Haushaltsdisziplin:Bayern investiert zu wenig - und gibt trotzdem zu viel aus

Rechnungshof Collage Bayern

Kuhställe, Bordelle, Schulen und die Energiewende – der Oberste Rechnungshof deckt in seinem Bericht die verschiedensten Themen ab. Selten kommt die Staatsregierung dabei gut weg.

(Foto: Florian Peljak (2), Johannes Simon, Peter Hinz-Rosin)
  • In seinem jüngsten Bericht mahnt der Oberste Rechnungshof an, dass der Freistaat regelmäßig seine Investitionsquote nicht erfülle. Gleichzeitig müsse mehr gespart werden.
  • Die Opposition nutzt dies für Kritik an den neuen Ministerpräsidenten Söder.
  • Allerdings kritisiert der Bericht auch andere Ministerien, beispielsweise das Umweltministerium für seine Förderpolitik.

Von Lisa Schnell

Als Markus Söder zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wurde, kündigte die Opposition an, seine "Sünden der Vergangenheit" nicht zu vergessen. "Sie haben einiges im Gepäck", sagte die SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen. Nicht einmal eine Woche später beschwert der Oberste Rechnungshof (ORH) Söders Rucksack mit ein paar Steinchen und die Opposition versucht, sie möglichst schwer erscheinen zu lassen.

Söder sei als Finanzminister ein "sorgenloser Hans Guck-in-die Luft" gewesen, sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann am Dienstag. Die CSU-Regierung lebe in den Tag hinein, ohne an die Zukunft zu denken. Wie die Grünen fordert auch die SPD, die vorhandenen Steuereinnahmen endlich für mehr Investitionen zu nutzen. Harald Güller, der für die SPD im Haushaltsausschuss sitzt, will massive Investitionen in den Wohnungsbau, die Kinderbetreuung und die Infrastruktur. Vor allem in die Stärkung des ländlichen Raums müsse mehr Geld fließen, sagte Bernhard Pohl von den Freien Wählern.

Sie reagieren damit auf die Kritik von Rechnungshofpräsident Christoph Hillenbrand, der im jüngsten Bericht anmahnt, die Investitionsquote sei regelmäßig hinter der Planung von zwölf Prozent zurückgeblieben. 2016 und die zwei Jahre davor bewegte sie sich um die zehn Prozent. Die Regierung habe zudem ihr Ziel verfehlt, die Staatsausgaben um nicht mehr als drei Prozent zu steigern. 2016 habe es aufgrund der Ausgaben für Flüchtlinge eine Steigerung von 6,2 Prozent gegeben, 2017 und 2018 betrage das Plus 4,1 und 3,3 Prozent. Hillenbrand forderte Söder und die Staatsregierung zu mehr Sparsamkeit auf.

Finanzstaatssekretär Albert Füracker entgegnete, dass die Investitionsquote in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sei. 2016 habe Bayern immerhin die höchste Investitionsquote der westlichen Flächenbundesländer gehabt. "Mit 5,9 Milliarden Euro haben wir 2017 rund eine Milliarde Euro mehr investiert als 2012", sagte Füracker. Er betonte zudem, dass der ORH ausdrücklich die Fortschritte Bayerns beim Schuldenabbau gelobt habe. Er kündigte an, die weiteren Anregungen des ORH würden berücksichtigt.

Der hatte vor allem bei der Arbeit der Finanzämter noch Nachholbedarf gesehen, was Güller zu der Aussage veranlasste, Söder habe den Steuervollzug nicht im Griff gehabt. Der ORH wirft den Finanzämtern vor, Betriebe aus dem Rotlichtmilieu nicht ausreichend zu kontrollieren. Bei jedem zweiten geprüften Fall gebe es zusätzlichen Ermittlungsbedarf. Es fehle an einer systematischen Überwachung. Zum einen werde nicht ausreichend geprüft, zum anderen hätten die Ämter keinen Überblick, wie viele Bordelle es überhaupt gibt. Mit Prostitution aber lasse sich viel Geld verdienen, von dem einiges wohl am Fiskus vorbeifließt. Bei sechs überprüften Betrieben stellte der ORH Jahresumsätze in Millionenhöhe fest. Man werde Einzelfälle prüfen und die Zusammenarbeit mit der Polizei, die Betriebe im Rotlichtmilieu beobachte, intensivieren, heißt es aus dem Finanzministerium.

Doch auch in anderen Bereichen könnten die Finanzämter laut ORH-Bericht noch besser hinsehen. Bei den neun vom ORH geprüften Finanzämtern gingen demzufolge sieben Millionen Euro verloren, weil sie beim Zuzug von Bürgern oder Unternehmen nach Bayern steuerliche Ansprüche gegenüber anderen Bundesländern nicht ausreichend geltend gemacht hätten. Zudem befürchtet der ORH "erhebliche Steuerausfallrisiken" bei der automatisierten Prüfung von Steuererklärungen.

Entdeckt die Maschine Auffälligkeiten, gibt es einen Prüfhinweis, dem der Mensch nachgehen soll. In mehr als 60 Prozent aber soll keine vollständige Prüfung erfolgt sein. Zu viel Aufwand werde dagegen bei einer neuen Steuerregelung für Landwirte betrieben. Eine 2016 eingeführte Tarifglättung sollte den Bauern Erleichterung bringen. Fast die Hälfte von ihnen aber profitierte gar nicht davon, dafür mache die neue Regelung den Finanzämtern so viel Arbeit, dass es 25 zusätzliche Mitarbeiter bräuchte, heißt es im Bericht.

Was außerdem angemahnt wurde

Neben Söder bekommt vor allem Kultusminister Ludwig Spaenle einige Ratschläge vom ORH. Die Prüfer kritisieren, dass die Regierungen bei der Abrechnung mit Förderschulen, die vom Staat Zuschüsse erhalten, stark im Rückstand seien. Insgesamt müssten noch 436 Millionen Euro ausgezahlt werden. Die Schulaufsicht ist aus Sicht des ORH außerdem mangelhaft, weil es nicht ausreichend Personal gebe. Schulräte befassten sich hauptsächlich mit Organisation, statt mit Themen wie Integration in den Klassenzimmern. An Organisation mangelte es offenbar aber bei den Studentenverwaltungen an den Hochschulen. 750 000 Euro an Studentenbeiträgen konnten sie dem Bericht zufolge nicht mehr zuordnen. Das Geld floss damit nicht wie vorgesehen an die Studentenwerke, sondern in den Staatshaushalt.

Kein gutes Haar lässt der ORH an der staatlichen Immobiliengesellschaft Imby. "Uneinheitlich, unvollständig und fehlerhaft" verwalte sie die Rechte Dritter an Grundstücken. Beim Straßenausbau hinterfragen die Prüfer Erfolgsmeldungen. Die würden schon herausgegeben, wenn der Finanzrahmen aufgebraucht sei. Nur weil das ganze Geld ausgegeben wurde, heiße das aber nicht, dass genügend gebaut wurde.

Kritik zieht auch die Förderpolitik des Wirtschaftsministeriums im Bereich der Energiewende auf sich. Wie das Haus eine signifikante Steigerung der erneuerbaren Energien erreichen wolle, erschloss sich den Prüfern nicht. Auch die Förderpolitik des Umweltministeriums ist aus Sicht der Prüfer "außer Kontrolle". Dabei geht es um Umweltstationen, die das Umweltbewusstsein der Bayern stärken sollen. Das Ministerium halte sich selbst nicht an die eigenen Förderrichtlinien, moniert der ORH, und empfiehlt sie zu überarbeiten.

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