Hausärztestreit:Medizinische Paartherapie

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Landtagspräsidentin Stamm und Gesundheitsminister Söder bringen Ärzte und Kassen zurück an den Verhandlungstisch. Doch anfangs liegen die Nerven blank.

Dietrich Mittler

Die Pförtner des Landtags waren vorgewarnt: Er würde eng werden am Freitag bei der Anhörung der Hausärzte im Parlament. Und es wurde eng: 300 bis 400 Hausärzte aus ganz Bayern drängten einer nach dem anderen durch das hüfthohe Drehkreuz am Eingang. Alle wollten miterleben, ob Gesundheitsminister Markus Söder die Vertreter der Hausärzte und der Krankenkassen "als ehrlicher Vermittler" wieder an den Verhandlungstisch bringt, so wie er es versprochen hatte.

Markus Söder - unterwegs in heikler Mission. Im Streit zwischen Hausärzten und Krankenkassen haben sich beide Seiten grundsätzlich auf neue Verhandlungen verständigt. (Foto: dapd)

Sogar via Internet wird der Versuch dieser schwierigen Paartherapie übertragen - denn die Hausärzte und die Krankenkassen sind seit Dezember heftigst zerstritten. Damals wollten die Hausärzte kollektiv aus dem Kassensystem aussteigen. Aber sie haben nicht die nötige Mehrheit dafür gefunden. Ihr Präsident Wolfgang Hoppenthaller trat daraufhin zurück. Und die Kassen setzen sie nun unter Druck.

Die Gefühle liegen blank. Der große Saal im zweiten Stock des Maximilianeums reicht längst nicht für alle Besucher. "Wozu habe ich denn überhaupt eine Einladung bekommen", schreit ein Arzt. "Ich fahre keine 300 Kilometer hierher, dass ich hier verarscht werde", ein anderer. Ein dritter schimpft: "Ich muss eh schweigen und schlucken." Schließlich muss Wolfgang Krombholz, der kommissarische Chef des Bayerischen Hausärzteverbandes, vor die Tür und Frieden stiften. "Wir stehen hier vor einer entscheidenden Phase. Ich bitte, dass wir jetzt keine eskalierende Situation produzieren", mahnt er seine Kollegen.

Krombholz weiß, es steht für die Hausärzte viel auf dem Spiel. Als Reaktion auf den versuchten Systemausstieg der Hausärzte hatten die Kassen ihre Hausarztverträge fristlos gekündigt - viele der im Landtag erschienenen Mediziner begreifen das als existenzielle Bedrohung. Dieser Freitag, das weiß Krombholz, kann eine Wende im zerrütteten Verhältnis zu den Kassen darstellen.

Auch Söder sieht das so: "Heute ist ein besonderer Tag", eröffnet er das Hearing. Es gehe nicht darum, jemanden vorzuführen, sondern die Konfliktparteien zusammenzuführen. Das gelinge allerdings nur unter drei Bedingungen: "Alle beiden Seiten müssen sich an geltendes Recht halten", sagt Söder. Beide Seiten hätten sich gegenseitig Verletzungen zugefügt, aber das müsse man im Interesse der Patienten hintanstellen. Jetzt müssten zeitnah neue Hausarztverträge ausgehandelt werden, und das in fairem Umgangston.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm fängt die Stimmung im Saal auf, dann folgt ihr flammender Appell: "Es ist ein Beginn", sagt sie, "es ist ein Beginn in einer schwierigen Zeit, wo man meint, es haben sich alle auseinandergelebt." Dann übernimmt wieder Söder die Regie. Die Staatsregierung bleibe Partner der Hausärzte, aber sie sei kein Partner bei Ausstiegsplänen aus dem Kassensystem, stellt er klar.

Stamm: "Der Dialog ist in Gang gesetzt"

Dann folgt die entscheidende Frage: Wollen die Hausärzte künftig darauf verzichten, erneut eine kollektive Rückgabe ihrer Kassenlizenz vorzubereiten? Die Vertreter des Hausärzteverbandes sind darauf gefasst. "Wir verfolgen die Ausstiegsstrategie nicht weiter", sagt Krombholz. Er muss das an diesem Vormittag noch oft sagen, weil die Vertreter der AOK, der Ersatz- und der Betriebskrankenkassen es immer wieder hören wollen.

Söder fragt aber auch die Kassen, ob sie sich an geltendes Recht halten wollen, und möglichst zeitnah - ohne taktische Spielchen - neue Hausarztverträge abschließen. Die Antwort bleibt zunächst aus. Stattdessen gibt es wortreiche Erklärungen über Transparenz, die Rechtstreue der Kassen an sich, die Wünsche der Patienten, gut versorgt zu werden - bis Minister Söder das unterbricht und die Kassen festnagelt: "Also ja, sie wollen verhandeln." Sodann gibt er bekannt, den Verhandlungsbeginn erwarte er sich bis Ende Januar.

Landtagspräsidentin Stamm ist am Ende der Veranstaltung sichtlich entspannt: "Der Dialog ist in Gang gesetzt", sagt sie. Söder lässt wissen, er sei "nicht unzufrieden". Und am Nachmittag kündigt die AOK an, sie strebe einen zügigen Abschluss eines neuen Hausarztvertrages mit den Ärzten an.

© SZ vom 15.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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