Altenmarkt an der Alz:Die Hells Angels richten sich in der Nähe des Chiemsees ein

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Die Hells Angels haben sich neuerdings in der Gemeinde Altenmarkt an der Alz eingemietet. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Die Rocker eröffnen in der 4300-Einwohner-Gemeinde Altenmarkt ein Klubheim. Zum Start ist die Polizei mit einem Großaufgebot dabei. Was kommt auf den Ort zu?

Von Matthias Köpf, Altenmarkt an der Alz

Es war nicht das allerbeste Motorradwetter am vergangenen Wochenende in Bayerns Südosten, und vielleicht haben ja auch viele Hells Angels ihre Maschinen längst stillgelegt und sie über den Winter irgendwo untergestellt. Die rund 50 Fahrzeuge, die ein Großaufgebot der Polizei am Samstag in und um Altenmarkt an der Alz einer intensiveren Kontrolle unterzogen hat, waren jedenfalls praktisch ausschließlich Autos – mit Kennzeichen aus der Region, aber auch aus anderen Bundesländern bis hinauf nach Hamburg und aus dem benachbarten Ausland. Denn viele der mehr als 100 Festgäste waren offenbar von weit her gekommen zur Eröffnung des neuen Klubheims der Hells Angels in Altenmarkt. Die Polizei war sicherheitshalber trotzdem deutlich in der Überzahl.

Die rund 200 Beamten, die die Polizei in der 4300-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Traunstein zusammengezogen hatte, trafen bei ihren Kontrollen nach Angaben des Rosenheimer Polizeipräsidiums auf etliche alte Bekannte aus der Rockerszene und stellten eine Machete und mehrere Messer sicher, darunter ein verbotenes Einhandmesser. Mit sehr viel mehr als dieser einen Ordnungswidrigkeit haben wohl auch die Spezialisten von der Abteilung Kriminalitätsbekämpfung in Rosenheim nicht gerechnet. Denn wenn die Hells Angels wieder mal irgendwo ein neues Klubheim beziehen, dann weiß das die Polizei oft schon vorher – und auch den anreisenden Rockern ist klar, dass sie sich auf Kontrollen einstellen müssen.

Das Großaufgebot vom Samstag dürfen aber nicht nur die Hells Angels als Ansage verstehen, sondern auch die Altenmarkter. „Wir haben das im Blick, wir sind da“, fasst ein Polizeisprecher die Botschaft an alle Beteiligten zusammen. Die Polizei hatte die Kontrollen am Samstagnachmittag kurzfristig öffentlich angekündigt. Die meisten Altenmarkter haben vermutlich trotzdem erst davon erfahren, als die Beamten ihre Posten an den Zufahrtsstraßen bezogen und die Autos aufhielten.

Der Bürgermeister wusste kurz vorher Bescheid

Den Altenmarkter Bürgermeister Stephan Bierschneider hatte die Polizei schon etwas eher eingeweiht, aber was mit den Hells Angels jetzt auf ihn und seine Gemeinde zukommt, weiß er nach eigenen Worten immer noch nicht recht. Ein paar Gerüchte habe es im Ort schon gegeben, sagt Bierschneider. Die Anwohner im Ortsteil Grassach hatten ja gesehen, dass in dem Gewerbegebäude direkt an ihrer Bushaltestelle an der B 304 jemand am Werkeln war. Dort hatte es irgendwann einmal Möbel gegeben und in der jüngeren Vergangenheit mal ein Küchenstudio und einen Feinkostladen, aber die allermeiste Zeit über gar nichts mehr.

Jetzt hängt über den matt und blickdicht abgeklebten Schaufenstern ein nachts beleuchtbares Schild mit der Aufschrift „Angels Place Chiemsee“, obwohl das Chiemseeufer von dort aus auch mit der Harley noch mindestens zehn Kilometer entfernt ist. Den neuerdings hier ansässigen „Hells Angels MC Chiemsee“ beobachtet die Polizei nach Angaben des Rosenheimer Präsidiums schon länger. Das demnach etwa 15 Mitglieder starke „Charter“, wie die lokalen Gruppen bei den Hells Angels genannt werden, hat demnach bisher nur nicht über ein festes Klubheim verfügt. Dass das nun anders ist, könnte der Polizei die Arbeit vielleicht sogar erleichtern.

Rockerbanden wie die Hells Angels und ihre einzelnen Charter stehen stets im Verdacht, kriminelle Organisationen zu sein. Im vergangenen Jahr war es im Landkreis Altötting zu einer größeren Razzia gekommen, bei der ein Spezialeinsatzkommando der Polizei mithilfe eines gepanzerten Fahrzeugs in den ummauerten „Angel Place“ in Töging am Inn eingedrungen war – das von Altenmarkt aus nächstgelegene Klubheim der Hells Angels. 2019 war in Schönau in der Gemeinde Tuntenhausen ein Klubheim des damals neu gegründeten Charters Rosenheim eröffnet worden.

2019 präsentierte sich das damals neu gegründete Charter Rosenheim stolz im ebenfalls neuen Klubheim in der Gemeinde Tuntenhausen. Doch die Gruppierung hat sich schon wieder aufgelöst. (Foto: YouTube)

Das hatte in dem kleinen Ort einige Verunsicherung ausgelöst – nicht ganz zu Unrecht, denn der „Präsident“ des Rosenheimer Charters wurde 2020 wegen Zuhälterei und Zwangsprostitution zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt. Seinen Nachfolger hat das Landgericht Frankfurt später wegen ähnlicher Delikte für mehr als zehn Jahre hinter Gitter geschickt. Im Rahmen der Ermittlungen war es auch zu Durchsuchungen im Raum Rosenheim gekommen, bei denen Waffen und Drogen gefunden wurden. Ihr Klubheim in Schönau hatten die Hells Angels angesichts des öffentlichen Aufsehens da aber schon wieder aufgegeben, kurz darauf hat sich das führungslose Rosenheimer Charter aufgelöst.

Auch andernorts tauchen die Hells Angels vor Gerichten und in Polizeiberichten immer wieder im Zusammenhang mit Zuhälterei und Drogenhandel auf – und auch mit mutmaßlichen Bandenkriegen um die entsprechenden Marktanteile. Rein lokal ist es aber weder in Schönau noch in Töging zu größeren Problemen mit ihnen gekommen. Wie es mit den neuen Mietern in Grassach weitergeht, ist offen. Bürgermeister Bierschneider stellt sich für die kommende Tage schon mal auf ein paar Telefongespräche mit Altenmarkter Bürgern ein.

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