Heilige oder Schwindlerin?:Die Stigmatisierte von Konnersreuth

Für die einen ist sie eine Heilige, für die anderen eine Schwindlerin: Die Leidensgeschichte der Bauernmagd Therese Neumann gibt bis heute Rätsel auf.

Hans Kratzer

Die Zeit schreitet geschwind voran, schon ist der Name Resl von Konnersreuth der Generation der 30- und 40-Jährigen kaum mehr geläufig. Dabei war diese Frau nach dem Krieg eine der populärsten Gestalten in Bayern überhaupt. Ein Publizist schrieb Ende der fünfziger Jahre aus Amerika, dort seien "vom heutigen Deutschland drei Dinge bekannt - Konrad Adenauer, das Münchner Oktoberfest und Therese Neumann von Konnersreuth".

Therese von Konnersreuth

Im Gegensatz zu den Dorffrauen, die schwarze Kopftücher trugen, umhüllte Therese Neumann ihr Haupt mit weißen Tüchern. Auf ihrem Handrücken ist deutlich das Stigmatisierungszeichen zu erkennen (auf Bild vergrößern klicken).

(Foto: dpa/dpaweb)

Berühmt geworden war die Resl, wie sie genannt wurde, durch ihre Stigmata (blutende Wundmale), durch ihre Visionen und durch das Phänomen, dass sie von 1926 bis 1962 weder flüssige noch feste Nahrung zu sich genommen haben soll - mit Ausnahme einer geweihten Hostie, die sie bei der täglichen Kommunion zu sich nahm.

Das Mysterium, das sie umhüllte, machte aus dem kleinen Ort Konnersreuth im Oberpfälzer Grenzland schon zu ihren Lebzeiten eine Pilgerstätte. Zwar ist der Zustrom der Resl-Anhänger bis heute nicht abgerissen, aber ansonsten ist es still geworden um die Bauernmagd, deren Wesen von Zeitzeugen ambivalent geschildert wird. "Ein großes Kind, natürlich und heiter" nannten sie die einen, für "rechthaberisch, nachtragend und geltungsbedürftig" hielten sie die anderen. Dass sie nach dem Krieg zu den ersten Mitgliedern im Bund Naturschutz gehörte, sei am Rande angemerkt.

Unmengen von Büchern und Artikeln sind seither über Therese Neumann erschienen, ohne dass eine letztgültige Antwort über dieses Rätsel gegeben werden kann. Hilfestellung gibt nun das neue Werk des Regensburger Schriftstellers Christian Feldmann, der den Fall noch einmal aufrollt und alle Positionen daraufhin abklopft, ob die "Resl" eine Heilige war oder eine hysterische Schwindlerin, ob die Vorgänge in Konnersreuth ein Wahn sind oder ein Wunder. Dies alles vor dem Hintergrund, dass der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller im Februar 2005 das Seligsprechungsverfahren für Therese Neumann eröffnet hat. Gut 45.000 Menschen hatten sich bis dahin beim Bistum dafür stark gemacht.

Die 1898 geborene Therese war eine bärenstarke Arbeiterin, bis sie als 20-Jährige nach einem Unfall zum Pflegefall wurde. Nach ihrer wundersamen Gesundung erlebte sie in der Nacht zum 5. März 1926 zum ersten Mal visionär die Todesangst Christi. Später zeigten sich an ihr die Wundmale des Gekreuzigten - die Stigmatisation an Händen und Füßen.

Von da an durchlebte sie fast jeden Freitag qualvoll das Leiden Christi. Bis zu ihrem Tod 1962 soll Therese Neumann aus ihren Wundmalen geblutet haben. Nach den ersten Sensationsberichten standen freitags Tausende vor ihrem Elternhaus am Konnersreuther Marktplatz, um die Stigmatisierte zu sehen. Besonders die Nazis hatten ein Problem mit dieser Verehrung, in Konnersreuth brachten sie keinen Fuß mehr auf den Boden.

Selbst kritische Geister wurden in Konnersreuth bekehrt. Im November 1927 war zum Beispiel Fritz Gerlich, der Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, dorthin gereist, "um dem Schwindel auf die Spur zu kommen." Stattdessen wurde er zu einem Resl-Verehrer und verteidigte ihre Glaubwürdigkeit, bis ihn die Nazis umbrachten.

Seitdem Therese Neumann Visionen hatte und aus Wunden blutete, scheiden sich an ihr die Geister. Viele verehren sie als Heilige, andere sprechen von einer raffinierten Betrügerin. Die moderne Kriminalbiologie hat inzwischen freilich nachgewiesen, dass das Blut auf den Nachthemden und Kompressen zweifelsfrei von Therese Neumann stammt.

Zu ihren größten Kritiker zählte der 2003 gestorbene Kirchenhistoriker Josef Hanauer, der sämtliche Konnersreuther Phänomene für einen Schwindel hielt: "Wenn all das, was in Konnersreuth zum besten gegeben wurde, mit unserem Glauben in Einklang stehen soll, dann müssen wir die ganze Theologie umkrempeln", schrieb er. Die Kirche ließ im Fall Neumann stets äußerste Vorsicht walten. Der Ausgang des 2005 eingeleiteten Seligsprechungsverfahrens ist völlig offen.

"Resl hat geholfen" steht auf vielen Täfelchen an ihrem Grab geschrieben. Feldmann bilanziert, dass man Konnersreuth als Stätte echten Glaubens sehen kann, aber auch als Jahrmarkt der Sensationslust. Als Gnadenort für das dritte Jahrtausend tauge es jedoch nicht. "Ob Therese Neumann als Selige oder Heilige ein Zeichen für die Christenheit sein kann, hängt wohl davon ab, wie man sich die Kirche der Zukunft vorstellt: als Sekte mit eng gefassten Zugangsbedingungen oder als Hoffnungsgestalt mit weit geöffneten Armen."

(Christian Feldmann, Wahn oder Wunder?, Die Resl von Konnersreuth - wie sie wirklich war, MZ Buchverlag, Regensburg, 13,90 Euro).

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