Süddeutsche Zeitung

Hauptschulen in Bayern:Hauptsache Mittelschule

Fast alle Hauptschulen in Bayern werden in Mittelschulen umgewandelt - am Ende sollen sich die Schüler auf Technik, Wirtschaft oder Soziales spezialisieren.

Tina Baier

München - Zum neuen Schuljahr wird es in Bayern fast keine Hauptschulen mehr geben. "95 Prozent der bisherigen Hauptschulen werden das Schuljahr 2011/2012 als Mittelschulen beginnen", sagte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Dienstag in München. Zu den 960 Schulen, die bereits Mittelschulen sind, kommen 340 neue dazu. Darunter sind alle 45 Münchner Hauptschulen und alle 24 Hauptschulen in Nürnberg.

Um zur Mittelschule zu werden, muss eine Schule nach den Vorgaben des Kultusministeriums drei zentrale Punkte erfüllen. Erstens braucht sie ein Ganztagsangebot, zweitens muss sie den Schülern ermöglichen, nach der neunten Klasse ein Schuljahr dranzuhängen und dann den "Mittleren Schulabschluss" abzulegen, der zumindest in der Theorie gleichwertig mit einem Realschulabschluss ist. Und drittens müssen die Schüler von der achten Klasse an die Möglichkeit haben, sich auf einen der drei Zweige "Technik", "Wirtschaft" oder "Soziales" zu spezialisieren. Schulen, die es allein nicht schaffen, all diese Angebote zu machen, können sich mit anderen zu einem Verbund zusammenschließen. Spaenle kündigte außerdem an, im kommenden Schuljahr in der sechsten Jahrgangsstufe eine Intensivierungsstunde einzuführen

, in der die Klasse geteilt wird. Außerdem sollen Schüler, die den Mittleren Abschluss machen wollen, künftig in der siebten, achten und neunten Klasse je eine zusätzliche Englischstunde pro Woche bekommen.

Eines der wichtigsten Ziele der Mittelschulreform war, die Schließung kleiner Volksschulen vor allem auf dem Land zu verhindern. Viele von ihnen haben schlicht zu wenige Schüler, um den Betrieb als Hauptschule aufrechtzuerhalten. Aus Spaenles Sicht ist dieses Ziel erreicht. "Wir haben 128 Mittelschulen, in denen es Klassen mit weniger als 15 Schülern gibt", sagte Spaenle. Die kleinste Klasse an einer Schule im Landkreis Neustadt an der Aisch habe sogar nur neun Schüler. 50 Mittelschulen sind nach Angaben des Kultusministeriums Lückenschulen, in denen ein ganzer Jahrgang fehlt. Während im Schuljahr 2007/2008 noch mehr als 45 Schulen schließen mussten, werden es im kommenden Schuljahr wahrscheinlich nur elf sein.

"Eine erfolgreiche Reform sieht anders aus", sagt dagegen Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Schulleiter und Lehrer an den bereits bestehenden Mittelschulen seien gestresst und verärgert. Viele Neuerungen seien während des laufenden Schuljahres ohne Rücksicht auf Schüler und Lehrer eingeführt worden. Zum Beispiel wurde von heute auf morgen angeordnet, dass Schüler, die den Mittleren Abschluss machen wollen, eine Aufnahmeprüfung ablegen müssen, um den dafür notwendigen Unterricht besuchen zu dürfen. Die Anordnung wurde dann wieder geändert. Das hatte zur Folge, dass Schüler der sechsten Klasse eine Aufnahmeprüfung schrieben, die dann im Nachhinein für überflüssig erklärt wurde.

Die meisten Bildungspolitiker der Opposition glauben auch nicht, dass das neue Konzept das Schulsterben längerfristig verhindern kann. Denn die Schülerzahlen werden allein aufgrund der kommenden schwachen Geburtsjahrgänge weiter zurückgehen. Viele setzen daher auf die sogenannte Gemeinschaftsschule, in der die Jugendlichen je nach Leistung einen Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife ablegen können oder in speziellen Kursen auf das Abitur vorbereitet werden. Viele kleine Schulen auf dem Land wären nämlich auf einen Schlag wieder voll besetzt, wenn Realschüler und Gymnasiasten vor Ort bleiben könnten.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2011/sonn
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