Hilfe nach dem Hochwasser:Warum die Spenden noch nicht verteilt wurden

Hilfe nach dem Hochwasser: Das Haus der Familie Holzbauer in Fischerdorf befand sich nach dem Hochwasser wieder im Rohzustand.

Das Haus der Familie Holzbauer in Fischerdorf befand sich nach dem Hochwasser wieder im Rohzustand.

Von den 15 Millionen Euro Spenden nach dem Hochwasser wurden in Ostbayern erst 500.000 verteilt. Auch die Familie Holzbauer wartet noch. Denn erst zahlt die Versicherung, dann der Staat und erst dann werden die Spenden verteilt. Aber nur, wenn der Bürgermeister Zeit hat.

Von Sarah Kannig

Mit dem Hochwasser Anfang Juni strömten Helfer, Politiker und Journalisten in die ostbayerischen Notfallregionen, um den Flutopfern beizustehen. Monate später sind die Betroffenen wieder auf sich gestellt, ringen aber immer noch mit den Folgen der Zerstörung. Die Süddeutsche Zeitung begleitet eine Deggendorfer Familie, bei der das Hochwasser einen großen Teil des Hauses beschädigte, auf dem Weg zurück in die Normalität.

Wenn Armin und Karin Holzbauer abends ins Bett gehen, müssen sie aufpassen, dass sie nicht über ein Kind, ein Beistellbett oder ein Stofftier stolpern. Zehn Quadratmeter in der Wohnung der Oma - auf dieser Fläche haben sie sich eingerichtet, seit das Hochwasser vor mehr als fünf Monaten ihr Zuhause zerstörte.

Doch bald könnte dieser Zustand ein Ende haben: "Am 2. Dezember kommt der Fliesenleger, am 9. Dezember die Küche - das Herz unseres Hauses - und dann können wir Weihnachten vielleicht in den eigenen vier Wänden feiern", sagt Karin Holzbauer. Die 32-Jährige wirkt erleichtert. Endlich sieht sie Fortschritte, nachdem Handwerker im Sommer das Erdgeschoss ihres Neubaus in einen Rohbau zurückversetzten und im schimmelbefallenen ersten Stock den Putz von den Wänden schlugen. Nun sind die Verputzarbeiten drinnen fertig, den Schaden von 220.000 Euro wird voraussichtlich fast vollständig die Versicherung übernehmen. Doch die Ungewissheit bleibt: Wird die Familie auf einem Berg Schulden sitzen bleiben? Wenn es schlecht läuft, muss sie Weihnachten in der Küche feiern - weil fürs Wohnzimmer die Möbel fehlen und kein Geld da ist.

Kein Cent bisher

Obwohl Armin und Karin Holzbauer seit Monaten Leitzordner um Leitzordner mit Anträgen, Akten und Rechnungen füllen, ist völlig unklar, ob die Familie noch einen Zuschuss zum Hausrat bekommen wird, den sie nicht versichern konnte. Den staatlichen Vorschuss hat die neue Küche komplett geschluckt - "wir haben die gleiche Küche ausgesucht, die vorher drin war", sagt Karin Holzbauer, "damit wir uns schnell wieder zu Hause fühlen". Auf einer Info-Veranstaltung Anfang Oktober wurde für die Familie errechnet, dass sie voraussichtlich 3000 Euro aus dem Spendentopf von Stadt, Landkreis, Sozialverbänden und Privatsammlungen erhalten wird - doch bisher hat sie kein Cent erreicht.

"Die Schäden nicht überkompensieren"

Dabei ist der Spendentopf prall gefüllt: 15 Millionen Euro haben Bürger aus ganz Deutschland für die Hochwasseropfer in Ostbayern gespendet. Doch bisher wurden erst knapp 500.000 Euro verteilt - und das erst in den vergangenen zwei Wochen. "Es hat sich ein bisschen verzögert, weil der Bürgermeister die Spenden persönlich übergeben wollte", heißt es von der Stadt Deggendorf.

Im Landratsamt, das über die Ausschüttungen entscheidet, sammeln die Mitarbeiter immer noch Daten, damit das Spendengeld keine staatliche Förderung vorwegnimmt. "Wir müssen darauf achten, dass wir die Schäden nicht überkompensieren, also mit den Erstattungen nicht über 100 Prozent kommen", sagt Josef Ehrl, Sachgebietsleiter im Landratsamt Deggendorf. Die Spenden sollen erst ausbezahlt werden, wenn feststeht, welche Kosten die Versicherung übernimmt und was mit Staatsgeld erstattet wird. Das kann dauern. Bis nächstes Jahr, vielleicht länger.

Doch auch andere Städte und Kommunen handeln nach dem gleichen Vergabeschema. Das Bündnis Aktion Deutschland Hilft, das deutschlandweit 39 Millionen Euro Spenden für Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gesammelt hat, will in den kommenden Wochen mit den Ausschüttungen beginnen. "Zuerst zahlt die Versicherung, dann der Staat und erst danach kommen die Spenden", heißt es von der Organisation.

Für die Betroffenen ist das monatelange Warten eine Zerreißprobe. Manche stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, haben nichts mehr. So wie Freunde der Familie Holzbauer. Sie hatten besonders Pech: Eine alte Scheune auf ihrem Grundstück war versichert - der Neubau hingegen nicht. Ein Versehen, als sie vor sechs Jahren bauten, sagt Gina Heckendorf. Als das Hochwasser kam, kippte ein Heizöltank im Keller um, und Öl sickerte in die Wände. Ein Gutachter riet, Haus und Scheune abzureißen. Gina Heckendorf zog mit ihrem Mann und zwei Kindern in ihr altes Kinderzimmer bei den Eltern. Die Familie will ihr Haus wieder aufbauen. Doch das wird nur etwas, wenn das Geld reicht.

"Die Schwiegermutter nimmt nichts an"

Sie könnten die 12.000 Euro gut brauchen, die die Spendenkommission Deggendorf vorsieht, wenn ein unversichertes Haus abgerissen werden muss. Doch weil die Scheune versichert war, ist das Landratsamt unschlüssig, ob und was den Heckendorfs zusteht. Solange heißt es warten und hoffen. Der Fall der Heckendorfs mag speziell sein - aber wenn man sich das Ausschüttungstempo anschaut, scheinen viele Fälle in Deggendorf speziell zu sein.

Familie Holzbauer soll zumindest in der aktuellen Auszahlungsrunde dabei sein, verspricht die Stadt: mit immerhin 500 Euro Wohngeld. Die wollen die Holzbauers der Oma geben, die mit ihnen die Wohnung teilt. "Von uns nimmt meine Schwiegermutter eigentlich nichts an", sagt Karin Holzbauer. "Aber bald kommt die Nebenkostenrechnung. Dann wird sie froh sein."

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