Eine Kommune kann von Eigentümern verlangen, eine Hecke zurückzuschneiden, die in den öffentlichen Straßengrund hineinragt und damit verkehrsgefährdend ist. So hat es Richter Tim Rohmann von der 28. Kammer des Verwaltungsgerichts München in einer Verhandlung am Freitag rechtlich bewertet. Im konkreten Fall hatte die Gemeinde Icking verlangt, eine Fichtenhecke im Nahbereich von Grundschule und Gymnasium auf die Grundstücksgrenze zurückzuschneiden. Gegen den Bescheid vom Juni 2021 klagten die Eigentümer. Ihre Argumentation: Die Hecke stehe auf dem Grundstück bereits seit 65 Jahren und würde zerstört, wenn sie zurückgeschnitten werden müsse. Die Kommune habe daran nie etwas beanstandet, den Zustand damit gewohnheitsrechtlich geduldet.
Keine Verjährung wegen Wachstums der Hecke
Gehe es darum, eine gefährliche Situation zu verhindern, könne das keine rechtliche Basis sein, um die Hecke zu erhalten, stellte allerdings Richter Rohmann dar. Es handele sich um eine Pflanze, die wachse, womit sich die Gefahr täglich aktualisiere. „Schon deswegen kann es keine Verjährung geben“, so der Richter.
Die Fichtenhecke steht in einer Kurve an einer Richtung Grundschule und Gymnasium führenden Wohnstraße ohne Gehweg. Zudem ist eine Kindertagesstätte nur unweit entfernt. Von erhöhtem Verkehrsaufkommen zu Bring- und Abholzeiten und Fußgängern, die sich unsicher fühlten, berichtete Bürgermeisterin Verena Reithmann (UBI). „Von den Bürgern sind wir ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Situation gefährlich ist.“
Denn die Hecke ragt etwa 1,20 bis 1,50 Meter auf den zum öffentlichen Straßengrund zählenden Grünstreifen hinaus. Dadurch seien entgegenkommende Fahrzeuge schlechter zu sehen, so der Richter. Obendrauf komme der Kurvenradius, was die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern gefährde.
Eine „unerlaubte Sondernutzung“
Die Kommune Icking habe den Bescheid zum Rückschnitt erlassen können, weil die Hecke in den öffentlichen Straßengrund hineinrage, so Rohmann weiter. Die Gemeinde habe nach dem Bayerischen Straßen- und Wegenetz damit argumentiert, dass der Überwuchs eine „unerlaubte Sondernutzung“ sei und daher zurückzuschneiden sei. Einschlägig sei gleichermaßen Artikel 29, Absatz 2, wonach Anpflanzungen aller Art nicht angelegt werden dürften, soweit sie die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ beeinträchtigen könnten. Im Jahr 2022 habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass schon eine abstrakte Gefahr genüge, um den Überhang beseitigen zu müssen.
Infrage gestellt hatten die Kläger, ob nicht auch andere Maßnahmen wie Einbahnregelungen oder ein Halteverbot mehr Verkehrssicherheit brächten, die Hecke daher unverändert stehen bleiben könne. Laut Bürgermeisterin Reithmann habe die Kommune zwar vor wenigen Jahren dafür ein Verkehrskonzept erstellen lassen. Einbahnregelungen seien aber als nicht sicherheitsfördernd eingestuft worden. Halteverbote trügen übergeordnete Behörden kaum mit, so die Rathauschefin.
Für den Richter ist der Inhalt des kommunalen Bescheids „nicht ganz hohe Verwaltungskunst“
Für den Inhalt des Bescheids zum Heckenrückschnitt sprach der Richter zwar von „nicht ganz hoher Verwaltungskunst“. Denn die Kommune habe nur in einem einzigen Satz mitgeteilt, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit keine andere Mittel gefunden worden seien. Dass dies betroffene Eigentümer frustriere, könne er nachvollziehen. Gleichwohl habe die Kommune nach ordnungsgemäßen Ermessen entschieden. „Mehr als ein Satz würde aber das Verständnis fördern“, so Rohmann.
Inzwischen hat die Kommune in der Straße nach Angaben Reithmanns bereits mehrere Grundstückseigentümer zum Heckenrückschnitt aufgefordert, gegen den Nachbarn des Klägers vor drei Jahren ebenfalls einen Bescheid verhängt. Weil die Kommune diesen bis dato nicht vollstreckt habe, so argumentierten die Kläger, könne eine abstrakte Verkehrsgefährdung nicht bestehen. Laut dem Richter sei dieses Vorgehen jedoch in Ordnung, weil die Gemeinde erst den aktuellen Prozess abwarten wolle, um Rechtssicherheit für weitere Schritte zu haben.
„Ein Mahnmal für die Zerstörung von Natur“
„Wir sehen das als massive Übergriffigkeit des Staates“, so die Kläger. Ein Unfall sei an Ort und Stelle nie passiert. In ganz Icking gebe es viele von Hecken zugewachsene Stellen. Die Hecke zu ersetzen, würde mehrere zehntausend Euro kosten. Die Fichtenhecke diene auch dem Hochwasserschutz. „Das ist ein Mahnmal für die Zerstörung von Natur“, so die Kläger.
Außer Frage stand, dass die Kläger die Hecke regelmäßig pflegten. Dass diese sich ärgerten, war für den Richter nachvollziehbar. „Ich muss aber die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten.“ Das Urteil wird schriftlich erfolgen.