Neuer Doppelhaushalt:Bayern erwirtschaftet 4,2 Milliarden Euro Überschuss

Sitzung des bayerischen Landtagss

Zufall? Glück? Ministerpräsident Markus Söder mit Finanzminister Albert Füracker (links) während der Haushaltsdebatte im Landtag.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Bayern hat im Jahr 2018 einen Überschuss von 4,2 Milliarden Euro erwirtschaftet.
  • Die Rücklage wächst damit auf 6,5 Milliarden Euro, das ist mehr, als in der vergangenen Legislatur.
  • Was er mit dem Geldsegen vorhat, sagt Ministerpräsident Söder nicht.

Von Wolfgang Wittl

Um kurz nach halb zwölf wird klar, weshalb Markus Söder an diesem Mittwoch selbst ans Rednerpult tritt. So mancher hatte sich ja gewundert, dass der Ministerpräsident im Landtag sprechen will. Den Abend vorher hatte Söder bis kurz vor Mitternacht noch im Koalitionsausschuss in Berlin verbracht, erst am frühen Morgen kehrte er nach München zurück.

Es ist unüblich, dass der Regierungschef sich persönlich ins Klein-Klein einer Haushaltsdebatte einschaltet. Drei Tage lang wird im Plenum detailliert über die Posten der jeweiligen Ministerien diskutiert. Eigentlich ist der Punkt "Einzelplan 02 für den Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei" ein klassischer Auftritt für den Staatskanzleichef. Doch angemeldet hat sich der Redner Söder. Und jetzt, kurz vor der Mittagszeit, erfährt jeder, warum er das getan hat.

Drei Minuten spricht Söder über eine unsicher werdende Welt und Bayern als Hort der Stabilität. Dann kommt er zur Sache: 4,2 Milliarden Euro Überschuss habe Bayern 2018 erwirtschaftet. Die Rücklage wachse auf 6,5 Milliarden Euro - mehr als in der vergangenen Legislatur. "Zufall? Lotterie? Glück?", fragt Söder. Die Antwort gibt er sicherheitshalber selbst: "Nein, das ist das Ergebnis harter Arbeit."

Die Überraschung glückt. Die Opposition beklagt fehlenden Respekt, spricht aber auch von einem Coup. Wochenlang hatte sie die Staatsregierung kritisiert, nachdem bei der Kabinettsklausur im Januar bekannt geworden war, dass der Doppelhaushalt 2019/20 nur durch einen tiefen Griff in die Rücklagen zu finanzieren ist. 3,6 Milliarden Euro werden entnommen, 4,2 Milliarden kommen jetzt hinzu. Die Rücklagen sind damit höher als zuvor. Genüsslich ruft CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer der Opposition im Plenum zu: "Ihre Argumentation ist zusammengebrochen, bevor Sie das Wort ergreifen können."

Eine Dreiviertelstunde steht Söder am Rednerpult, mehr als doppelt so lange wie geplant. Er hält eine Art Regierungserklärung, alles packt er hinein: Landespflegegeld, Familiengeld, Investitionen für Forschung, Wirtschaft, Klimaschutz, Digitalisierung, Wohnen und Verkehr. Auch seine bundespolitischen Vorschläge zählt er auf: niedrigere Steuern, weg mit dem Soli, her mit der Energiewende. Eines sagt er aber nicht: Was er mit dem unerwarteten Geldsegen vorhat.

Der Bayerische Oberste Rechnungshof hatte die Staatsregierung scharf gerügt, sie lasse es bei der Schuldentilgung an Ehrgeiz vermissen. Eine Milliarde Euro stellt sie dafür im Doppelhaushalt bereit. In diesem Tempo werde die Regierung ihr selbst gestecktes Ziel von einem schuldenfreien Bayern bis 2030 weit verfehlen, kritisierte der ORH. Zahlt der Freistaat jetzt mehr zurück? Fachleute sagen, Söder werde die vielen Milliarden brauchen, um die gestiegenen laufenden Ausgaben auch in den nächsten Haushalten auszugleichen.

Seinem Finanzminister Albert Füracker dankt Söder für dieses "Kunst- und Meisterwerk". Füracker ist der Architekt dieses Zahlengebildes. Vom Lob erfährt er nur aus der Ferne. Während Söder im Landtag die Frohbotschaft verkünden darf, besucht der Finanzminister die Hauptausschusssitzung des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), ein Pflichttermin.

Auch Söder hat eine Agenda namens BBB. Sie steht für Bauern, Bürgermeister und Beamte, auf diese Zielgruppen konzentriert er sich seit Jahren. Beamtenbund-Chef Rolf Habermann zählt zu den einflussreichen Lobbyisten im Land. In grauer Vorzeit hätten Haushaltsberatungen den Anlass für "heftigste Auseinandersetzungen" geboten, erinnert Habermann in seiner Rede. Nun dankt er der Regierung mehrmals mit dem Prädikat: "bundesweit einmalig."

Die Staatskanzlei hat unter Söder personell erheblich zugelegt

Die Landtagsopposition zeigt sich nicht so freundlich. Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann wirft Söder "eine Sammlung von Einzelmaßnahmen" vor: "Ihnen fehlt die große Linie." Trotz Rekordhaushalts gelinge es dem Ministerpräsidenten nicht, die Weichen zu stellen für mehr Klima-, Arten- und Naturschutz. Wachstum sei nicht alles, sagt Hartmann: "Was bringt uns der größte Erfolg, wenn wir auf dem Weg dorthin unsere Lebensgrundlagen weiter zerstören?" Ein dicker Geldbeutel sei noch kein Garant für gute Politik.

SPD-Landeschefin Natascha Kohnen beklagt, Bayern lasse Projekte aus dem Bundeshaushalt finanzieren, ohne sich selbst ausreichend einzubringen. "Sie müssen doch die richtigen Initiativen des Bundes mit eigenen Mitteln unterstützen", ruft sie Söder zu. Auch im Freistaat gebe es noch genügend zu tun. Die staatliche Wohnbaugesellschaft Bayernheim müsse "endlich in die Gänge kommen", Bayern brauche flächendeckende Pflegestützpunkte. "Politik kann mehr, als andere runterzumachen und versuchen, sich selber größer zu machen", sagt Kohnen.

Übertriebene Selbstdarstellung und Scheckbuchpolitik hält Katrin Ebner-Steiner (AfD) dem Ministerpräsidenten vor. "Für den Machterhalt sind Sie bereit, mit dem Geld der Steuerzahler alle Konflikte zu überdecken." Deshalb bekomme Bayern nach dem Volksbegehren Artenschutz jetzt ein "sündhaft teures Versöhnungsgesetz". Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, weist die Vorwürfe zurück. Es sei die Pflicht des Ministerpräsidenten, mit den Menschen in Dialog zu treten und daraus seine Handlungen abzuleiten.

Trotz der Rücklagen könne der Haushalt über eines nicht hinwegtäuschen, warnt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Dass die Ausgaben höher seien als die Einnahmen. "Die Freibierparty ist vorbei, Herr Ministerpräsident." Söder zeige zu wenig Einsatz bei Investitionen und Zukunftsprojekten. "Bavaria One verglüht in der Atmosphäre der politischen Realität", spottet Hagen. Und Söders ureigener Geschäftsbereich, um den es während dieser Aussprache nominell eigentlich geht, stehe sinnbildlich für den Gesamthaushalt.

Tatsächlich hat die Staatskanzlei unter Söder personell erheblich zugelegt. Allein 2018 wurden 109 neue Stellen gebilligt, nun kommen weitere 24 hinzu, zudem wurden Beamte aus anderen Häusern abgezogen. Auch wenn knapp 20 Stellen ins neue Digitalministerium wanderten, hat sich die Regierungszentrale um fast ein Drittel vergrößert. Knapp 125 Milliarden Euro beträgt das Volumen des Doppelhaushalts. Die zusätzlichen Personalkosten in der Staatskanzlei dürften einen hohen einstelligen Millionenbetrag im Jahr ausmachen.

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