Haus der Bayerischen Geschichte:Im Wartesaal

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Max Uthoff spielt den Münchner Nazi-Verleger Hugo Bruckmann, der Hitler bei seinem Aufstieg behilflich war. (Foto: Robert Haas)

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg beschäftigt sich demnächst mit den Zwanzigerjahren. In München wird dazu eigens ein aufwendiger Film mit prominenten Hauptdarstellern gedreht

Von Katharina Kausche, München

Im stilvollen Salon trifft sich die geistige Elite, um über Politik zu sinnieren, in einem spärlichen Raum begegnen sich die armen Leute, von Hungersnot, Krieg und Tuberkulose gezeichnet - und immer wieder mittendrin Christoph Süß, der ironisch das Geschehen kommentiert. Abseits vom Charleston-Klischee soll der Film "Im Wartesaal" die Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zeigen - als Zeit des Wartens, der Orientierungslosigkeit, aber auch als Zeit der technischen Erfindungen. Das Drehbuch dazu hat der BR-Moderator Christoph Süß selbst verfasst, gedreht wurde von Samstag bis Montag im Showpalast in München. Der Film ist Teil der Ausstellung "Tempo, Tempo - Bayern in den 1920er Jahren", die vom 25. September an im Haus der Bayerischen Geschichte zu sehen ist.

Ein bisschen Theaterstück, ein bisschen Film und ein bisschen Dokumentation - das ist die Idee hinter "Im Wartesaal". Bloß nicht trocken soll es sein, lieber möglichst atmosphärisch, sagt Süß, der in die Rolle des Moderators von Szene zu Szene stolpert. Nicht nur Zuschauern des BR-Magazins Quer ist Süß ein Begriff, seit der Eröffnung des Museums in Regensburg führt er dort im Panoramakino durch die bayerische Geschichte.

Der Film zur neuen Ausstellung zeigt in sieben Szenen, welche Sorgen und Ängste, aber auch Glücksmomente Menschen aus verschiedenen Schichten in den Zwanzigerjahren durchlebten und wie sich damals nationalsozialistisches Gedankengut verbreitete. Moderator Süß stellt dabei gewissermaßen die Verbindung zur heutigen Zeit her. Zwischen Tweed-Dreiteilern mit Monokel und knöchellangen Kleidern bricht er mit seinem modernen Anzug bewusst den authentischen Flair und daddelt dafür in den Szenen nebenbei auch ab und zu an seinem Handy. "Wir wollen die damalige Stimmung zusammenfassen, aber auch immer wieder mit der heutigen verknüpfen", sagt er.

Das Filmteam bediente sich bei den Dreharbeiten einer neuen Technik, mit der die Nachproduktion erheblich verkürzt werden kann. (Foto: Robert Haas)

Der "Wartesaal" ist das zentrale Motiv des Drehbuchs. "Die große Frage ,Wo geht es hin?' hat die Zeit bestimmt", sagt Raphaela Holzer vom Haus der Bayerischen Geschichte. "Zugleich war es eine sehr dichte Zeit, voller technischer Neuheiten, die im Alltag ankamen, wie zum Beispiel der Rundfunk." Die Ausstellung "Tempo, Tempo - Bayern in den 1920er Jahren" solle "Schlaglichter setzen" in diesem "wilden Jahrzehnt". Und dabei soll es auch, aber nicht nur um Adolf Hitler und das Erstarken des Nationalsozialismus gehen. Auch andere historische Persönlichkeiten, wie die Hitler-Gegnerin Ellen Ammann, die sich für Frauenrechte einsetzte, sind Teil der Ausstellung und des Films. Kabarettistin Luise Kinseher, die im Film die Politikerin und Gründerin des katholischen Frauenbunds verkörpert, freut das: "Ich bin nicht völlig blank und unwissend, was die Zwanzigerjahre in Bayern angeht, aber mir war Ellen Ammanns bedeutende Rolle nicht bekannt."

Als Münchner stoße man zwar immer wieder auf die Zwanzigerjahre, sagt Kinsehers Kabarett-Kollege Max Uthoff, "aber wie wild die Zeit war, das überrascht mich doch wieder". Uthoff spielt Hugo Bruckmann, einen Münchner Verleger, der Hitler bereits in seiner Anfangszeit unterstützt hatte. Neben Kinseher und Uthoff sind unter anderem auch Helmut Schleich und Christian Springer in verschiedenen Rollen zu sehen.

Trotz der Verzögerung durch Corona soll "Im Wartesaal" rechtzeitig zur geplanten Ausstellungseröffnung im September fertig werden. Und das liegt vor allem an der Technik. Zum ersten Mal arbeitet die Produktion mit einer speziellen LED-Technik anstelle eines Greenscreens. Dabei können schon während der Aufnahmen Effekte eingearbeitet werden - zum Beispiel Fotos oder Videoausschnitte, die im Hintergrund einzelner Szenen zu sehen sind. Das verkürzt die Nachproduktion.

Die Dreharbeiten im Showpalast sind eine der ersten größeren Filmproduktionen, die seit März in München stattfinden. Den Eindruck hatte zumindest Ingo Zirngibl, einer der Geschäftsführer der Produktionsfirma "jangled nerves", die beim Film Regie führt - allerdings gemäß den Absprachen mit dem Gesundheitsamt: Am Set gelten wie überall strenge Hygienevorschriften. Nur die Schauspieler müssen weder Masken tragen noch Abstand halten. Sie alle haben zu Beginn der Dreharbeiten einen Corona-Schnelltest gemacht. Das Ergebnis: negativ. "Ein bisschen Glück kann man ja immer haben", sagt Zirngibl. Nötig seien die Tests allemal. "Mit einem Abstand von 1,5 Meter zu spielen, das geht wirklich nicht."

Die Ausstellung "Tempo, Tempo - Bayern in den 1920er Jahren" ist vom 25. September an im Donausaal des Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen.

© SZ vom 21.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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