Hartmann neuer OB in Dachau:Erst einmal kündigen

Hartmann neuer OB in Dachau: Florian Hartmann mit Natascha Kohnen, der Generalsekretärin der Bayern-SPD, bei einer Pressekonferenz. Hartmann ist 27 und neuer OB in Dachau.

Florian Hartmann mit Natascha Kohnen, der Generalsekretärin der Bayern-SPD, bei einer Pressekonferenz. Hartmann ist 27 und neuer OB in Dachau.

(Foto: Robert Haas)

Er ist der jüngste Oberbürgermeister in Deutschland: Die Wahl von Florian Hartmann in Dachau hat alle überrascht. In erster Linie den 27-jährigen SPD-Kandidaten selbst. Nun will er erst einmal ein paar Kurse belegen.

Von Walter Gierlich

Oberbürgermeister Florian Hartmann. Daran müssen sich nicht nur die Bürger der Großen Kreisstadt Dachau gewöhnen. Auch der Sensationssieger der Stichwahl am Sonntag wird erst in den nächsten Tagen so richtig realisieren können, was da passiert ist. "Man ist von einem Tag auf den anderen Oberbürgermeister", sagt er und wirkt dabei immer noch ziemlich perplex. Seit 1966 stellte die SPD keinen Rathauschef mehr in Dachau. Und jetzt kommt ein erst 27 Jahre alter Nachwuchspolitiker und hebt den seit zwölf Jahren amtierenden OB Peter Bürgel von der CSU völlig überraschend aus dem Sattel.

Die Gelegenheit, den Mann als Hoffnungsträger und jüngsten Oberbürgermeister ganz Deutschlands zu präsentieren, lässt sich natürlich die Bayern-SPD nicht entgehen: "Das ist ein ganz toller Erfolg", sagt Generalsekretärin Natascha Kohnen bei einer Pressekonferenz am Montagmittag in der Münchner Parteizentrale. Hartmann selbst sitzt ob des großen Auftriebs von Presse, Rundfunk und Fernsehen ein wenig verunsichert daneben.

Für den Überraschungssieger der Dachauer OB-Wahl ist es der zweite Termin am Montag. Der erste hat den Diplomingenieur für Energie- und Umwelttechnik in seine Münchner Firma geführt. Er musste dem Chef beibringen, dass er spätestens im Mai nicht mehr da sein werde, weil er von da an die Geschicke der Stadt Dachau zu leiten habe. Wie schon nach der Auszählung am Sonntagabend betont Hartmann auch auf der Pressekonferenz, dass er mit dem Ergebnis nicht gerechnet, sondern es allenfalls erhofft habe.

Doch habe er bereits an den Info-Ständen viel Zustimmung erhalten und dabei gedacht: "Wenn die mich auch alle wählen, dann muss ein gutes Ergebnis rauskommen." Das Resultat ist in der Tat besser als erhofft. Hat Hartmann im ersten Durchgang mit 26,7 Prozent noch mehr als 20 Punkte hinter Amtsinhaber Bürgel (47,3 Prozent) gelegen, so gewinnt er die Stichwahl souverän mit 53,7 zu 46,3 Prozent. Nun muss er erst einmal private Dinge regeln, seine Berufslaufbahn abwickeln beispielsweise.

Mit 21 Jahren im Stadtrat

Trotz seiner erst 27 Jahre ist Hartmann kein politischer Neuling. Der gebürtige Dachauer, der in seiner Heimatstadt auch die Schule bis zum Abitur besuchte, wurde vor zehn Jahren in den Dachauer Jugendrat gewählt. Als Sprecher dieses Lobby-Gremiums für die Jugendlichen der Stadt fungierte Hartmann vier Jahre lang. Dann wurde er 2008 mit gerade 21 Jahren in den Stadtrat gewählt. Seit 2012 ist er stellvertretender Fraktionschef der Sozialdemokraten, die ihn zielstrebig zum OB-Kandidaten für 2014 aufbauen wollten. 2020 dann, wenn CSU-Mann Bürgel aus Altersgründen nicht mehr antreten hätte dürfen, wäre Hartmann mit guten Aussichten ins Rennen gegangen. So weit der ursprüngliche Plan der SPD, der vor gut einem Jahr plötzlich komplett über den Haufen geworfen wurde.

Im Frühjahr 2013 fegte eine Riege älterer Sozialdemokraten bei der Jahreshauptversammlung des Ortsvereins den Vorschlag vom Tisch und wählte den Stadtrat und Trachtenfabrikanten Horst Ullmann zum neuen Vorsitzenden. Aus dem bisherigen Vorstand und der Fraktion war niemand bereit, mit den Putschisten zusammenzuarbeiten. Hartmanns Kandidatur schien erledigt zu sein, ehe er überhaupt offiziell nominiert war. Ullmann und seine Mitstreiter präsentierten im Sommer einen eigenen OB-Kandidaten von auswärts, der kurz zuvor noch im oberbayerischen Bezirksvorstand der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) die Kasse geführt hatte. Bei der CSU rieb man sich verwundert, aber wohl nicht allzu enttäuscht die Hände, schien die Wiederwahl Bürgels durch diese Entwicklung doch reine Formsache zu sein.

Aufbruchstimmung in der Stadt

Das dachte man bei der CSU offenbar auch noch, als es im Spätherbst im SPD- Ortsverein einen Gegenschlag gab: Die Gegner von Ullmanns Truppe hatten ihre Anhänger mobilisiert und stellten doch noch Hartmann als OB-Kandidaten auf. Die Putschisten zogen sich zurück, Ullmann verließ die SPD und holte mit einer eigenen Liste zwei Stadtratssitze. Bei der SPD hingegen machte sich in der knappen Zeit bis zur Wahl eine Jetzt-erst-recht-Stimmung breit. "Wir haben einen Superwahlkampf geführt mit andersartigen Plakatmotiven, mit einem eigenen Wahlkampfsong, der auf Youtube zu sehen und zu hören ist, und ganz stark auch im Internet", erklärt Florian Hartmann.

Dazu sei ein Programm gekommen, das sich zwar in vielen Punkten nicht von dem der Konkurrenz unterschieden habe. "Aber wir haben gegenüber den anderen immer noch was draufgelegt." Und spätestens nach den überraschenden fast 27 Prozent im ersten Wahlgang sei eine Aufbruchstimmung in der Stadt zu spüren gewesen, dass es der junge Kandidat vielleicht doch packen könnte. Tatsächlich gelingt ihm die Sensation, die Bürgel und die CSU völlig überrascht und fassungslos macht.

In den nächsten Tagen wird Hartmann viele Gespräche führen müssen, denn eine Mehrheit hat er nicht im Stadtrat. Die SPD stellt nur sieben von 40 Stadträten. Die CSU hat 15 Sitze und kommt zusammen mit ihren Hilfstruppen von den Freien Wählern, der FDP und Ullmanns Liste auf eine knappe Mehrheit von 21 Sitzen. Noch etwas steht für ihn an: "Ich komme aus der Projektarbeit, Verwaltung ist für mich neu." Doch zu seinem Glück gibt es dafür Kurse, wie sie etwa der Städtetag anbietet. Und auf Unterstützung von Parteifreunden kann der Jung-OB auch zählen: Vierkirchens Bürgermeister Heinz Eichinger, der nach 18 Jahren nicht mehr antrat, und der Landtagsabgeordnete Martin Güll haben ihm bereits Unterstützung zugesagt.

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