Süddeutsche Zeitung

Hells Angels in Augsburg:Stadt der Engel

Mitglieder der Hells Angels feiern eine Party in Augsburg - die Polizei fürchtet, sie feiern ihren Einstand. Verlagert sich die Front der Rockerkriege nach Bayern? Die Augsburger sind beunruhigt.

Stefan Mayr

Sie kamen mit 28 Motorrädern und Autos über die Autobahn A8. Etwa 150 Mitglieder und Sympathisanten der Rockerbande Hells Angels aus dem Großraum München feierten in der Nacht von Freitag auf Samstag in einer Augsburger Diskothek eine Party. Es war der erste Besuch der Höllenengel in der schwäbischen Bezirkshauptstadt - und beinahe wäre es zu einer Massenschlägerei gekommen.

Gegen Mitternacht standen sich im Stadtzentrum etwa 100 Hells Angels und 20 Mitglieder des Motorradclubs Outlaws gegenüber. Das Unterstützungskommando der Bereitschaftspolizei konnte zwar den unmittelbaren Gewaltausbruch "gerade noch verhindern", wie es im Polizeibericht heißt. Dennoch sind die Beamten alarmiert: Denn das nächtliche Treffen könnte der Beginn eines längeren Machtkampfes gewesen sein. Bislang verlief die Front der Rockerkriege in Norddeutschland, nun scheint es, als würden die Auseinandersetzungen nach Bayern übergreifen.

Der Spuk auf der Augsburger Nachtschwärmermeile Maximilianstraße ging zwar gegen 1.30 Uhr ohne größere Zwischenfälle vorüber. Dennoch blieb die Visite der Hells Angels nicht ohne Folgen: Die Bürger und Wirte sind beunruhigt, die Polizei geht davon aus, dass dies nicht die letzte Konfrontation der verfeindeten Gruppierungen war.

Marco Böck vom Polizeipräsidium Schwaben-Nord ist überzeugt, dass die Hells Angels aus knallhartem Kalkül in Augsburg auftauchten: "Wenn Rocker mit ihren Kutten in das Gebiet einer anderen Bande kommen, dann ist klar, dass das eine eindeutige Provokation ist." Die Präsidien in Augsburg und München beobachten die Rockerszene seit dem Wochenende mit größtmöglicher Aufmerksamkeit. Denn, so Kriminaldirektor Böck, "es ist gut möglich, dass die Outlaws zum Gegenschlag ausholen".

Bislang war die Rockerszene in Bayern weitgehend friedlich. Die Kriminalpolizei München meldet zwar einige "Einzelpersonen" aus dem Rockermilieu, die in der Rotlicht- und Drogenszene Straftaten begingen. Doch von einem systematischen Auftreten oder von Machtkämpfen zwischen den Banden könne keine Rede sein, heißt es. In München gebe es etwa 75 Anwärter und Vollmitglieder der Hells Angels sowie 30 Vertreter der Rockergruppe Bandidos. "Man kennt sich", sagt ein Sprecher der Kriminalpolizei, deshalb habe es bislang keine Konflikte gegeben. Dazu hat wohl auch beigetragen, dass die Bande Outlaws in der Landeshauptstadt bisher nicht in Erscheinung getreten ist.

Outlaws, Hells Servants und Devils Eye in Augsburg

Aber in Augsburg wohnen etwa 20 Outlaws. Sie pflegten in ihrer Stadt bislang eine friedliche Koexistenz mit den Gruppierungen Hells Servants und Devils Eye. Straffällig wurden diese Banden fast nie. "Bisher war es mit Rockerbanden in Augsburg sehr, sehr ruhig", sagt Kriminaldirektor Böck. Bis Freitag. Der Besuch der Hells Angels wird als erster Schritt gewertet, dass die Bande sich in der Stadt niederlassen und Einfluss gewinnen will. Die Polizei zeigt jedenfalls schon klare Kante: "Wir werden nicht akzeptieren, dass die Hells Angels hier Fuß fassen", sagt Präsidiumssprecher Manfred Gottschalk.

Der Verfassungsschutzbericht Bayern 2009 stellte fest, dass gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Rockergruppen in Deutschland eine "bisher nicht gekannte Qualität" erreicht haben. Berichtet wird von zwei Morden in Berlin und Rheinland-Pfalz. In Bayern gab es bislang zwar keine derartigen Gewalttaten, doch die Verfassungsschützer warnten vor "Expansionsbestrebungen rivalisierender Rockergruppen".

Als Beispiel führten sie die Gründung einer neuen Hells-Angels- Ortsgruppe in Hof an. Bei den Machtkämpfen geht es laut Verfassungsschutz meist "um die Vormachtstellung in legalen und illegalen Geschäftsbereichen". Die Gewinne aus Drogen- und Waffenhandel, aber auch aus Rotlichtmilieu und Tätowierstudios lassen sich steigern, wenn ein Motorradclub die jeweilige Branche in einer Stadt dominiert, so der Bericht.

Nach Angaben der Polizei gibt es in Augsburg mehrere Türsteher, die den Hells Angels nahestehen oder sogar Mitglied des Clubs Supporters 81 sind. (Das Kürzel 81 steht für die BuchstabenHA - die Abkürzung für Hells Angels.) Zwei dieser Mitglieder sind für jene Security-Firma tätig, die auch die Hells-Angels-Party bewachte. Marco Böck vom Polizeipräsidium Schwaben-Nord kündigt nach Gesprächen mit der Stadt erste Konsequenzen an: "Das Ordnungsamt wird die Security-Firmen zur Brust nehmen."

Der Betreiber des Clubs, in dem die Party stattfand, beteuert unterdessen, er werde sein Lokal nie mehr an die Hells Angels vermieten - und die Zusammenarbeit mit der Security-Firma kritisch überprüfen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.991980
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.08.2010/mar/hai
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.