Bayerns Haushalt:600 Millionen Euro weniger in der Kasse als gedacht

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"Die wirtschaftliche Lage ist höchst volatil und unsicher", sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU) am Freitag anlässlich einer neuen Steuerschätzung. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Laut Herbststeuerschätzung dürfte der bayerische Fiskus 2023 zwar mehr Geld einnehmen als im Vorjahr. Doch frühere Prognosen fielen deutlich optimistischer aus. Finanzminister Füracker sieht den Beginn einer Rezession gekommen.

Von Johann Osel

Der bayerische Fiskus muss kommendes Jahr mit einem deutlichen Rückgang der prognostizierten Steuereinnahmen rechnen. Hatte die Steuerschätzung im Mai für den Freistaat 2023 noch ein Plus von mehr als zwei Milliarden Euro vorausgesagt, musste diese Prognose nun um 600 Millionen Euro heruntergeschraubt werden. Das teilte Finanzminister Albert Füracker (CSU) am Freitag anlässlich der Herbststeuerschätzung mit. Es handelt sich um regionalisierte Daten auf Basis der Vorlage des Bundes. "Grundsätzlich halte ich die Prognosen der aktuellen Steuerschätzung für durchweg zu optimistisch angesetzt - die wirtschaftliche Lage ist höchst volatil und unsicher", betonte Füracker. Niemand wisse, welche Herausforderungen noch auf das Land zukommen würden.

Für das laufende Jahr ergeben sich laut Oktober-Steuerschätzung für Bayern zwar noch rund 1,3 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen als noch im Mai prognostiziert. Doch auch hier sei nicht sicher, ob das Geld in der Höhe "wirklich eingeht", sagte der Finanzminister. Die Schätzung dürfe nicht über die eingetrübte Lage hinwegtäuschen, "nach allen Prognosen stehen wir am Beginn einer Rezession". Bedeutet sozusagen: 2022 wäre das vorerst letzte fette Jahr.

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Das Schätzergebnis ist die Grundlage für den Staatshaushalt 2023. In diesen müssten die bereits in Aussicht stehenden Entlastungsmaßnahmen einkalkuliert werden, auch die Ergebnisse der Beratungen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler Mitte kommender Woche, sagte Füracker. Dabei soll es unter anderem um eine Nachfolge für das bundesweite Nahverkehrsticket gehen. Schon bei vorherigen Entlastungspaketen hätten die Länder "ungefragt mit zahlen müssen", rügte er. Hinzu komme, dass auch der Staat überall hohe inflationsbedingte Mehrausgaben habe, beim Bauen, beim Bewirtschaften von Gebäuden, beim Sprit etwa für Polizeiautos.

Für 2023 wird es erneut einen Ein-Jahres-Etat geben anstelle einer Doppelplanung wie früher. Man sei nun "in der Endphase" der Konzeption. Möglichst bald solle die Haushaltsklausur des Kabinetts stattfinden, im Dezember will Füracker das Zahlenwerk dem Landtag vorlegen - für die ausführlichen Beratungen, das Königsrecht des Parlaments. Ein endgültiger Beschluss durch den Landtag zieht sich damit wohl wieder weit ins neue Jahr (heuer kam er Anfang April).

2022 hatte der Haushalt ein Volumen von 71,1 Milliarden Euro; dazu gehörten auch Schulden, die Füracker unter anderem für die Hightech-Agenda der Staatsregierung aufnahm. Dafür nutzte er eine nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigung, die der Landtag 2020 für die Bewältigung der Corona-Krise gestattet hatte. 2023 möchte der Minister - laut Planung "am heutigen Tag" - ohne neue Schulden auskommen. Die "drohende Kulisse" der Rezession sowie womöglich weiterer Belastungen seitens des Bundes mache das aber auch unwägbar.

"Aber wo bleibt der Haushalt?", mahnt die Grüne Claudia Köhler

Bereits am Donnerstag diskutierte der Landtag schon mal über den Haushalt - über einen Antrag der Grünen, wonach im Januar ein gültiger Staatshaushalt vorliegen müsse, der etwa die Voraussetzungen für ein 49-Euro-Ticket schaffe. "Wir brauchen schnelle Lösungen in Bayern, auch Lösungen, die Geld kosten", sagte Claudia Köhler (Grüne). "Aber wo bleibt der Haushalt?" Alle, die auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind, Kommunen und Unternehmen bräuchten "Planungssicherheit". Doris Rauscher (SPD) ergänzte: "Außer viel Gejammer Richtung Berlin und Lippenbekenntnisse ist mal wieder nichts gewesen." Zum von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigten Entlastungspaket für Vereine und soziale Einrichtungen fehlten Details, "dabei brennt die Hütte". Dem Antrag schloss sich die restliche Opposition nicht an.

Er sei gespannt, ob der Haushalt wirklich "ohne Neuverschuldung auskommt und wie viele Wahlgeschenke möglicherweise enthalten sein werden", warf Helmut Kaltenhauser (FDP) ein. Ferdinand Mang (AfD) warnte vor "Volksenteignung" durch "grüne Ideologie".

Ernst Weidenbusch (CSU) verwies auf die Steuerschätzung am Folgetag, "Qualität geht vor Geschwindigkeit". Bernhard Pohl (FW) fühlte sich bei der Eile der Grünen an einen Scherz bei der Bundeswehr erinnert: "Ab 1. April ist Sommer befohlen. Das heißt, egal welche Witterung herrscht, muss man dann sommerlich gekleidet zum Dienst kommen." Für die Staatregierung sprach abschließend, in Vertretung von Füracker, Bauminister Christian Bernreiter (CSU). Er sagte zur von den Grünen angestoßenen Debatte: Die Ampel "erfindet immer neue Sondervermögen und lässt sich dafür Blankochecks in Milliardenhöhe ausstellen", dabei sei nach wie vor völlig offen, mit welchen Belastungen man für den Landeshaushalt rechnen müsse. "Ich meine, ich bin im falschen Film."

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