Bayern-Ei-Skandal:"Die Kontrollen sind für die Katz"

Bayern-Ei-Skandal: Landrat Heinrich Trapp.

Landrat Heinrich Trapp.

(Foto: Ratzer)

Eier aus dem niederbayerischen Landkreis Dingolfing-Landau haben mutmaßlich einen europaweiten Salmonellenausbruch ausgelöst. Der zuständige Landrat sieht bei sich und seiner Behörde keine Versäumnisse. Und schiebt die Schuld auf die CSU - und Edmund Stoiber.

Interview von Philipp Grüll und Frederik Obermaier, Dingolfing

Er selbst esse nur Eier aus Freilandhaltung, sagt Heinrich Trapp. Massentierhaltung wie bei der Firma Bayern-Ei halte er für Tierquälerei. Und dennoch: Es waren auch Eier aus dem Landkreis Dingolfing-Landau, die 2014 mutmaßlich einen europaweiten Salmonellenausbruch ausgelöst haben. Und in Dingolfing-Landau ist Trapp (SPD) seit 1991 Landrat. Es ist Aufgabe der Kontrolleure aus seinem Landratsamt, den Ettlinger Hof der Firma Bayern-Ei zu kontrollieren - jenen Betrieb, in dem heimlich aufgenommenen Videos zufolge bedenkliche Zustände herrschten.

SZ: Mumifizierte Hühner, vor Dreck strotzende Sortieranlagen und eine europaweite Salmonellenepidemie, mutmaßlich verursacht durch verseuchte Eier der Firma Bayern-Ei. Wie konnte es so weit kommen?

Heinrich Trapp: Das ist zuallererst ein Problem der Massentierhaltung. Mir tut jede Henne leid, die in so einem Hühner-KZ ihre Eier legen muss. Aber diese Art der Hühnerhaltung ist nun mal rechtskonform, in Deutschland und fast überall weltweit. Täglich verenden in solchen Käfigen Dutzende von Legehennen. Der Betreiber muss sie binnen eines Tages entfernen. Tut er das nicht, wird dies in der Regel mit Bußgeldern sanktioniert.

Die Kontrollen für den Ettlinger Hof von Bayern-Ei waren Aufgabe Ihres Landratsamtes. Wie konnten die Kontrolleure das alles übersehen?

Sie haben ordnungsgemäß kontrolliert und nichts übersehen. Im Bereich der Lebensmittelkontrolle sind die Vorschriften endlos lang, aber die Zahl der Kontrolleure minimal. Sie müssen sich diesen Betrieb so vorstellen: vier Hallen, in jeder Halle 2050 Käfige, jeder Käfig ist ungefähr zwei auf drei Meter groß und da sind 60 Hühner drin. Wenn man jeden Käfig kontrolliert und sich dafür jeweils eine Minute Zeit nehmen will, dann braucht man rund 135 Stunden, um den ganzen Betrieb zu kontrollieren. Unsere Aufgabe sind aber Stichproben, nicht die lückenlose Kontrolle.

Mehrere Bayern-Ei-Mitarbeiter berichten von einem Duz-Verhältnis zwischen Kontrolleuren und dem Firmen-Eigentümer Stefan Pohlmann. Könnte das den Blick verzerrt haben?

Überall dort, wo unser Landratsamt als Staatsbehörde hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, ist uns an äußerster Objektivität gelegen und es wäre nicht gut, wenn da ein Duz-Verhältnis bestehen würde. Wäre das wirklich der Fall, dann würde ich entsprechende Konsequenzen ziehen und den Mitarbeiter auswechseln. Weder der Lebensmittelkontrolleur noch meine beiden Tierärztinnen sind aber mit Herrn Pohlmann oder den Bediensteten vor Ort per Du.

Das Duz-Verhältnis ist das eine, dann wäre da aber auch noch die Sache mit den Proben: Bereits im Februar 2014 haben Ihre Kontrolleure in Ettling Proben genommen. Ausgewertet wurden sie allerdings erst im April, es wurden Salmonellen gefunden.

An meinen Leuten hat es sicherlich nicht gelegen, dass es so lange gedauert hat, bis das Ergebnis vorlag. Meine Mitarbeiter haben die Proben am 18. Februar 2014 genommen, am 19. Februar waren sie beim LGL. Das Testergebnis haben wir aber erst am 9. April 2014 erfahren. Zu diesem Zeitpunkt waren die Eier der betroffenen Charge schon alle verkauft und wahrscheinlich auch schon gegessen. Eines ist klar: Die Kontrollen sind für die Katz, wenn man erst nach mehreren Wochen das Ergebnis bekommt. Wenn das Ergebnis innerhalb von sieben oder acht Tagen da wäre, dann könnte man die Verbraucher wenigstens warnen.

Apropos warnen: In einer Kreistagssitzung im Januar wurden Sie von einer Kreisrätin gebeten, die Verbraucher zu informieren, dass Bayern-Ei-Eier kontaminiert sind. Sie haben das abgewiegelt. Warum?

Angelegenheiten des staatlichen Landratsamtes kommen aus Datenschutzgründen im Kreistag nicht zur Sprache. Seit Sommer 2014 kommen die Eier aus dem Betrieb in Ettlingermoos nur als B-Eier, also als Ei-Masse, die erhitzt wird, auf den Markt und werden für Nudeln, Pudding und Shampoo verwendet. Für europaweite Warnungen oder Rückrufe wäre hier das LGL zuständig gewesen.

Neue Vorwürfe

Mitarbeiter der Firma Bayern-Ei erheben schwere Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber. Sie hätten palettenweise alte Eier, die unter anderem mit Maden befallen waren, sortieren und umpacken müssen, berichteten übereinstimmend mehrere Bayern-Ei-Angestellte, die vorerst anonym bleiben wollen. Alte Eier seien auf diese Weise als frisch ausgegeben und ausgeliefert worden. Auch wenn es sich womöglich um Eier für die Industrieproduktion gehandelt haben könnte, wäre dies ein gravierender Verstoß gegen geltende Vorschriften. Die Firma Bayern-Ei teilte auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung und des Politikmagazins Kontrovers des Bayerischen Rundfunks mit, die Etikettierung aller Produkte entspreche "den bestehenden gesetzlichen Anforderungen". SZ

Jene Behörde also, die für einfache Untersuchungen schon Wochen braucht?

Offenbar fehlt es halt auch beim LGL an Personal. Das ist ein Erbe der Stoiber-Jahre. Stoiber hat immer gesagt, Bürokratieabbau und weniger Beamte, das sei gut, aber dass damit auch weniger Sicherheit verbunden ist, das hat die CSU verschwiegen.

Wie soll es mit Bayern-Ei jetzt weitergehen?

Erst mal ermittelt die Staatsanwaltschaft. Am Ende wird es dann zu einer Anklage kommen oder auch nicht. Ich persönlich wäre jedenfalls nicht unglücklich, wenn diese Art der Eierproduktion total verschwinden würde. Wenn man dann keine Verwendung mehr für diese Hallen hat, auch egal. Die Feuerwehr braucht schließlich immer wieder Objekte zum Üben.

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