Hausärzte vs. Kassen:Verliere ich den Arzt meines Vertrauens?

Sollten sich die Hausärzte aus den Reihen der Kassenärzte verabschieden, hätte das weitreichende Konsequenzen für Patienten. Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Dietrich Mittler

Der Erlanger IT-Fachmann Erwin Wirth ist nur einer unter Zigtausenden von Krankenversicherten in Bayern, die mit Sorge beobachten, wie der Konflikt zwischen den Hausärzten und den Krankenkassen eskaliert. "Ich bin keiner, der jetzt wegen jedem Wehwehchen zum Doktor rennt, aber ich habe doch Angst um meine Versorgung, wenn mein Hausarzt jetzt seine Kassenzulassung zurückgibt", sagt der 53-Jährige - auch wenn er die Motive seines Arztes voll verstehe. Er sei extra zur AOK Bayern hinübergewechselt, um sich in deren Hausarztvertrag einzuschreiben. Nun hat die Kasse den Hausarztvertrag als Antwort auf den drohenden Systemausstieg der Hausärzte aufgekündigt, und Erwin Wirth steht zwischen den Fronten. Anbei Fragen, die derzeit ihn und viele andere Versicherte beschäftigen.

Verliere ich den Arzt meines Vertrauens, wenn er seine Kassenzulassung zurückgibt?

Hausärzte, die ihre Kassenzulassung zurückgeben, dürfen nach der Übergangszeit bis Ende Juni 2011 grundsätzlich keine gesetzlich Versicherten mehr behandeln. Der Bayerische Hausärzteverband vertritt indes die Meinung, dass er nach einem kollektiven Systemausstieg eigene Verträge mit den Kassen durchsetzen kann. Ausgestiegene Hausärzte dürfen im Gegensatz zu ihren Kollegen, die im System bleiben, streiken. Diesen Weg halten Kassen und Staatsregierung jedoch für illegal. Wer sich in diesem Machtkampf durchsetzt - der, wenn er denn nun stattfindet, sehr lange dauern kann - ist aus Patientensicht völlig unberechenbar.

Gibt es Ausnahmen, die weiterhin eine Behandlung auf Chipkarte ermöglichen?

Grundsätzlich gilt: "Gesetzlich Versicherte haben das Recht auf freie Arztwahl", sagt Gabriele Hartl, die Patientenbeauftragte der Staatsregierung. Aber: Versicherte können von einem Arzt ohne Kassenzulassung nur noch als Privatpatienten behandelt werden. Die Kassen übernehmen die Kosten nicht. Es gibt allerdings Ausnahmen. Findet die Kasse bei unaufschiebbaren Behandlungen keinen anderen Kassenarzt, der den Patienten übernehmen kann, so muss sie ihrem Versicherten mitteilen, dass ein "Systemversagen" vorliegt. Sodann hat sie auch die Behandlungskosten zu übernehmen.

Und wie sieht es im Notfall aus?

In Notfällen ist jeder approbierte Arzt zur Behandlung verpflichtet, die Kassen müssen die Notfallleistungen bezahlen. Dies gilt auch bei Systemaussteigern.

Darf mein Hausarzt noch Rezepte schreiben?

Darf mein Hausarzt nach seinem Systemausstieg noch Rezepte verschreiben?

Im Prinzip schon - allerdings können Arzneimittel dann nur noch auf Privatrezept verordnet werden. Der Patient muss sie also aus eigener Tasche zahlen.

Darf mich mein Hausarzt noch zu Kassen-Fachärzten überweisen?

Auch das ist aus Sicht der Krankenkassen nicht mehr möglich, wenn ein Hausarzt seine Kassenzulassung zurückgegeben hat.

Was passiert am heutigen Mittwoch in der Nürnberger Arena?

Die fast 7000 Mitglieder des Bayerischen Hausärzteverbandes haben Karten bekommen, auf denen ein Barcode angebracht ist, wie man ihn etwa vom Supermarkt her kennt. Zieht der Arzt diesen Barcode über ein Lesegerät, so bekundet er damit, dass er zum Systemausstieg bereit ist. Machen dies 3813 Hausärzte, so ist nach Auffassung des Hausärzteverbandes die zum kollektiven Ausstieg notwendige 60-Prozent-Marke erreicht. Der Verband wird bald darauf den Kassen ein Angebot unterbreiten - das diese aus bisheriger Sicht ablehnen werden.

Was passiert, wenn die 60-Prozent-Marke nicht erreicht wird?

Dann werden alle abgegebenen Verzichtserklärungen gelöscht.

Tritt dann auch automatisch wieder mein Hausarztvertrag in Kraft?

Nein, denn den haben die Kassen fristlos gekündigt. Alle bislang eingeschriebenen Patienten müssen ihre Praxisgebühren wieder voll entrichten. Auch ist das Angebot eines jährlichen kostenlosen Gesundheitschecks hinfällig - zumindest so lange, bis sich Ärzte und Kassen auf einen neuen Hausarztvertrag geeinigt haben.

Warum wollen Ärzte den Ausstieg?

Aus ihrer Sicht hat Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler durch seine jüngste Gesundheitsreform die für die Ärzte rentablen Hausarztverträge untergraben. Damit sei ihre Existenz gefährdet, zumal auch die Kassen die kostenintensiven Verträge vielfach ablehnen.

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