bis ins 19. Jahrhundert die Grundlage für alle bedeutenden bayerischen Karten. Und sie begründeten Bayerns Ruhm, von allen Räumen der Erde am genauesten dargestellt worden zu sein.

Die Vermessung Bayerns. 450 Jahre Philipp Apians Große Karte. Staatsbibliothek, München, Ludwigstr. 16. Bis 16. Februar, Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 13-17 Uhr. Führungen: Tel. 089/286382115; für Schulklassen: Tel. 089/12132323.

© SZ vom 08.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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